Bornholm, Tag 5

Einer der Gründe, warum ich diese Insel so liebe, ist ihre unglaubliche landschaftliche Vielfältigkeit. Strand, Sand, Meer, Wald, Wiesen, Felder, Klippen, Täler, Sümpfe und Hügel – alles auf diesem eigentlich so kleinen Stückchen Land mitten im Meer vereint. Diese Vielfalt war auch bei der Wanderung am heutigen Tag (Komoot-Link) mal wieder erfahrbar. Der Ausgangspunkt lag einige Kilometer entfernt von dem kleinen Ort Rø auf einem etwas abgelegeneren Waldparkplatz. Schon nach wenigen Schritten befanden wir uns mitten in einem märchenhaft-wilden Forstgebiet, gingen an einem Bach entlang auf eine eingezäunte, aber durch ein Klappgatter frei zugängliche Wiese, wo Rinder und Schafe gemeinsam grasten. Die Schreckhaftigkeit der Tiere war für mich ein Anzeichen, dass sie nicht an Wanderer gewöhnt waren. Galoppierend zogen sie sich, ungeachtet unserer vorsichtigen und ruhigen Annäherung, in eine entlegenere Ecke ihrer Weide zurück.

Über einen steilen, einstmals bewaldeten Hügel ging es erneut bergab in den Wald. Eine Gruppe anderer Wanderer, die uns in einigem Abstand auf dem neuen Pfad folgte, bog bald an einer Kreuzung auf einen anderen Weg ab und so genossen wir die Tour fast bis ans Ende mit nur einer weiteren (menschlichen) Begegnung. Nach einigen Kilometern Waldweg lichteten sich die Bäume und die Landschaft zur Linken wurde deutlich sumpfiger, der Weg jedoch war sicher und trocken. Dichte Büschel gelbglänzender Sumpfdotterblumen dekorierten die dicht mit Schachtelhalm und Schilf durchwachsene Wasserfläche. Heute war dies eine der wenigen Touren, auf denen wir nirgends Bärlauch entdeckten, in fast allen (Misch- oder Laub)wäldern sonst waren die mit weißen Blüten und Knospen betupften Matten des Krautgemüses stetige Begleiter neben den Wegen. Nach dem Wechsel über eine Brücke auf die andere Seite des Sumpfgebietes weitete sich dieses zum ufernah mit Seerosen bewachsenen Borgedalssø, der im Sonnenlicht mit schönen Reflektionen des Himmels und der Bäume unbedingt fotografiert werden wollte.

Zum Ende der Route kamen wir zurück auf die Viehweide vom Anfang, jedoch an deren gegenüberliegender Begrenzung. Hier graste eine Gruppe Schafe, die bei unserem Anblick deutlich weniger »fremdelte«, eines kam sogar forsch auf uns zu, schnupperte und forschte, ob wir wohl Futter anbieten könnten. Wäre ich ein wenig schneller am Auslöser gewesen, hätte ich ein mustergültiges »Boop-Foto« des vorwitzigen Tieres einfangen können. So reichte es »nur« für eine zahme Ganzkörperaufnahme.

Um der Einnahme des Belohnungsbieres wieder etwas Abwechslung zu verleihen, erfolgte die Einkehr nach Ende der Wanderung heute wieder in der Hotelbar von Tag 1. Auf der Terrasse wurde es nach dem ersten Glas jedoch im frischen Abendwind trotz Jacke etwas zu kühl, so dass die nächste Runde im hyggeligen Innenraum genossen wurde.

Auch das Abendessen zu Hause war eine Wiederauflage des Dinners, das wir am Ankunftstag hatten: eine andere Kombination der köstlichen hausgemachten Fischsalate aus der Nordbornholms Røgeri. Noch vor kurzem drohte das Lokal, mangels Nachfolgebetreiber verkauft oder geschlossen zu werden, inzwischen jedoch fand sich eine Lösung, bei der die nächste Generation der Inhaberfamilie wohl überzeugt werden konnte, ihren Lebensmittelpunkt vom dänischen Festland zurück auf die Insel zu verlegen und nun das Haus mit dem kompletten gastronomischen Angebot – und, noch wichtiger, den delikaten Rezepturen der Salate! – weiterführt. Ich begrüße das ausdrücklich!

Zur Abendunterhaltung holten wir uns dann Kenneth Branagh im Remake von »Tod auf dem Nil« (2022) ins Wohnzimmer. Eine okaye Neuverfilmung, die etliche Aspekte des »Klassikers« von 1978, mit Peter Ustinov als Poirot und internationalem Staraufgebot, anders und neu inszeniert und trotz einiger Längen (108 Minuten statt 128 hätten m.E. auch genügt) recht unterhaltsam und spannend daherkommt. Im Kontext der vor einigen Tagen geschauten Folgen von »Absolutely Fabulous« war zudem das Wiedersehen mit Jennifer Saunders in der Rolle einer der Mitreisenden auf dem Schiff ein Aspekt, der erfreute.

Nachts dann ein sonderbarer Traum mit einer Wohnungsbesichtigung in einem Hochhauskomplex. Die Wohnungen waren sämtlich durchnummeriert und zu einzelnen Gruppen der Wohnungen gab es unzählige, mit blau-weißen Nummerngruppen beschriftete einzelne Aufzüge. Ich musste aus irgendeinem Grund in Wohnung Nummer 9 und irrte vor dem Hochhauskomplex umher, um den passenden Aufzug ausfindig zu machen, der mich dorthin bringen konnte. Kein Albtraum, aber dennoch verwirrend. Das Gehirn ist doch manchmal ein Schelm.