Kategorie: Versbüffet

Selbst gedichtet und gereimt

vALLentinstag


Nicht gigantische Sonnen,
rote Riesen, weiße Zwerge,
ungeheure Quasare,
Supernovae, Plasmanebel,
weißglühend mit Billionen Grad,
wärmen das eisige Dunkel des Alls.
Das vermag nur
die Liebe.

Ein kombiniertes Bild aus Aufnahmen verschiedener Teleskope im Weltraum und auf dem Boden. Es zeigt den tausend Jahre alten Überrest der brillanten Supernova SN 1006 im Radio- (rot), Röntgen- (blau) und sichtbaren Licht (gelb).

Bildquelle: European Southern Observatory | Lizenziert unter CC BY 4.0 DEED

Ein Schlager für die Liebenden von heute

Als ich heute Altpapierkartons zerkleinerte, Überreste der jüngsten Paketzustellungen online bestellter Weihnachtsgeschenke, fiel aus einem der Kartons ein kleines Kärtchen zu Boden. »Folge mir auf Instagram«, stand darauf. Nicht gewöhnt, von solchen Zetteln geduzt zu werden, ergänzte mein Hirn ein »…, Baby!« am Ende und ich fand, das klingt ein bisschen wie ein Anmachspruch, den jemand meiner Generation »jungen Leuten« zuschreiben würde. Ich fragte mich, ob es inzwischen wohl schon Schlager gibt, deren typische, liebesseichte Texte auch das heute selbstverständliche, permanente Online-Sein, Social Media und andere digitale Errungenschaften aufgreifen. In meinem Kopf begann eine Melodie im Stil eines Songs von Andreas Dorau zu spielen, andere Hirnzellen steuerten stilistisch passende Textfragmente bei und voilà – so in der Art könnte ich mir dergleichen vorstellen:

Ich hab Dich zuerst auf TikTok gesehn,
(oh Baby Baby)
Du performtest mega und warst wunderschön.
Ich ging auf Insta, um mich abzulenken,
doch dauernd musste ich an Dich denken.

Ich traute mich nicht, Dir ein Like zu geben,
(oh Baby Baby)
dies Gefühl hatte ich noch nie im Leben.
App auf, App zu, was ist nur gescheh’n?
Wie konntest Du mir nur so den Kopf verdreh’n?

Folge mir auf Facebook, Baby!
Teile meine Story, Sugar!
Gib mir einen Comment, Honey!
Klick mich an, das ist kein Scherz,
setz’ ein Bookmark für mein Herz.

Ich bin sonst nicht schüchtern, doch Du haust mich um,
(oh Baby Baby)
seh’ ich Dein Profilbild, macht mein Herz Boom-Boom.
Vorhin hab ich endlich auf »Follow« geklickt,
Du hast akzeptiert, das macht mich verrückt!

Ich hab Dir geschrieben: Willst Du ein Date?
(oh Baby Baby)
Ich schau’ voll nervös auf mein Endgerät.
Wo bleibt Deine Antwort, willst Du mich nicht seh’n?
Der Traum meines Lebens wär, mit Dir zu gehn.

Schreib mir eine Message, Baby!
Fave meine Postings, Sugar!
Verlinke mich auf Twitter, Honey!
Klick mich an, das ist kein Scherz,
setz’ ein Bookmark für mein Herz.

Die Tage vergehen, ohne dass Du mir schreibst,
(oh Baby Baby)
Du postest auch nichts, ich frag’ mich, wo Du nur bleibst.
Heut steht auf Deiner Page: Du warst gar nicht echt,
bist nur ein Deep-Fake-Girl – und mein Herz zerbricht.

Ich verlasse Facebook, Baby,
lösche mich auf Insta, Sugar,
gehe nie mehr online, Honey.
Mein Traum war nur ein Cyber-Scherz,
ich lösch’ mein Bookmark für Dein Herz.

Autoverkehr(t)

Am kommenden Mittwoch kommt der »Tankrabatt«. Anlässlich dessen habe ich ein Gedicht, das ich vor gut zwei Wochen schon mal auf Twitter gepostet hatte, nun auch hierhin übertragen und um zwei Strophen (#5 und #6) ergänzt.

Ich bin Minister für Verkehr,
weil ich mich nicht ums Klima scher’.
Ich wohn’ im Autolobbydarm,
hier steht die Zeit, s’ist weich und warm.

Verbrannter Treibstoff in der Luft –
das ist und bleibt der schönste Duft!
Freiheit mess’ ich in km/h,
Wer schneller rast, ist eher da.

Leitplanken sind mein Tellerrand,
drum bleiben wir ein Autoland!
Mich durchlaufen süße Schauer,
denk ich an uns’re Fahrzeugbauer.

Mobilität mit Rad und Bahn?
Für mich ist das ein irrer Wahn.
Verkehrswende? Wohin? Wieso?
Mein Navi-Ziel heißt »Status quo«.

Wer reichlich tankt, bekommt Rabatt.
Den Ölkonzernen, nimmersatt,
füll’ ich mit Zuschüssen die Taschen.
Ich hab’ Ideen, die überraschen!

Von Schuld an zu viel CO₂
sprech ich Fossilverbrenner frei.
Willst du den Klimawandel hemmen,
verzichte halt aufs Instagrammen.

Milliarden pump’ ich ins Bewahr’n.
Wer Zukunft will, soll Auto fahr’n!
Sportboliden! SUVs!
Vier Räder hat das Paradies!

Die Erde heizt sich weiter auf,
ich sponsor’ den Verbrennerkauf.
Der Acker dörrt, es steigt das Meer,
ich bin Minister für Verkehr.


Photo by Shot On DJI on Unsplash

Vers-uchsweise

Ich bin kein Literaturübersetzer und es heißt ja, Gedichte zu übersetzen, sei eine der schwierigsten Disziplinen dieser Zunft, aber ich möchte es zumindest einmal versuchen – für eines meiner Lieblingsgedichte. Das Werk stammt von der amerikanischen Schriftstellerin Mary Oliver und trägt im Original den Titel »The Sun«.

Die Sonne

Erblicktest du jemals
im Leben
etwas Schöneres

als die Sonne,
die allabendlich
ruhig und stetig
gen Horizont sinkt

in die Wolken, auf die Hügel,
in das wogende Meer,
wie sie verschwindet –
und wieder aufsteigt

aus dem Dunkel
jeden Morgen,
auf der anderen Seite der Welt,
so blütenrot,

sich aufschwingend zu ihrer himmlischen Bahn,
eines Morgens etwa, im frühen Sommer,
in strahlender Ferne, so nah –
und empfandest du jemals für etwas
so tiefe Liebe –
glaubst du, weit und breit, in den Sprachen der Welt,
umfasste ein Wort gänzlich
die Freude

die dich durchströmt
wenn die Sonne
dich berührt
und dich wärmt,

wenn du dastehst
mit leeren Händen,
oder wandtest auch du dich
ab von der Welt –

oder ließest auch du
dich blenden
von Macht,
von Besitz?

(Mary Oliver)


Foto: © formschub

Sign oder nicht sign

»No«
Foto: © sboneham on flickr | Licensed under CC BY

Als kleine Hommage an das schöne Gedicht »Senf drauf« von Max Goldt und inspiriert vom täglichen, ach was, stündlichen Aufschäumen des Internets zu aktuellen Themen und Diskursen kredenze ich heute mal wieder ein paar selbstgetextete Verse:

Der Briefkasten voll Werbemist?
Das Wetter dauernd nass und trist?
Start ’ne Petition!

Benzin kostet schon wieder mehr?
Der Kühlschrank ist andauernd leer?
Start ’ne Petition!

Im Radio nur Schlagerdreck?
Merkel nervt, die soll bloß weg?
Start ’ne Petition!

Das geht schnell und kostet nix.
Schau, schon fünfzigtausend Klicks!
Jetzt müssen »die da oben« sehn:
so kann es nicht weitergehn!

Klaus Kleber trägt ne Scheiß-Krawatte?
Zu wenig Schaum im Caffe Latte?
Start ’ne Petition!

Penner stör’n das Straßenbild?
Zu wenig Titten in der BILD?
Start ’ne Petition!

Kinderlärm von nebenan?
Verspätung mit der Deutschen Bahn?
Start ’ne Petition!

Das macht Druck und geht ganz fix.
Geil, schon hunderttausend Klicks!
Jetzt zeigen wir es den Eliten,
das lassen wir uns nicht mehr bieten!

Du denkst, dies ist ein Scheißgedicht?
Was ich schreib’, gefällt dir nicht?
Start ’ne Petition!

Enttäuscht


Photo: © Benson Kua on FlickrLicensed under Creative Commons

Immer wieder mal vermelden Wirtschaftsnachrichten, dass eine erfolgreiche Firma ihren Gewinn im Vergleich zum Vorjahr oder letzten Quartal deutlich gesteigert habe, aber nicht so stark, wie von »den Analysten« erwartet, »die Analysten« seien enttäuscht. Und ich denke: macht Euch doch mal locker, da hat ein Unternehmen Erfolg! Es wird Geld verdient! Menschen haben Arbeit! Kunden freuen sich über tolle oder nützliche Produkte! Und ihr Analysten, ihr alten Miesepeter, seid »enttäuscht«. Undankbares Pack!

Als ich gestern wieder so eine Nachricht hörte, wurde ich zu einer kleinen Serie von Tweets inspiriert, die ich noch spät nachts in meine Timeline postete. Und als ich sie heute morgen nochmals las, dachte ich: »eigentlich sollte ich ein Gedicht daraus machen«. Vielleicht schreibe ich demnächst noch die eine oder andere Strophe um, aber so gefällt es mir schon recht gut. Ich hoffe, Euch auch.

Samsungs Smartphoneabsatz schwächelt,
Die Analysten sind enttäuscht.
Angela Merkel hat gelächelt,
Die Analysten sind enttäuscht.

Die Konjunktur verliert an Kraft,
Die Analysten sind enttäuscht.
Tim Cook trinkt ein Glas Apfelsaft,
Die Analysten sind enttäuscht.

Kaum jemand kauft noch Limousinen,
Die Analysten sind enttäuscht.
Im Kuchen sind zuviel Rosinen,
Die Analysten sind enttäuscht.

Der Goldpreis steigt, der Ölpreis fällt,
Die Analysten sind enttäuscht.
In Frankfurt hat ein Hund gebellt,
Die Analysten sind enttäuscht.

Die Kurse treten auf der Stelle,
Die Analysten sind enttäuscht.
Claus Kleber trägt jetzt Dauerwelle,
Die Analysten sind enttäuscht.

Nahöstlich flammen Krisen auf,
Die Analysten sind enttäuscht.
Frau Schulz hat’s mit dem Blutkreislauf,
Die Analysten sind enttäuscht.

Der Deutsche trinkt zu wenig Bier,
Die Analysten sind enttäuscht.
Auf der Toilette: kein Papier,
Die Analysten sind enttäuscht.

Die Sonne scheint, die Blumen blüh’n,
Die Analysten sind enttäuscht.
Am Himmel zwitschernd Vögel zieh’n,
Die Analysten sind enttäuscht.

Am Strand küsst sich ein Liebespaar,
Die Analysten sind enttäuscht.
Der Weltfrieden ist endlich da,
Die Analysten sind enttäuscht.

Schönes misst man nicht nur in Geld,
Die Analysten sind enttäuscht.
Sie dreht sich gratis, diese Welt,
Die Analysten sind enttäuscht.

Reisepläne


Photo: © admanchester | Licensed under Creative Commons

Verbring den Urlaub weise – reise!
Wer etwas von der Welt hält,
mit Leidenschaft Tourist ist.
Doch wohin führt die Tour nur?
Lass’ ich mich nach Great Britain bitten?
Macht mich Mexico froh?
Gefiel’ es mir am Pol wohl?
Oder soll ich Jemen nehmen?

Mit dem Zug nach Bayern eiern?
Oder doch nach Skagen jagen?
Ich könnt auch nach Manhattan jetten.
Oder nach Schaffhausen sausen.
Preiswert wär: nach Flandern wandern,
ebenso nach Kempen trampen.
Langweilig: nach Siegen fliegen.
Zu heiß: auf die Kanaren fahren.

Was mag ein Flug nach Boston kosten?
Oder doch in London landen?
Mir ein Schiff nach Japan kapern?
Zu aufregend. Nach Brighton reiten?
Zu anstrengend. Gen Wien zieh’n?
Zu fad – doch könnt Athen geh’n …
Voll fett wär noch Marseille, ey!
Auch fänd ich Liverpool cool.

Täglich fahr’n zu Schären Fähren,
heben ab nach Riga Flieger,
obwohl ich auch Den Haag mag
und niemals in Dakar war.
Sehr schön soll’s auch am Rhein sein,
der Kenner nennt die Rhön schön.
Erkunde ich die Eifel? *zweifel*
Gefiel’ es mir in Prag? *zag*

Städte, wo Millionen wohnen,
Strände, die an Meeren wären,
Inseln, Berge, Küsten, Wüsten,
Wälder, Täler, Buchten, Schluchten.
Warum gibt’s nur so viele Ziele?
Ich find’ mich nicht zurecht, echt!
Ich glaub’ ich mach ’ne Pause
und bleib’ erstmal zu Hause.