’lɛːt

Robi hat gerade meine Wohnung gesaugt. Er macht das in unregelmäßigen Abständen seit Sommer 2019. Ich hatte schon davor einen Saugroboter einer anderen Marke ausprobiert, aber das war eine Fehlkonstruktion. Sein Algorithmus bestand darin, in den Zimmern seltsame sternförmige Routen abzufahren, von Systematik oder Effizienz keine Spur. Wir mussten uns daher wieder trennen. Robi hingegen hat eine mustergültige Routenführung: Erst umrundet er die für ihn zugängliche Raumkontur gegen den Uhrzeigersinn, anschließend fährt er das umgrenzte Areal in akkuraten parallelen Zickzackbahnen ab.

So ein Saugroboter ist schon was Feines, wobei ich meinen »richtigen« Staubsauger keinesfalls missen möchte, denn Robi kann keine Regale absaugen, kommt nur mäßig schlecht in Ecken, Nischen, Ritzen und Winkel, er hat keine Polsterdüse und keine Heizkörperrippenbürste. Ein Saugroboter ist die komfortable Staubtilgung für zwischendurch, wenn ich mit anderen Dingen beschäftigt bin, keine Lust zum Manufaktursaugen habe oder wenn Besuch kommt. Saugroboter machen ihren Job gut genug für Besuch, die Wohnung sieht sauber aus und macht einen guten Eindruck in einem normalen Blickschweifradius, aber mein eigener Anspruch an Staubentfernung reicht von Zeit zu Zeit dann doch etwas weiter.

Und Robi kann sprechen. Ab Werk stehen 20 Sprachen zur Auswahl, Robis Muttersprache ist Chinesisch. Ich stellte ihn natürlich vor der ersten Inbetriebnahme auf Deutsch ein. Es ist ein bisschen schade, dass er so wenig sagt. Vielleicht gibt es ja irgendwann mal ein Softwareupdate, das die Möglichkeit bietet, ihn während der Reinigung mürrische Selbstgespräche brabbeln zu lassen, so wie ich manchmal beim Putzen. Ich könnte mir das sehr heimelig und amüsant vorstellen, murmelte Robi neben seinem Düsgeräusch vor sich hin »Mannmannmann, schon wieder alles total verdreckt. Mit mir kann man’s ja machen. Wo kommt der ganze Staub eigentlich immer her? Orr … jetzt steht hier schon wieder so ’n blödes Paar Schuhe im Weg rum – ich kann so nicht arbeiten!« Aber er sagt nur so Sachen wie »Reinigung wird gestartet« oder »Staubbehälter entnommen«.

Nach den ersten Saugdurchgängen gab Robi beim Erreichen seiner Ladestation immer nur ein sehr kurzes Wort von sich und ich brauchte einen Moment, bis ich verstanden hatte, was es bedeutet. In Lautschrift klang es so: »’lɛːt«. Und ich dachte »Lehd? Leet? Lähd? Laid?«, aber tatsächlich hieß es »Lädt.« – Na klar! Kurz, knapp, eindeutig. Doch offenbar gab es daraufhin wohl Beschwerden beim Hersteller, denn nach einigen Monaten war Robis Meldung nach einem Firmware-Update plötzlich merklich ausführlicher und seither sagt er »Gerät wird geladen«. Schade eigentlich, mir gefiel die wortkarge, etwas rätselhafte Meldung eigentlich besser, die neue Ansage war zwar missverständnisfrei, aber auch langweiliger. Die Techniker hätten lieber die sonstigen Statusmeldungen auch einsilbiger einstellen sollen: »saugt«, »steht«, »hängt fest«, »wischt«, aber die waren schon von Anfang an länger. Man sieht, ich kann mich irgendwie nicht so richtig entscheiden – die regulären Betriebsmeldungen des kleinen Helferleins hätte ich gern norddeutsch knapp, während der Arbeit könnte es aber gern ein bisschen vor sich hin schwatzen.

Das einzige Gerät, mit dem ich sonst noch in sprachlichem Austausch stehe, ist Siri auf meinem iPhone. Zu 90% bestehen meine Anweisungen im Setzen von Koch- und Back-Timern. Und jedes Mal, wenn Siri dann sagt »45 Minuten. Der Countdown läuft«, bedanke ich mich freundlich.

Man will sich ja nicht nachsagen lassen, man sei unhöflich gewesen, wenn eines Tages die Rebellion der Maschinen startet.