Vom Glück

Wer den benannten Text von Max Goldt in voller Länge anhören mag, kann das (derzeit) hier tun.

Vor knapp vier Wochen wohnte ich im Berliner Kabarett »Die Distel« nach langer Zeit mal wieder einer Lesung von Max Goldt bei. Ich hatte ›den Mann‹ zu Weihnachten mit einem Ticket für dieses Kulturevent bedacht und es war ein wunderschöner Abend mit vielen wohlklingenden, klugen oder lustigen Sätzen, sehr oft waren darin auch alle drei Eigenschaften vereint. In einem der Texte widmete sich der Autor in der ihm eigenen Weise dem Glück – und abgesehen davon, dass mir der Text sehr gut gefiel, stieß er in meinem Kopf auch das Nachdenken darüber an, wie ich für mich persönlich den Begriff »Glück« definieren oder umschreiben würde. Nach einer Weile fiel mir eine Formulierung ein, die nun schon gut zehn Tage in meinem Hirn vor sich hin marinierte und dort reifen konnte, mit der ich aber nach wie vor sehr zufrieden bin. Eine Voraussetzung für das Erkennen eines Glücksgefühls (gemäß meiner Definition) ist allerdings, dass jeder, der dieses bewusst wahrnehmen will, zuvor eine Antenne dafür entwickeln müsste, ein Radar, einen Sensor, wie auch immer man es nennen mag. Ich bin der festen Überzeugung, dass viele Menschen Momente des Glücks erleben, jedoch ohne sich dessen bewusst zu sein. Glück hat keine feste Dauer, es kann nur eine Hunderstel Sekunde währen, für manchen vielleicht der Moment, in dem eine Achterbahn den Zenit der Schienenstrecke erreicht hat und der Gravitationsdruck beim Aufstieg dem Gefühl der Schwerelosigkeit beim Hinuntersausen weicht. Glück kann einen Tag lang währen, vielleicht bei einem Besuch der lang nicht gesehenen Familie. Es kann auch Wochen andauern, wenn zum Beispiel ein Urlaub bei An- und Abreise, Wetter, Unterkunft, Verpflegung und während aller Unternehmungen nahezu perfekt verläuft. Es gibt stille Momente des Glücks, die man durchaus auch ganz alleine erleben kann. Es gibt aber auch turbulente, laute, vor Sinneseindrücken nur so strotzende, gesellige Erlebnisse, die man glücklich erlebt. Manchmal passiert womöglich so viel auf einmal, dass man gar keine Zeit hat, sich bewusst zu werden, dass dieser Zeitraum von Glück durchdrungen ist. Bisweilen ist es eventuell so still, dass man gar nicht auf den Gedanken kommt, dass etwas so ruhiges und solitär Erlebtes die Bezeichnung Glück verdient haben könnte. Deshalb finde ich es so wichtig, dieses ganz individuelle Gespür zur Erkennung, zum kurzen Innehalten und zur bewussten Feststellung zu entwickeln »Ah, ich bin gerade glücklich!«. Denn wenn man dem Glück mehrmals derart bewusst ins Gesicht schaut, glaube ich, erkennt man es nach und nach auch schneller und öfter wieder, wenn es einem erneut begegnet.

Meine Definition für das subjektive Gefühl von Glück würde ich (derzeit) so formulieren:

»Glück ist jeder auch noch so kurze Moment, in dem ich mich absolut frei fühle sowohl von jeglichem materiellen oder emotionalen Bedarf als auch von der Sehnsucht nach irgendetwas anderem.«

Wohlgemerkt, es geht um das Gefühl. Ich kann unter Geldnot leiden, aber vielleicht gibt es trotzdem Momente, in denen ich dies in wachem, unberauschten Zustand vergesse. Ich kann gerade krank oder einsam sein, doch beim Gärtnern oder dem Beobachten eines singenden Vogels wird auch dieser Umstand womöglich für eine Zeit lang irrelevant. So wie es Menschen gibt, die mehr Geld haben als sie je werden ausgeben können und die trotzdem unglücklich sind, möchte ich daran glauben, dass es auch das Gegenteil gibt.

Was ist Eure Definition von Glück? Seht Ihr das ähnlich, habt Ihr Ergänzungen oder würdet Ihr mir komplett widersprechen? Ich freue mich über Kommentare hier unter dem Beitrag oder auf Mastodon.

Meine Füße und ein fotografischer Beleg dafür, dass sich schon im November 2011 wohl jemand dieselbe Frage stellte.

3 Kommentare

  1. Meine Definition von ,,Glück“ ist sehr weit: Es kann vom rauschhaften Umspülen (wie wenn man frisch verliebt ist) bis zu dem einen kleinen Moment, wo man am Schreibtisch sitzt und plötzlich so ein schöner Friede da ist, reichen.

    Ich denke, Du hast den richtigen Punkt angesprochen: Es kommt darauf an, ob man den Moment als solchen erkennt und deswegen wertschätzen kann.

    1. Ja. Besonders gefällt mir die Formulierung »wo … plötzlich so ein schöner Friede da ist«. Vielleicht gehört es auch zum Glück dazu, dass man es nicht immer hinterfragen muss (Wo kommt dieser plötzliche Friede eigentlich her oder was ist der Grund dafür?), sondern den Moment einfach so hinnehmen und auskosten sollte, wie er sich spontan ergibt. 🙂

      1. Danke! 🙂
        Zufälligerweise habe ich heute mit meiner Mutter telefoniert (besser: Am Telefon gequatscht) und hatten auch das Thema ,,Glück“ drauf.
        Leon Winscheid war damit wohl letztens im TV.

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