Bücherfragebogen [♂] – 22

22 Das Buch in deinem Regal, das die meisten Seiten hat
Noch vor zwei Wochen hätte ich hier irgendein anderes Werk aus meiner Bibliothek vorstellen müssen, doch mit einem Buchgeschenk, das ich mir selbst zu Weihnachten machte, wurden sämtliche Kandidaten für diese Frage locker enttrohnt: Das »Lesikon der visuellen Kommunikation« – ist ein Buch der Superlative. 9 Jahre lang hat die Autorin Juli Gudehus, Gestalterin und Grafik-Designerin aus Berlin, an ihrem monumentalen Nachschlagewerk gearbeitet, 9.704 Begriffe zusammen getragen, 3.513 Co-Autoren haben ihr mit eigenen Beiträgen geholfen. Wäre das Opus nicht auf hauchdünnem Bibelpapier gedruckt, würden die exakt 3.000 Seiten einen einzelnen Buchband zweifellos sprengen.

Schon am 07. Oktober 2010, dem Tag der Präsentation auf der Frankfurter Buchmesse, machte ein Artikel im Fontblog auf den kuriosen Schinken neugierig. Kurios deshalb, weil sich das Werk – wie schon das Wortspiel »Lesikon« andeutet – der klassischen Nüchternheit herkömmlicher Lexika entzieht, sich seinen Themen stilistisch frei, assoziativ, spielerisch, subjektiv annähert. In einem kurz darauf im selben Blog geposteten Interview mit der Autorin erzählt sie von der nicht immer einfachen Arbeit an ihrem Großprojekt.

Was der Veröffentlichung folgte, waren wohlwollendste Rezensionen selbst in Medien, die sonst dem wenig massentauglichen Fachthema visuelle Kommunikation eher zaghaft gegenüberstehen: Die FAZ schrieb »Einer der schönsten Sachbuchtitel der jüngeren Zeit«, die ZEIT urteilte »Das Lesikon ist eine Feier der Schwarte in den Zeiten des Internets«, ihm wurde von der Stiftung Buchkunst in der Kategorie »Wissenschaftliche Bücher, Fachbücher« die Auszeichnung »Die schönsten deutschen Bücher 2010« verliehen und natürlich widmeten sich auch weitere Designer- und Typographieblogs, wie etwa Slanted, dem üppigen Druckwerk. Spätestens da war mir klar: dies ist ein Must-have für jeden, der mit Werbung oder Mediengestaltung sein Geld verdient.

Eine schöne Besonderheit abseits der Massenfertigung sind die fünf Lesezeichen-Unikate aus der Druckschnipselsammlung der Autorin, die jedem Band beiliegen, etwa ein echter handschriftlicher Einkaufszettel in Sütterlin-Schrift, eine Tageskarte für die Berliner S-Bahn oder ein Ausschnitt aus der grellen »Schweinebauch«-Beilage eines Lebensmitteldiscounters. Man spürt, wie viel Engagement und Leidenschaft Juli Gudehus in ihr Werk investiert hat. Und das Beste: man muss es auf keinen Fall an einem Stück lesen, sondern kann darin schmökern, blättern und springen wie man will. Was mir persönlich bei der unglaublichen Seitenzahl auf jeden Fall ein großes Stück entgegenkommt.

Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Foto: © formschub