Streuselscience

In einem großen Supermarkt im Umland von Trier, wo das Elternhaus des Mannes steht, kann man abgepackten Streuselkuchen einer lokalen Bäckerei erwerben, der überraschend gut schmeckt und daher seit geraumer Zeit bei jedem der sporadischen Besuche auf dem Einkaufszettel steht. Für die Zeit zwischen diesen Aufenthalten jedoch bedeutet das – selbst wenn ein Vorrat zum Export angeschafft wurde – eine längere streuselkuchenfreie Phase. Da das an den Nerven zehren kann, hatte ich vor einigen Monaten begonnen, nach einem ebenbürtigen Rezept zu suchen, um auch fern der Mosel gegen die Streuselkuchenabstinenz anbacken zu können. Ich bin kein versierter Kuchenbäcker, da der Genuss von Süßgebäck bei mir fast augenblicklich auf der Waage sichtbar wird, lieber backe ich Brot. Trotzdem stehen in meinem Kochbuchregal einige auf Flohmärkten erstandene Bände, in denen »althergebrachte« Kuchenrezepte verzeichnet sind, so zum Beispiel das »Dr. Oetker Schulkochbuch« von 1971 (editierter Nachdruck einer Ausgabe von 1963) oder ein undatiertes Werk ähnlichen Alters namens »Unser Kochbuch«, das von der »Grosseinkaufs-Gesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften mbH« (GEG) in Hamburg herausgegeben wurde und laut handschriftlicher Signatur hinter dem Einband einst einer gewissen Gertrud Tiedemann gehörte. Wo wenn nicht hier sollte meine Suche nach einem Streuselkuchenrezept »nach Omas Art« beginnen?

Ich glich die in den beiden Büchern verzeichneten Rezepte zunächst miteinander ab und dann mit einigen Rezepten, die ich mithilfe der Suchbegriffe STREUSELKUCHEN WIE BEI OMA ausfindig machte. Die größten Unterschiede gab es bei der Menge zugesetzten Zuckers, dem Butteranteil und der Frage »Hefeteig mit oder ohne Ei?«. Der erste Backversuch war ein Hybrid aus zwei oder drei Rezepten und zunächst ohne Ei. Es war ein okayer Kuchen, aber er wirkte schon nach dem Backen ein wenig trocken, was nach einigen Tagen Lagerung noch zunahm. Außerdem waren Temperatur und Backzeit wohl etwas zu mutig bemessen, sodass er etwas zu sehr gebräunt aus dem Ofen kam.

Beim zweiten Versuch modifizierte ich das Rezept erneut, diesmal mit Ei und einer optimierten Aromatisierung durch Zimt in den Streuseln. Nochmal besser, aber immer noch nicht perfekt. Beim dritten Versuch reduzierte ich die Backtemperatur weiter, der Bräunungsgrad war schon sehr nah am Optimum, aber immer noch fand ich die Teigmenge für den Boden zu groß bzw. die Streuselmenge zu gering. Außerdem probierte ich testhalber mal, die Butter gegen einen neuen veganen Butterersatz namens ELEPLANT auszutauschen. Diese Variante gefiel mir sehr gut, auch nach 4–5 Tagen kühler luftdichter Lagerung war der fluffige Boden noch saftig. Die sehr feine, nicht zu süße Aromatik des Kuchens, zitronig im Boden und zimtig in den Streuseln, passt für mich perfekt zusammen und das Kompliment des Mannes »besser als der gekaufte« (HA!) bestätigte meine Bewertung.

Im Verlauf der Rezeptrecherche hatte ich auch danach gesucht, wie man eigentlich am besten die Streusel zubereitet. Nimmt man warme weiche Butter oder kalte harte? Manche Rezepte sprachen sogar von zerlassener Butter. Benutzt man zum Vermischen einen Mixer? Wenn ja, mit Knethaken oder mit Rührstäben? Es gab Niederschriften, in denen die Verarbeitung ohne elektrisches Küchengerät, aber mit Hilfe einer Gabel angegeben war und andere, die eine Verarbeitung »mit der Hand« empfahlen. Aber wie mit der Hand? Rühren, vermengen, kneten, rollen? Entstehen die Streusel durch Agglomeration der Masse beim Durchmengen irgendwann »von selbst« oder sollten sie besser aktiv geformt werden? Fragen über Fragen. Meine jetzige und unten beschriebene Vorgehensweise führt für mich persönlich zum besten Ergebnis: Erst werden die Streuselzutaten, eher mit den Fingern, zu einer gleichmäßig feinkörnigen Masse vermengt (das kann einige Minuten dauern) und dann durch das feste Zusammenkneten jeweils einer Handvoll dieser Masse zu länglichen kompakten Ballen geformt. Diese Ballen kann man dann während des Bestreuselns direkt über dem Boden in schöne markante, nicht zu feine Klümpchen zerteilen.

All diese Versuche, Verbesserungen und Erkenntnisse führten nun zu meiner heutigen vierten Rezeptur mit einer weiter reduzierten Teigmenge für den Boden. Ich denke, ich bin jetzt bei einem Ergebnis angelangt, das eine Niederschrift in der hiesigen Rezeptsammlung verdient und möchte es daher hiermit gerne teilen.

Streuselkuchen nach Omas Art

(Zutaten für ein hochwandiges Blech)

Boden:
390 g Weizenmehl 405
1 reichliche Prise Salz
1 Tütchen Vanillezucker
50 g Zucker
150 ml Milch
16 g frische Hefe (oder 1 TL Trockenhefe)
75 g weiche Butter
1 Ei (Gr. M)
1 TL Zitronenabrieb oder 1 Fläschchen Zitronen-Backaroma

Streusel:
240 g Weizenmehl 405
120 g Zucker
1 Tütchen Vanillezucker
1 TL Backpulver
1 gestr. TL Zimt
1 reichliche Prise Salz
125 g kalte Butter

Für den Hefeteig die Milch leicht erwärmen (z.B. Mikrowelle 450 W, 50 Sekunden). Mehl, Salz, Vanillezucker und Zucker, bis auf 1 TL, in einer Rührschüssel mischen, in die Mitte eine Mulde drücken. Die Hefe hineinbröckeln. Übrigen Zucker darüber streuen. Ca. 5 EL der Milch zugießen, mit der Hefe und etwas Mehl vom Rand zu einem Vorteig verrühren. Zugedeckt an einem warmen Ort ca. 10 Minuten gehen lassen.

(Wenn man Trockenhefe nutzt, erübrigt sich die o.g. Vorbereitung, die Hefe kommt dann einfach mit allen anderen Zutaten gleichzeitig in die Rührschüssel und wird ohne Vorgärung verarbeitet.)

Übrige Milch, Butter, Ei und Zitronenschale/-aroma zugeben. Alles mit den Knethaken einer Küchenmaschine 3–5 Minuten kräftig durchkneten. Wenn das Verhältnis zwischen Flüssigkeit, Fett und Trockenzutaten perfekt ist, wird der Teig beim Kneten bald zu einer kompakten Kugel, die weder an der Rührschüssel noch an den Fingern klebt. Den Teigball in der Schüssel an einem warmen Ort zugedeckt ca. 40 Minuten gehen lassen.

Für die Streusel Mehl, Zucker, Vanillinzucker, Backpulver, Zimt und Salz mischen. Kalte Butter, in kleinere Stückchen geschnitten, dazugeben. Alles mit den Fingern gründlich zu einer homogenen feinkrümeligen Masse vermengen, anschließend mit den Händen zu dicken länglichen Streuselballen zusammendrücken, die sich später über dem Boden zu etwas kleineren Klumpen auseinanderbröseln lassen.

Den Teig auf einem gefetteten oder mit Backpapier ausgelegten Blech (die unten fotografierte tiefe Blechwanne ist innen etwa 25 × 35 cm groß) gleichmäßig ausrollen oder von Hand ausbreiten und gut verteilt mit den Streuseln bedecken, am besten flächendeckend bis ganz an den Rand – die Streusel schützen den Boden beim Backen vor dem Austrocknen und man hat mehr saftigen Kuchen ohne langweilige »Rinde«. Anschließend kann man ganz vorsichtig die Streuselschicht noch einmal mit flachen Händen auf dem Boden etwas andrücken, damit sie gut aufliegen. Den bestreuselten Teigboden nochmals etwa 20 Minuten gehen lassen und auf mittlerer Schiene bei sehr moderater Hitze (160 °C) 30 Minuten leicht goldgelb backen. Ich nutze aktuell Ober- und Unterhitze, bei Umluft müssten Temperatur und/oder Backzeit ggf. etwas angepasst werden oder öfter ein Blick in den Ofen geworfen werden, damit der Kuchen nicht zu sehr bräunt.

Für die Lagerung schneide ich den abgekühlten Kuchen in Stücke und bewahre ihn an einem kühlen Ort in einer mit Küchenkrepp ausgelegten, luftdicht verschlossenen »Tupperbox« auf, so bleibt er max. eine Woche lang schön frisch.

Ich würde mich freuen, von eventuellen Testbäcker*innen zu hören, ob es Euch ebenso gut und »omahaft« schmeckt und wünsche viel Spaß beim Nachbacken.

Dissertationsthema »Optimierung der Teigflächen-Streuselmengen-Ratio unter besonderer Berücksichtigung von Bodenfluffigkeit, lagerungstoleranter Saftigkeit und Bewahrung der Omahaftigkeit der Gesamtrezeptur«.

Die Verdichtung meiner Zielsetzung, gepostet auf Mastodon
Eben noch im Ofen, jetzt schon im Blog

Ein Kommentar

  1. Leider darf ich aus Sicherheitsgründen nicht backen (ich würde alles ganz alleine aufessen und irgendwann laut platzen), aber für Euch freue mich sehr!

    Streuselkuchen!! Mhhh!!

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