Mey, oh mey.

Durch ein Facebook-Posting von Sina Trinkwalder stieß ich heute auf das obenstehende Motiv der neuen Herbst/Winter-Werbekampagne des Unterwäscheherstellers mey (kreiert von der Werbeagentur Jung von Matt) und musste spontan schmunzeln. Mir gefiel es ebenso gut wie Sina es fand – frech, ehrlich und mit liebevoller Ironie betextet.

Als ich das Motiv auf Twitter weiterverbreitete, erhielt ich binnen kurzem zwei Kommentare: »Was hier los wäre, wenn eine Frau auf dem Bild wäre.« (@Sillium) und »Hm. Mit einer Frau auf dem Bild und entsprechend abgeändertem Text wärs Sexismus.« (@maria_hofbauer). Anscheinend gibt es das obige Anzeigenmotiv noch mit einer weiteren unterschiedlichen »Headline«. Vielleicht sind auch diese Texte für die unterschiedliche Wahrnehmung ein und desselben Fotos verantwortlich. Sicherlich kommt aber auch subjektives Empfinden dazu, wie mir die »Likes« und »Favs« zu meinem Tweet (von Männern und Frauen) vermitteln.

Diese Sicht auf die Anzeige ist natürlich legitim, ich persönlich kann jedoch an diesem speziellen Motiv nichts Sexistisches finden. Anders geht es mir mit einigen der weiteren 5 Motive (interessanterweise überwiegend die mit weiblichen Models), welche sich nahtlos in die gewohnt normative Darstellung perfekter Körper einreihen, die man aus der (Unterwäsche-) Werbung gewöhnt ist. Da reißen dann auch die »frechen« Texte nix mehr raus.

Sexismus, so glaube ich, kann man nicht allein an einem einzelnen Beispiel festmachen und beurteilen, er entsteht auch immer aus dem gelernten und erfahrenen Kontext sowie der Geschichte des inzwischen allgegenwärtigen sexistisch geprägten Umfelds in Werbung und Medien. Dieses fällt bekanntermaßen (leider) sehr stark zu Ungunsten der Frauen aus. Die normative Darstellung aufreizend gekleideter, vermeintlich perfekt geformter Frauenkörper übt auf das »Soll«-Bild von Frauen einen wesentlich stärkeren Druck aus als auf Männer. Wenn eine Frau diesem Bild nicht entspricht bzw. entsprechen will, wird sie diskriminiert, beleidigt, ausgegrenzt.

Gegenüber einem Mann, der nicht dem Bild des Werbe- und Medienadonis entspricht, ist die Gesellschaft nachsichtiger: »So sind sie halt, die Männer …« Das hat mit Druck und Diskriminierung weit weniger zu tun – »Abweichler« werden eher so genommen, wie sie sind. Du bist okay, so, wie du bist. Dass dies gegenüber Frauen anders ist, ist inakzeptabel und alle sollten daran mitwirken, dass es sich bald ändert.

Was jeder Mensch für sich attraktiv empfindet, mag zwar stark von diesen »öffentlichen« Körperbildern mitgeprägt sein, die uns umgeben, ist aber nach meiner Erfahrung (auch in meinem Bekanntenkreis) in seinem Gesamtspektrum weitaus vielfältiger. Wieso muss es ein »entweder – oder« geben? Die meisten Menschen würden zwar die eine oder andere Werbeschönheit beiderlei Geschlechts mental »nicht von der Bettkante schubsen«, aber sie finden auch in großer Zahl »normal« kleine, dicke, dünne, behaarte, picklige, blasse, faltige, nicht muskulöse usw. Menschen schön und/oder sind mit solchen zusammen. Ich finde es zudem völlig normal, sowohl ein idealisiertes Bild von einem Menschen (wie es dies seit Tausenden von Jahren in Malerei und Skulptur bereits gibt), attraktiv zu finden – oder eine Person, die diesem tatsächlich entspricht, als auch einen Menschen, der durch sich selbst, durch sein inneres Wesen oder durch Körpermerkmale attraktiv wirkt, die ich ganz persönlich gerne mag. Und da setzt für mich die Aussage der oben gezeigten Anzeige an: »Du bist zwar keine Werbeschönheit, aber ich finde dich trotzdem/gerade deshalb ziemlich sexy [in der Unterhose von mey].«

Was ist daran sexistisch? Ich wünschte mir eher, es würden mehr Menschen so denken und der Werbung mit ihren überirdischen Kommerz-Avataren wieder weniger Bedeutsamkeit beimessen.

Wie gesagt, die meisten der weiteren Anzeigenmotive machen diesen für mich sympathischen Ansatz leider gleich wieder zunichte. Sie zeigen die Frau, wie sie laut Werbung zu sein hat, um erfolgreich, geliebt, akzeptiert zu werden. Das ist Sexismus.

Schade, mey.

Foto: © mey Bodywear