Kategorie: Selbstgebrautes

Kreativmaterial und Rezepte aus eigener Produktion

Wischiwaschi

Gestern Abend war ich mit dem Mann im Omnipollos, einem unserer gern besuchten Craft-Beer-Pubs in Hamburg. Da der Pub recht klein ist, Wochenende und Samstag war und wir zu einem ähnlichen Zeitpunkt dort schon mal aufgrund größeren Andrangs nicht mehr untergekommen waren, reservierten wir vorher sicherheitshalber online einen Tisch. Um noch etwas Bewegung zu praktizieren, hatten wir uns vorgenommen, nur die erste Hälfte des Weges mit der U-Bahn zu fahren und den Rest durchs winterliche Hamburg zu Fuß zurückzulegen. Kurz vor dem Aufbruch begann es wieder heftig zu schneien, was der kleinen Stadtwanderung eine zusätzliche besondere Atmosphäre verlieh: es war bereits dunkel, aufgrund des Schneefalls waren merklich weniger Autos und Fußgänger unterwegs, in den Lichtkegeln der Laternen und Scheinwerfer stoben die Flocken und das gemütliche Knirschen unter den Sohlen bei jedem Schritt, in Verbindung mit den schneegedämpften Stadtgeräuschen machten aus dem ansonsten profanen Fußweg einen richtig schönen Winterstreifzug.

Als wir in dem Pub ankamen, erwies sich unsere Tischreservierung als überflüssig, es waren kaum andere Gäste da, so dass wir freie Auswahl bei unseren Sitzplätzen hatten. Die Wände und Möbel im Schankraum sind fast komplett in Pink gehalten, was die Netzhaut zwar anfangs etwas irritiert, aber in Verbindung mit der schummrigen Beleuchtung dann bald eine gemütliche Stimmung erzeugt. Auch die im Hintergrund spielende Musik war sowohl ungewöhnlich als auch der besonderen Stimmung förderlich – sehr jazzy und groovig, zwei der Stücke musste ich gleich mal shazamen: »Cat’s Groove« (Kaelin Ellis feat. Tony Rosenberg) und »Jimmy’s Groove« (Delvon Lamarr Organ Trio) – mir bislang komplett unbekannte, aber sehr coole Songs.

Wir saßen also da in dieser wenig besuchten, funky beschallten Bar, tranken unser Bier, unterhielten uns angenehm, draußen fiel Schnee und ich wollte diese Stimmung irgendwie in einem Foto einfangen, wusste aber, dass jede korrekt belichtete Aufnahme, egal mit welchem Motiv oder gleich aus welcher Perspektive, dem nicht würde gerecht werden können. Da kam ich darauf, zu versuchen, ob ich mit der Smartphonekamera vielleicht eine »Lomographie« hinbekommen würde – ein langzeitbelichteter Zufallsschnappschuss, bei dem man nicht durch den »Sucher« schaut, sondern einfach aus dem Stegreif in die Szene hineinknipst und sich vom Ergebnis überraschen lässt. Et voilà.

An meiner Sammlung analoger Fotos, die ich bis etwa 2005 im Alltag, auf Reisen und im Urlaub geschossen habe, haben lomographische Schnappschüsse einen ziemlich großen Anteil. Diese Art des Knipsens war gegen Mitte der 1990er Jahre ein ziemlicher Hype und als fotografisch interessierter Grafikdesigner kam auch ich nicht umhin, mir bald die spezielle, dafür prädestinierte Kamera zuzulegen: eine Lomo LC-A. Die zwei Besonderheiten der kleinen, sehr robusten mechanischen Kamera (anfangs noch aus original russischer Produktion) waren, dass sie erstens einen recht tiefentoleranten Fokusbereich hatte, man also das Motiv nicht extra scharfstellen musste und zweitens einen Belichtungssensor, der die Verschlusszeit noch während der Aufnahme regelte – auch bei schwankender Lichtstärke wurde immer so viel Belichtungszeit »gesammelt«, dass auf jeden Fall etwas auf dem späteren Foto erkennbar war. Fotografiert wurde »aus der Hüfte« – man hielt die Kamera einfach mit der Hand spontan in Richtung des anvisierten Motivs und drückte ab, ruhig gehalten oder auch bewegt. Und anders als heute, bei der (von mir sehr geschätzten und ausgiebig praktizierten) Digitalfotografie, konnten die experimentellen Resultate dieser Art zu fotografieren natürlich erst Tage oder Wochen später, nach der Filmentwicklung sowie Anfertigung der papierenen Fotoabzüge begutachtet werden.

Die kleine LOMO hab ich immer noch, die letzte Benutzung liegt aber lange zurück …

Trotz dieses riskanten Ansatzes – denn es gab natürlich auch viel »Ausschuss« in Form missratener oder uninteressanter Bilder – war die große Stärke der gelungenen lomografischen Schnappschüsse aus meiner Sicht immer, dass sie perfekt die Stimmung in einem bestimmten Moment einfangen konnten. Bei schummrigem Licht erhielt man verwischte oder unscharfe Fotos, die Bildmotive waren meist abgeschnitten oder standen sonderbar schräg bzw. in gewagten Perspektiven im Format, die Gestik und Mimik der abgelichteten Personen waren meist total zufällig, zumal sie ja oft gar nicht merkten, dass sie fotografiert wurden, weil die Kamera »undercover«, am spontan gereckten Arm, statt gezielt mit Blick durch den Sucher auf sie gerichtet, zum Einsatz kam. Bei einer Urlaubsreise etwa, 1997 mit einer Gruppe von sechs Freunden in die Toskana, verfuhren wir uns auf der Anreise zum gemieteten Ferienhaus derart, dass wir erst nachts um eins am Ziel ankamen und uns die Vermieterin, im Nachthemd und mit einer Laterne in der Hand, auf dem Schotterweg der Zufahrt zum Haus entgegenkam, um uns das letzte Stück des Weges zu leuchten. Erschöpft und aufgekratzt saß unsere Clique danach noch bis in die Nacht bei reichlich Rotwein in der Küche der Unterkunft und die schrägen, verschwommenen Fotos dieser gleichermaßen angeheiterten wie ausgelaugten Gesellschaft, die ich in jener Nacht schoss, sind für mich in ihrer Unvollkommenheit bis heute die bestmögliche Essenz dieses besonderen Moments. Kein korrekt belichtetes, gerade ausgerichtetes oder scharf fokussiertes Foto hätte das genauso perfekt einzufangen vermocht.

Ich habe eben mal etwas in meinem Fotoarchiv gekramt und neun beispielhafte Papierabzüge aus meiner »lomografischen Periode« ohne Nachbearbeitung abfotografiert. Und ich glaube, ich kriege gerade Lust, diese nostalgische und herrlich unperfekte Art des Fotografierens – wenn auch mit der digitalen Smartphonekamera – künftig öfter mal wieder zu praktizieren.

Neues von der Börse

Schon im September 2011 brachte mich eine tagesaktuelle Börsennotiz einst zum Schmunzeln. »DAX zieht den Nikkei in den Strudel« stand da – und warf mein sehr empfängliches Kopfkino sofort an. Der DAX vollzog seither allerlei weitere Kapriolen und der Metaphernbrunnen der Tickertextenden in den Wirtschaftsredaktionen scheint unerschöpflich. Da ich mich derzeit, teils zwecks beruflicher Fortbildung, teils aus persönlichem Interesse, gerade experimentell mit der Bedienung des K.I.-Bildgenerators »Midjourney« beschäftige, kam ich kürzlich auf die Idee, einige der besonders bildhaften Marktberichte vom DAX in künstlich generierte Bildmotive zu übertragen. Manche Bilder musste ich nachträglich noch ein wenig mit Photoshop bearbeiten, so weigerte sich die K.I. zum Beispiel beharrlich, dem erschöpft rastenden DAX die Zunge aus dem Maul hängen zu lassen, aber es waren wirklich nur Kleinigkeiten – der Rest ließ sich durch Verfeinerung der sog. »Prompts« recht gut steuern.

Hier meine kleine Galerie:

Soweit zur Börse – wir geben zurück ins Studio.

Edit: Ich konnte nicht anders … hier kommen noch drei:

I’m still standing

Der Deutsche liebt sein Automobil. Es bietet ihm Unabhängigkeit, Freiheit und modernes Lebensgefühl. Und glücklicherweise ist die prototypische und zukunftsgerichtete deutsche Stadt auch perfekt auf das Auto zugeschnitten. Mehrspurige, breite Straßen, unzählige Ampeln, tausende Verkehrsschilder, geräumige Kreuzungen, großzügige Brücken, üppige Unterführungen, gut ausgebaute Tunnel und ausgedehnte Stadtautobahnen machen aus Deutschlands Städten und Metropolen pulsierende Zentren urbaner automobiler Kultur. Reichlich verfügbarer gebührenpflichtiger sowie kostenloser Parkraum rundet das Angebot für Pkw-Nutzer ab – und wem das nicht reicht, der kann erfinderisch werden, denn für den findigen Automobilisten bieten sich darüber hinaus Dutzende weiterer Gelegenheiten auf Gehwegen, Radstreifen, in Einfahrten, Feuerwehrzufahrten und Ladezonen, um den geliebten Pkw abzustellen.

Diese Möglichkeiten zum Abstellen des Autos sind in unseren dicht besiedelten Städten essenziell. Denn ein Pkw steht pro Tag im Schnitt 23 von 24 Stunden ungenutzt herum. Genau dieses Missverhältnis aber bereitet vielen Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, in Zeiten steigender Preise und grassierender Inflation große Sorgen. Sie müssen Kredite für die Anschaffung des Wagens aufnehmen oder hohe Leasingraten bezahlen. Die Kaufpreise für Neu- und Gebrauchtwagen steigen kontinuierlich. Kostete etwa ein VW Golf I im Jahr 1974 noch rund 8.000,– DM, werden inzwischen für einen Golf VIII schon fast 30.000,– € fällig. Doch nicht alles an diesem Preisanstieg kann der reinen Teuerung angelastet werden, denn die Fahrzeuge wurden auch über alle Klassen hinweg seit Jahrzehnten immer größer, leistungsstärker, komfortabler und sicherer: bessere Motoren, hochwertigere Ausstattung, komplexe Elektronik und Produktionsqualität »made in Germany« haben eben ihren Preis. Dazu kommen noch die Betriebskosten – sei es für Wartung und Reparatur, Spritkosten, Versicherung, Mitgliedschaft im Automobilclub, Reifenwechsel oder Zubehörteile.

Davon sind inzwischen zahlreiche Menschen überfordert. Sie sehen es weder ein noch können sie es finanziell stemmen, sich ein kraftvoll motorisiertes, fahrbereites, zeitgemäßes und sicheres Fahrzeug anzuschaffen, nur um es dann den Großteil des Tages am Straßenrand oder in der Garage herumstehen zu lassen. Doch nun verspricht ein großer deutscher Autokonzern Abhilfe. Gemeinsam mit Markt- und Trendforschern, Designern, Ingenieuren und Technikern wurde jetzt ein innovatives, zukunftsweisendes Konzept entwickelt, das großes Einsparpotenzial für alle Autofreunde birgt, die mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis bisheriger Pkw hadern oder an der Finanzierung zu knabbern haben: Das »Nownomobil« kommt!

Was ist das? Nun, es ist ein modern und komfortabel ausgestattetes Auto normaler Pkw-Größe, bei dem konsequent auf alle technischen Komponenten verzichtet wurde, die es während der statistisch zu erwartenden Standzeit auf seiner zugewiesenen Parkfläche schlicht nicht benötigt. Bei einem Nownomobil stellen sich beispielsweise von Anfang an nicht die Fragen »Diesel oder Benziner?«, »Verbrenner, Hybrid oder Elektro?«, denn es besitzt weder Motor, Tank oder Getriebe noch Räder, Reifen oder einen Airbag. Im Innenraum konnte durch den Verzicht auf Lenkrad, Rückspiegel und Armaturenbrett ein angenehm geräumiges und komfortables Ambiente geschaffen werden. Bei der Innenausstattung wurde an nichts gespart: je nach Ausstattung sind bequeme und ergonomische Sitze für zwei bis sechs Passagiere, wahlweise bezogen mit weichem Leder oder pflegeleichtem Stoff, erhältlich. Die leistungsfähige Klimatisierung sorgt auch beim Stand während heißer Sommer für angenehme Temperaturen und an kalten Wintertagen für wohlige Wärme. Alle Seitenfenster sind motorgesteuert versenkbar, so dass auch ein frischer Luftzug jederzeit hereinströmen darf. An trüben Tagen oder nachts kann eine angenehme indirekte Beleuchtung aktiviert werden, es gibt lichtstarke, auf die Sitzplätze fokussierte LED-Leseleuchten und das moderne Multimedia-Entertainmentsystem bietet allen Insassen einen Audio- und Videogenuss der Spitzenklasse – denn da der Wagen ohnehin steht und es auch keinen klassischen »Fahrer« gibt, können alle bedenkenlos jederzeit aufs Display schauen! Die Stromversorgung des Nownomobil wird entweder durch einen tragbaren Akku in einem leicht zu entnehmenden Gehäuse oder, in der heimischen Garage, durch einen Kabelanschluss an eine haushaltsübliche Schukosteckdose gewährleistet. Im geräumigen Kofferraum ist genug Platz für Proviant, Spiele und anderes Gepäck und im optional temperierbaren Handschuhfach lassen sich etliche kleinere Gegenstände für den spontanen Bedarf verstauen.

Auch von außen kann sich das Nownomobil sehen lassen: die stromlinienförmige Formgebung und die großflächigen Panoramafenster vermitteln Eleganz, Hochwertigkeit und Prestige. So muss sich der abgestellte elegante Schlitten nicht im geringsten neben seinen daneben geparkten rollenden Konkurrenten verstecken. In der Palette von insgesamt elf erhältlichen Lackierungen, davon sieben geschmackvolle Basistöne und vier trendstarke Effektfarben, ist für jeden Autofreund von Klassik bis Avantgarde etwas dabei.

Das beste ist jedoch der Preis: Durch den konsequenten Verzicht auf alle sonst für »Mobilität« verschwendeten Komponenten beginnt der UVP für das Nownomobil bereits bei sagenhaften 6.500,– EUR. Die Luxusvariante mit extra Kofferraumvolumen und motorisch bedienbarem Sonnendach schlägt mit knapp 11.000,– EUR zu Buche. Der Hersteller verspricht sich von seinem Vorstoß in diese Marktlücke einen echten Erfolg bei kostenbewussten Autokunden. Auf Wunsch kann der geplante Stellplatz für das Nownomobil bereits bei der Bestellung angegeben werden und bei Auslieferung erfolgen dann Transport und Abladung direkt bis zur gewünschten Parkfläche. In wenigen Tagen soll bundesweit ein Werbespot auf allen medialen Kanälen die Aufmerksamkeit potenzieller Käufer wecken. Als Kampagnen-Soundtrack fungiert ein Klassiker im neuen Gewand: »I’m still standing«, 1983 geschrieben von Elton John und nun eigens als zeitgemäße Cover-Aufnahme komplett neu produziert und stimmgewaltig ins Jahr 2023 katapultiert von Sarah Connor.

Die ersten 3.000 Käufer erhalten im Rahmen einer Marketingaktion zur Einführung des wegweisenden neuen Produkts für 24 Monate ein »Deutschlandticket« gratis.

Denn eine Stunde am Tag will man ja schließlich ab und zu doch mal irgendwohin.

Das futuristische Design des Nownomobils lässt das Herz jedes Autoliebhabers höher schlagen.
Vielen Dank an den K.I.-Bildgenerator »Midjourney« für die Visualisierungsmöglichkeit.
Idee und Bild: formschub.de

Der konjunktive Kuchen

Aufgrund zweier Mastodon-Postings von @kaltmamsell und @dentaku erfuhr mein Entzücken für seltene Wörter und Wortformen heute ein akutes Revival. Der Kuss der Muse traf auf etwas Muße, ich ergoogelte die Liste »Schwierige und häufig verwechselte Verbformen« und überlegte folgendes:

Nehmen wir also an, ich entsprösse einem Adelsgeschlecht und mein Alltag quölle über vor Langeweile. Eines Tages jedoch läse ich in einem Kochbuch vielerlei Rezepte zur Erschaffung süßen Backwerks und sänne darüber nach, ob es mir Kurzweil brächte, wenn ich dergleichen büke. Ich begänne, indem ich meinem Diener die Beschaffung der Zutaten beföhle und bärste vor Vorfreude auf mein famoses Vorhaben. Ich stellte mir vor, wie ich das heiße Gebäck aus dem Ofen bärge, darauf bliese, um es zu kühlen und dann in die süße, noch warme Krume bisse. Ich äße natürlich nicht alles allein, denn es brächte mir Vergnügen, wenn ich auch anderen diesen Genuss anböte und sie sich daran labten. In mir erglömme eine ganz neue Leidenschaft: ich mahlte vorab Nüsse, wiese den Knecht an, dass er die Kuh mölke, riebe die Schale von Zitrusfrüchten ab, schmölze Butter, Karamell und Kuvertüre, wöge Zucker und Mehl, schlüge Sahne und Eischnee auf, flöchte Marzipanzöpfe und schnitte Stücke seidiger Butter vom Block. Ich schmisse den Ofen an und sänge vor Elan. Die Küche röche nach allerlei Gewürzen, der Schweiß der Emsigkeit ränne mir über die Stirn und Funken der Freude glömmen in meinen Augen. Ich quirlte den Teig zusammen, fettete eine Backform, gösse ihn hinein, striche ihn glatt und schöbe ihn in den Ofen. Ich malte mir die Enttäuschung aus, wenn mir mein Werk misslänge und wände mich vor Ungeduld, während ich vor dem Herde hin und her schliche und nicht aus der Küche wiche. Ich kröche vor dem Ofenrohr und gierte durch die Scheibe, nach einiger Zeit stäche ich einen Holzstab hinein und wöge ab, ob mein Kuchen schon gar sei. Schließlich schwänge ich den Ofenschieber und bärge die Form aus ihrem dampfenden Schrein. Ich risse mich zusammen, bevor ich das warme Werk stürzte, damit es nicht noch mürbe zerbräche und ich vor Gram stürbe. Dann endlich höbe ich die Form empor und schlüge den Inhalt sanft auf einem Holzbrett hinaus. Ich priese, dass mir das glückte und pfiffe vor Freude. Dann schnitte ich den Laib auf und striche üppige Schichten süßer Füllung auf die Böden. Anschließend bettete ich alles wieder vorsichtig aufeinander und gösse den schokoladigen Überzug darüber. Ich bestreute mein Opus mit Nusskrokant und krönte dessen Kuppe mit dem Zopf aus Marzipan. Dann schnitte ich mir ein großes Stück ab, lüde es mir auf einen Teller und schlänge einen großen Bissen hinunter. Erst danach genösse ich die weiteren Happen etwas bedächtiger. Ich böge mich vor Entzücken und gurrte vor Genugtuung. Ich spönne, was ich wohl als nächste von mir zubereitete Spezerei erköre, zu deren Verköstigung ich auch Freunde einlüde und brennte vor Begeisterung über mein neues Steckenpferd.

So wäre das, wenn ich als gelangweilter Aristokrat einen Kuchen erschüfe.

Doch da ich nicht von blauem Blute bin, muss ich halt ganz normal backen.

Das Wurmloch

In den letzten Jahren habe ich, wenn mir ab und zu mal eine Idee für einen Cartoon durch den Kopf schoss, diese schnellen Skizzen gerne mal auf Twitter rausgehauen. Inzwischen poste ich nicht mehr so viel auf Twitter und versuche zudem aus bekannten Gründen, mich weiter von dort zurückzuziehen, dafür poste ich mehr auf Mastodon. Insbesondere dort jedoch vermisse ich aber nach wie vor schmerzlich die Möglichkeit, nach eigenen und fremden früheren Postings suchen zu können, mit Volltext, Username, Datum etc. Deshalb landen solche Kleinigkeiten jetzt erstmal wieder hier. Ordentlich abgelegt, jederzeit wieder auffindbar und auch die Urheberschaft wird so etwas besser dokumentiert. Heute was mit Piepmatz.

Ich seh’ ein ABC

Gestern hatte ich mal Zeit und Lust, während einer ausgedehnten Runde durch Hamburg eine kleine Wiederaufnahme des Spaß-Projekts anzusetzen, über das ich in einem Blogbeitrag im August 2022 schon mal berichtet hatte: ein »I see letters«-Alphabet aus Schnappschüssen von Alltagsgegenständen, die zufällig wie Buchstaben geformt sind. Der vorhandene Satz analoger Fotoabzüge umfasst 23 Versalien, aber drei Lettern aus dem Alphabet fehlen: »B«, »L« und »U«. Ob ich diese Motive damals nicht finden konnte oder ob mir vorhandene Abzüge abhanden kamen, kann ich nicht mehr rekonstruieren.

Also dachte ich mir, wieso sollte ich nicht jetzt mal die Augen offenhalten und versuchen, diese Lücken zu schließen? Eine Kamera im Smartphone habe ich ja ohnehin ständig dabei. Und da ich etliche Erledigungen in der Innenstadt zu beschicken hatte, sah ich mich auf meinem Weg um. Und tatsächlich wurde ich fündig und nun ist das Alphabet komplett – zumindest die Großbuchstaben.

Nun überlege ich, ob ich nicht noch weitermache. Vielleicht mit allen Kleinbuchstaben, dazu Ziffern? Vielleicht einige Satzzeichen? Oder noch mal alles von vorn und Dubletten der Versalien sammeln? Ich entscheide mich unterwegs. Was mir immer wieder auffällt, wenn ich mit dieser Art suchendem »Kamerablick« unterwegs bin, ist die bemerkenswerte Schärfung der Beobachtungsgabe. Ich sehe die Umwelt mit einem ganz anderen Fokus. Viel aufmerksamer, wacher für die Details, Gebäude und Muster am Wegesrand. Stellen, an denen ich schon dutzende Male achtlos vorüberging, betrachte ich durch diese mentale Brille plötzlich ganz neu.

Für das Alphabet habe ich mir zudem vier »Regeln« für die Auswahl der Motive auferlegt, die ich konsequent einhalte:

  • Das fotografierte Zeichen darf nicht einen Teil einer handgeschriebenen oder maschinell erstellten tatsächlichen Beschriftung darstellen (also z.B. ein Buchstabe aus einem Werbeschild oder einem Graffiti). Es muss ein natürliches oder künstliches Objekt sein, das nur zufällig aussieht wie ein Buchstabe, aber dessen ursprünglicher Zweck es niemals war, ein Schriftzeichen darzustellen.
  • Das Bildmotiv darf nicht von Hand umarrangiert werden, es ist nicht erlaubt, z.B. Kabel, Seile o.ä. so zurechtzulegen, dass ein Buchstabe entsteht. Die Ähnlichkeit muss in dem Objekt gegeben sein, so wie es vorgefunden wird (siehe z.B. »N« und »Q« oben im Foto)
  • Es ist nicht erlaubt, Motive nachträglich am Computer so zu retuschieren, dass der Buchstabe entsteht
  • Drei Stilmittel sind beim Einfangen der Alltagszeichen gestattet:
    • Das Drehen des Motivs (siehe »C«, »D« und »B«)
    • Die Wahl eines Bildausschnittes bzw. die Aufnahme des Details eines größeren Objekts (siehe »F«, »K« und »R«)
    • Die Wahl einer speziellen Perspektive bzw. eines bestimmten Blickpunkts auf das fotografierte Objekt, so dass ggf. dadurch die Ähnlichkeit zu einem Buchstaben überhaupt erst entsteht (siehe »A« und »U«)

Ich kann’s nur empfehlen, das selbst mal auszuprobieren! Und die Ergebnisse gerne hier teilen oder verlinken!

Drama, Baby!

So richtig wurde ich durch die französische Schauspielerin Isabelle Huppert eigentlich erst durch einen »cinephilen« Freund aufmerksam. Sicher, ihren Namen kannte ich schon vorher und auch ein Gesicht verband ich damit. Aber dass ich mir gezielt Filme anschaute, in denen sie mitspielt, das geschah erst danach. Nicht jeder Eintrag in ihrer Filmographie ist ein Glanzstück, aber es gibt schon eine ganze Menge sehr interessanter, dramatischer, amüsanter oder bizarrer Werke. So hat mir etwa der ebenso beklemmende wie originelle Film »Elle« ausgesprochen gut gefallen, ich mochte auch die Tragikomödie »Ein Chanson für Dich«, die überdrehte Drogenposse »Eine Frau mit berauschenden Talenten« (Kopfnuss mal wieder an den deutschen Übersetzer, Originaltitel »La Daronne« [dt.: »die Alte«]), den nicht immer ganz schlüssigen, aber fesselnden Psychothriller »Greta« oder das Mutter-Tochter-Drama »I’m Not a F**king Princess«. In all diesen Filmen stiehlt Huppert ihren Schauspielkollegen in fast jeder Szene die Show und hat nie ein Problem damit, sich in der Haut ihrer Figuren bis an die Schmerzgrenze zu bewegen – in puncto Grausamkeit, Verletzlichkeit, Exzentrik oder Monstrosität. Allen obengenannten Filmen ist allerdings gemein, dass sie erst nach 2010 entstanden – ich nähere mich dem Werk der Darstellerin, die immerhin seit 1971 vor der Kamera und auf der Bühne steht, daher quasi »rückwärts«. Das hängt auch damit zusammen, dass etliche ihrer älteren Filme leider bei Streaming-Anbietern nicht oder nicht mehr angeboten werden. Gerne würde ich etwa »Heaven’s Gate« (1980) einmal sehen, »Malina« (1991) oder »Marie Curie – Forscherin mit Leidenschaft« (1997). Aber Fehlanzeige. Und auch die letzte verbliebene Videothek hier im Viertel hat solche älteren, wenig publikumswirksamen Filme leider nicht im Sortiment. Gebraucht sind ältere Filme zwar auf DVD erhältlich aber als Raritäten auch gerne etwas teurer und auf Verdacht sind mir solche Ausgaben immer etwas zu riskant.

Ab und zu jedoch springt das gute alte Fernsehen in die Bresche und wiederholt Frühwerke der Schauspielerin. In der arte-Mediathek gab es etwa vor kurzem das düstere Krimi-Melodram »Rückkehr zur Geliebten« (1979) zu sehen (dazu ein Posting bei Mastodon) und gerade gestern schaute ich dann, ebenfalls auf arte, »Die Spitzenklöpplerin« (1977), ein Drama über die erste Liebe einer schüchternen jungen Frau (Huppert war damals 24, spielt aber eine erst 18-Jährige), die an der Beendigung der Beziehung durch ihren Partner zerbricht. Kein Happy-End also. In beiden Filmen spielt sie übrigens sehr viel stillere, introvertiertere und verletzlichere Charaktere als in den später entstandenen, die ich kenne. Ich fand beide Filme sehenswert und interessant, aber gleichzeitig musste ich innerlich, selbst bei dramatischen Szenen, bisweilen schmunzeln, weil sie mir stellenweise als »typische« französische Dramen aus den 1960er bis 1980er Jahren vorkamen, deren Stilmittel und Versatzstücke sich als überspitzte Klischees sehr schön, vielleicht in einem fiktiven Kurzfilm, komprimieren ließen: Tristesse, Beziehungsprobleme, Seitensprünge, Hassliebe, Zigarettenrauchen, Paris, Melancholie, Abschiede, Gewalt, Intrigen, Psychoterror, Leidenschaft, Wechselbäder der Gefühle. Ich möchte das nachfolgend einmal beispielhaft ausprobieren:

Wir befinden uns in Paris. Der Himmel ist wolkenverhangen. Es scheint kühl zu sein, unzweifelhaft Herbst, die Menschen in der Stadt tragen warme Jacken und Mäntel und gehen mit eingezogenen Köpfen durch die Straßen. Durch das transparente Spiegelbild der Straßenlebens in der Glasscheibe eines Cafés fokussiert sich die Kamera auf eine gutaussehende, zeitlos elegant gekleidete Frau mittleren Alters, die allein vor eine Tasse Kaffee und einem Aschenbecher an einem fensternahen Tisch sitzt, raucht und nach draußen schaut. Sie blickt nach oben zum Himmel, runzelt die Stirn, schaut auf ihre Armbanduhr, winkt nach der Bedienung und zahlt. Dann schlüpft sie in ihren Mantel, nimmt ihre Handtasche und steht auf, um das Café zu verlassen. Sie tritt hinaus auf die Straße, es beginnt leicht zu regnen. Sie geht schnellen Schrittes zu einem benachbarten Zeitungskiosk und kauft sich die aktuelle Ausgabe des »Figaro«, währenddessen verstärkt sich der leichte Regen zu einem Wolkenbruch. Sie hält sich die Zeitung schützend über den Kopf und eilt zwischen den vereinzelt fahrenden Autos auf die andere Straßenseite, wo sie im überdachten Hauseingang eines kleineren Hotels Unterstand findet. Dieses Hotel scheint auch ihr Ziel zu sein, sie schaut nochmals auf ihre Uhr und blickt suchend nach links und rechts. Ein Taxi hält vor dem Eingang und ein Mann, leicht graumeliertes Haar, steigt aus, zahlt, erblickt die Frau im Hauseingang und geht auf sie zu. Sie begrüßen sich mit zwei »bises«, haken einander ein und betreten das Hotel. Die Kamera schwenkt an der Fassade des Gebäudes empor zu den oberen Stockwerken.

Schnitt. Wir befinden uns nun in einem Zimmer des Hotels. Die Frau steht rauchend am Fenster, Regentropfen rinnen an der Scheibe herab, durch den Regen sieht man von oben auf die Silhouette der Stadt. Der Mann sitzt auf einem Sessel und starrt von sich hin, beide Hände am Kinn. Die Frau zieht an ihrer Zigarette und bläst den Rauch gegen die Fensterscheibe.

Frau: (zum Mann, aber ohne sich zu ihm umzudrehen) Hast Du es ihr gesagt?
Mann: Wann hätte ich das tun sollen? Du weißt, dass ich in Marseille war.
Frau: Diesmal war es Marseille, davor war es Lyon, wieder davor war es Nizza. Du bist ein Feigling.
Mann: Aber immerhin ein Feigling, den Du liebst. Sonst wärst Du nicht hier.
Frau: Dinge ändern sich, François. Ich ändere mich. Und ich lasse mich nicht länger von Dir zum Narren halten.
Mann: Mein Gott, Francine! Du weißt, dass es zwischen mir und ihr längst aus ist. Unsere Ehe ist längst nur noch eine tote Hülle.
(Er steht aus dem Sessel auf, tritt zu ihr ans Fenster und berührt ihr rotes Kleid an ihrer Schulter)
Du weißt, dass ich Dich liebe. Und nur Dich. Genügt Dir das nicht?
Frau: (drückt energisch ihre Zigarette im Achenbecher auf der Fensterbank aus und dreht sich zu ihm um) Ich kann das nicht mehr. Wir müssen uns trennen.
Mann: (eindringlich) Francine …
Frau: Ich hätte das schon längst beenden sollen. Das alles hier. Es führt zu nichts. (Sie dreht sich wieder um und schaut zum Fenster hinaus)
Mann: (packt sie an den Schultern und dreht sie zu sich herum) Geh nicht!
Frau: Küss mich!

Beide schauen sich einige Sekunden lang intensiv in die Augen, dann umarmen und küssen sie sich leidenschaftlich. Als der Kuss endet, richtet die Frau ihr Haar und geht zu einem Stuhl, auf dem ihr Mantel und ihre Handtasche liegen. Sie nimmt beides in die Hand.

Frau: Ich werde jetzt gehen. Adieu. Und ruf mich nicht wieder an.
Mann: Francine!
Frau: Es hat keinen Sinn mehr. François. Ich dachte, es wäre Liebe zwischen uns. Aber ich habe mich geirrt. So schön es auch war. Manchmal muss man auch loslassen können. (Sie dreht sich um und geht Richtung Tür)
Mann: Ich kann ohne Dich nicht leben.
Frau: Du wirst es lernen müssen. Ich werde es lernen müssen. Es werden andere kommen und bald wirst du mich vergessen haben. (Sie öffnet, die Tür, blickt noch einmal zurück zu ihm, geht hinaus und zieht sie hinter sich zu)
Mann: (nun allein im Raum, verzweifelt Richtung Tür schreiend) FRANCINE!

Die Frau tritt unten aus dem Hotel hinaus auf die Straße. Es regnet weiterhin. Sie winkt ein Taxi zu sich heran, steigt ein und man sieht von außen, wie sie dem Fahrer stumm ihr Fahrtziel nennt. Schnitt in das Taxi. Die Frau öffnet ihre Handtasche und holt ein Foto heraus: ein unbeschwerter Urlaubsschnappschuss von ihr und François. Sie zerreißt das Foto, öffnet das Fenster, wirft die wenigen Schnipsel aus dem Fenster und schließt es wieder. Dann nimmt sie ein silbernes Etui aus der Tasche und zündet sich daraus eine Zigarette an. Sie schaut aus dem Taxi auf die draußen vorbeigleitende Stadt. Ihre Augen füllen sich mit Tränen.

Schnitt auf den Rinnstein am Straßenrand. In einer Regenpfütze schwimmen die Fotoschnipsel, der Teil mit den beiden Gesichtern der Liebenden dreht sich langsam im trüben Wasser, tropfen drücken ihn allmählich unter die Oberfläche.

Schnitt. Die Frau steht allein in ihrer Wohnung am Fenster, es ist Abend, die blaue Stunde. Sie raucht und hat ein Glas Rotwein in der Hand. Auf einem Tisch im Zimmer steht in einer Vase ein großer Strauß Rosen, noch mit Zellophan umhüllt, ein ungeöffneter Briefumschlag klebt auf der Folie. Sie leert ihr Glas »auf ex« aus, geht zum Telefon und wählt eine Nummer, die sie offenbar auswendig kann. Das Rufzeichen ertönt. Jemand nimmt ab und man hört die Stimme eines Mannes.

Stimme: Hallo? …
Frau:
Stimme: Francine …? Francine, bist Du es?
Frau:
Stimme: Ich liebe Dich! Ich brauche Dich! Sag etwas! Irgendwas …

(Die Frau legt auf)

– FIN –

Die Lieferung

Es gibt unangenehme Träume, aus denen ich missgestimmt erwache und sogar welche, aus denen ich angsterfüllt hochschrecke. Es gibt massenhaft Träume, an die ich mich nur bruchstückhaft erinnere, belanglose, nach denen ich denke »naja« – und es gibt welche, die auch Stunden nach dem Aufwachen noch sehr präsent sind und ich denke »wow, das war ja cool«. Heute hatte ich mal wieder so einen.

Im Traum befand ich mich in einer Wohnung, die keinerlei Ähnlichkeit hatte mit meiner echten oder einer, die ich persönlich kenne, aber sie war im Traum völlig glaubhaft meine eigene. Eine bestellte Lieferung war angekündigt, ich hatte einen großen Flachbildfernseher bestellt, 55 Zoll. Aus irgendeinem Grund und obwohl ich »zu Hause« war, nahm ich die eintreffende Lieferung nicht persönlich entgegen, sondern bekam eine Nachricht, sie sei in einem Zimmer des Hauses abgestellt worden. Ich ging in den besagten Raum und fand dort eine viel größere Lieferung vor: statt eines großen Fernsehers waren insgesamt fünf davon angeliefert worden, dazu noch zwei Waschmaschinen. Doch im Traum war ich davon nicht ansatzweise beunruhigt oder veranlasst, dies zu reklamieren. Vielmehr begutachtete ich die gelieferte Ware und begann, mit dem Mann (der plötzlich ebenfalls anwesend war) zu besprechen, wie man die Geräte sinnvoll unterbringen und verteilen könne. Der größte Fernseher war mit »65 Zoll« spezifiziert, war aber in seinen Dimensionen etwa doppelt so breit und hoch wie ein reales Gerät dieser Größe. Den sollte der Mann in seine Wohnung mitnehmen, er habe doch zwischen zwei Regalen im Wohnzimmer genug Platz dafür, was sogar tatsächlich hätte hinkommen können. Das zweite Gerät war offensichtlich das tatsächlich bestellte mit 55 Zoll, dieses wollte ich in meiner Wohnung behalten, Die drei weiteren Fernsehgeräte waren alle gleich groß, aber mit wesentlich geringeren Abmessungen, nur etwa 60 cm breit. Die könne der Mann doch mit ins Büro bei sich nehmen und unter den Kollegen verteilen. So wurde es beschlossen und damit war die Fernseherlieferung besprochen. Blieben noch die zwei Waschmaschinen. Diese hatten seltsamerweise keine »Bullaugen«, sondern man konnte sie mit einer Klappe öffnen, wie sonst Geschirrspülmaschinen, und auch das fand ich nicht im geringsten sonderbar oder hinterfragte, wie das wohl funktionieren sollte. Stattdessen öffnete ich beide Klappen und schaute ins Innere der Geräte. In jeder der leeren, hell beleuchteten stählernen Kammern befand sich eine handliche gedruckte Bedienungsanleitung sowie eine kleine klare rechteckige Glasflasche mit einer auberginefarbenen Flüssigkeit und einem schwarzen Drehverschluss. Ich fragte mich, wozu diese Fläschchen wohl gut seien und nahm eine davon in die Hand. Ich schnippte mit einem Fingernagel gegen die Flasche und da geschah etwas Beeindruckendes: ausgehend von dem Punkt, wo der Schnippimpuls die Flasche getroffen hatte, änderte die Flüssigkeit im Inneren in wolkigen, wirbelnden Strukturen ihre Farbe, von dunkelviolett hin zu einem leuchtenden Orange. Als die komplette Flüssigkeit sich umgefärbt hatte, pochte ich erneut mit dem Finger dagegen und der Farbumschlag wiederholte sich in umgekehrter Richtung. Ich war fasziniert, fand das wunderhübsch und schlug in der Bedienungsanleitung nach, welchen Zweck Flasche und Flüssigkeit haben. Dort stand zu lesen, dass es sich um eine Art Ablenkungsköder für Mäuse handelt. Man solle den schwarzen Schraubverschluss abdrehen und das Fläschchen in einiger Entfernung zur angeschlossenen Maschine auf den Boden stellen. »Die Mäuse« (woher immer die kommen sollten) würden dann von der Flasche angezogen und sich demzufolge nicht mehr der Maschine nähern (warum auch immer sie dies tun sollten). Ich nahm das völlig unverwundert zur Kenntnis und begann erneut, mit den faszinierenden verschlossenen Flaschen zu experimentieren. Ich nahm metallene Bolzen, meine Finger und andere kleine Gegenstände und brachte die Flüssigkeit im Inneren wieder und wieder mit unterschiedlich starken und pointierten Impulsen zu ihren wechselnden, strudelnden Farbumschlägen, wobei die Farbigkeit zunehmend bunter wurde: rosa, violett, gelb, rot.

Dann wachte ich auf.

Es ist eigentlich unmöglich, Traumbilder real zu illustrieren, aber ungefähr so sah das aus.