Dufter Jefährte

Le_Compagnon_Karte

Etwas Besonderes sollte es sein. Dabei nicht übermäßig kostspielig und in Berlin. Aus Anlass des partnerschaftlichen Jahrestages mit dem Mann hatte ich die schöne Aufgabe, einen gebührenden Restaurantbesuch in der Hauptstadt zu organisieren. Wenn möglich, mal was Neues.

Ich kletterte also ins Internet und recherchierte. Vier Lokale kamen in die engere Auswahl. Das Hugos schied trotz der fantastischen Speisekarte aus, da es meinen finanziellen Rahmen definitiv sprengt. Das Grünfisch, dessen Name nicht auf Anhieb die dort gebotene sizilianische Küche verrät, kam auf die Warteliste für den nächsten adäquaten Anlass, ebenso das Balthazar, dessen Kreationen eine interessante Fusion aus westlicher und asiatischer Küche verheißen. Meine Wahl fiel auf das Le Compagnon, in Ku’dammnähe, doch hinreichend weit um die Ecke in einer kleinen Seitenstraße gelegen. Drei Gründe sprachen dafür: die mundwässernde Karte, die sehr fairen Preise und – ich kann als Grafik-Designer eben nicht aus meiner Haut – das edle und sehr gelungene Logo mit dem goldenen Gabelkrönchen. Den Tisch reservierte ich noch spät abends online und am nächsten Tag wurde mir per telefonischem Rückruf die Reservierung bestätigt.

Am Sonntag vor Nikolaus war es dann soweit. Als wir fröstelnd von der beschneiten Straße aus das Restaurant betraten, wurden wir aufs Freundlichste empfangen, unserer Garderobe entledigt und zu einem schönen Tisch am Fenster geleitet. Der in gelb und warmen Holztönen eingerichtete, indirekt beleuchtete Gastraum bietet vielleicht gerade mal 24 Personen Platz, aber – wie sich zeigen sollte – wäre mehr kaum zu bewerkstelligen, denn mehr Gäste könnten kaum so aufmerksam und persönlich bedient werden, wie wir es erfahren durften.

Am Nebentisch hatten zwei ältere, offenbar gutsituierte Paare mit der Speisenauswahl begonnen und wurden vom Küchenchef und Inhaber Christian Schulze dabei intensiv beraten: Herkunft der Zutaten, Wissenswertes zu den verwendeten Fleisch-, Fisch- und Gemüsesorten, kompetente Weinberatung – unterstützt durch einen eigens hinter dem Tresen hervorgeholten Weinatlas – keine Frage blieb offen. Wir gaben uns hingegen weniger beratungsbedürftig und wählten nach einem eingehenden Blick in die Karte die Fünf-Gänge-Version des aktuellen Dezembermenüs (möglich wären auch 3, 4 oder alle 6 Gänge), wobei es dem Gast obliegt, welche der Gänge er bis zur gewünschen Anzahl kombiniert. Wir verzichteten vorausschauend auf das Dessert und ließen uns statt Wein ein Bayreuther Bio-Weizenbier einschenken.

Vor dem eigentlichen Menü gab es zum Gaumenvorglühe reichlich Bonusspezereien aufs Haus: zunächst ein Körbchen mit dreierlei hausgebackenem Brot – ein Weißbrot, ein dunkleres, mit leicht lebkuchiger Würzung und Foccacciawürfel –, dazu ein Schälchen tiefgrünes Olivenöl, meergesalzene Butter und eine Wildkräuter-Crème-Fraîche. Als erster offizieller Gruß aus der Küche folgte eine kleine Portion lauwarmer Kalbfleischsalat mit Rote Bete, sehr dezent komponiert, ein schöner Start. Doch die Küche grüßte weiter: der nachfolgende Teller Kürbiscremesuppe mit einer Einlage aus Entenfilet und Entenleber ließ erahnen, was mit den »richtigen« Gängen auf uns zukommen sollte: ein Festmahl.

Hier die komplette Menüfolge des Dezembermenüs
inklusive des von uns ausgeschlagenen Desserts:

  • Terrine von Zander und Kaisergranat mit Kürbis-Wasabicrème an Kartoffelmeeresalgensalat
  • Champagnersenfsuppe mit Rehfilet
  • Handgetauchte Jakobsmuschel mit Steckrüben und Weihnachtsgewürzen
  • Seeteufel auf asiatisch mariniertem Rotkohl mit Rucola-Buttersauce
  • Rosa gebratene Brust und confierte Keule von der Challansente mit Hagebuttenjus, dazu getrüffelte Schwarzwurzeln
  • Nougateisparfait mit süßer Rote Bete Mousse und Zwergorangenragout

Ich kann gar nicht auf alle Details dieses herrlichen Menüs eingehen, nur so viel: es war perfekt, wunderschön angerichtet, ohne Chichi zubereitet und absolut delikat. Meine persönlichen Highlights waren die Champagnersenfsuppe und die getrüffelten Schwarzwurzeln in der Beilage des letzten Ganges. Das ist Feinschmeckerküche, die mich gleichermaßen beseelt wie mit Neid erfüllt, dass ich selbst als Hobbykoch derartiges wohl nie zustande bringen werde. Die Rechnung am Ende des Abends war zwar, wie erwartet, nicht ohne, doch umgerechnet belief sich jeder der fünf Gänge auf gerade mal 13 Euro – ein mehr als faires Preis-Leistungs-Verhältnis.

Am Nachbartisch wurde während der dreieinhalb vertafelten Stunden ebenso genussvoll gespeist und getrunken, es wurden 30 Jahre alte Erinnerungsfotos herumgereicht und die Konversation der beiden Paare ließ vermuten, dass sie ihr langjähriges Bekanntschaftsjubiläum feierten. Unweigerlich kam mir Loriots Sketch vom »Kosakenzipfel« in den Sinn, wo ein Treffen aus demselben Anlass in heftigem Streit um das unfair geteilte Dessert endet. Doch heute gab es keinen Zwist, keine Unstimmigkeiten, weder am Nachbartisch noch an dem unsrigen, sondern nur rundherum wohligen Genuss und das gute Gefühl, für diesen Anlass genau die richtige Wahl getroffen zu haben. Das Logo hatte nicht zu viel versprochen.

Update September 2020: Leider ist das Restaurant mittelweile dauerhaft geschlossen.

Le_Compagnon_Snapshot
(Die Bildqualität dieses funzeligen Handyschnappschusses von Gang Nr. 5 repräsentiert ziemlich genau das Gegenteil von dessen famosem Geschmack.)

Fotos: © formschub