Kategorie: Kunsthonig

Hörens-, sehens-, lesenswert: Musik, Film, Literatur

Fete mit Käthe

Vielleicht sind die anhaltenden Minustemperaturen schuld, vielleicht ist es einfach das schiere Überangebot an Veranstaltungen in einer so großen Stadt – anlässlich des gestrigen Comedy-Programms »Fete mit Käthe« fanden gerade mal etwa 60 Zuschauer ihren Weg ins Hamburger Kabaretttheater Polittbüro. Was zwar einerseits sehr schade war, da das kurzweilige Programm, moderiert von der wunderbaren Käthe Lachmann, auf jeden Fall ein größeres Publikum verdient hätte, andererseits keinen Einfluss auf die Stimmung im Saal und auf der Bühne hatte, da sich Künstler und Gäste bestens amüsierten.

Wer Käthe Lachmann nicht kennt, sollte diese Wissenslücke schnellstens füllen, ihr skurril-putziger Sinn für Humor traf bei mir von Anfang an ins Schwarze. Allein der Auftritt ihrer überdrehten Kunstfigur Elke Schmidt, die gestern inbrünstig die Funktionen eines Taschenrechners erklärte (»Eintausendzweihundertfünfundzwanzig! Was für eine wundervolle Zahl – ich möchte sie berühren!«), war das Eintrittsgeld wert.

Als Gastkünstler begrüßte Käthe bei ihrer Fete den Cartoonisten Ralph Ruthe (»Shit happens!«), der mit einem bunten Mix aus auf die Leinwand projizierten Cartoons (darunter köstliche Kalauer) und Animationen, teils moderiert, teils vertont, sowie Liedern und Anekdoten aufwartete. Die Songs trafen zwar nicht unbedingt meinen persönlichen Geschmack, aber mit seinem in aberwitzigem Tempo vorgetragenen Erlebnisbericht aus einem Hotelzimmer, das er in einem nächtlichen Rausch in seine Einzelteile zerlegte, hatte er mich wieder voll auf seiner Seite.

Die andere Hälfte des Gastprogramms bestritt das Hannoversch-Hamburgische Duo »Heino und Mäuse«, alias Heinrich von Gyldenfeldt und Jürgen Krejci. Die beiden reiferen Herren mit ihrem staubtrockenen, sehr norddeutsch anmutenden Witz und ihren zwei Gitarren waren mir bis dato komplett unbekannt, seit gestern haben sie auf jeden Fall einen Fan mehr. Mit an Helge Schneider erinnernden, improvisiert wirkenden Zwischenmoderationen verbanden sie grandiose Vertonungen von Texten Loriots (»Advent« im Mariachi-Sound) und Robert Gernhardts (»Samstagabendfieber«), wortwitzige Eigenkompositionen und gnadenlose Kalauer (»Verse von der Brechstange«) zu einem hinreißenden Bühnenauftritt. Im März gastiert das Duo mit einem abendfüllenden Programm auf der Bühne des literarischen Kabaretts Wendeltreppe im Parlament im Hamburger Rathaus.

Alles in allem eine lustige Fete, vielen Dank, liebe Käthe. Ich hoffe, dass beim nächsten Mal im April ein paar Zuschauer mehr den Saal füllen werden.

Pressefoto Käthe Lachmann
Pressefoto Käthe Lachmann: © Köln Pool

Das Große im Kleinen

Fragmente von Schmetterlingsflügeln? Digital gefilterte Satellitenfotos? Mysteriöse Stoffetzen? Alles falsch. Die wunderschöne Fotoserie Cell Images* des Projekts Digital Dendrology der Künstlerin Jordyn Meredith zeigt hauchdünne mikroskopische Querschnitte von – Zweigen. In hundertfacher Vergrößerung enthüllen die eingefärbten, auf schlichtem Weiß fotografierten dendrologischen Präparate faszinierend-filigrane Zellstrukturen von Holz und Rinde. Natur als Kunst. Nur scheinbar unscheinbar – bis man genauer hinsieht.

*(Leider führen die Thumbnail-Links zu den Full-Size-Bildern ins Leere. Manueller Zugriff ist möglich, wenn man im Verzeichnispfad der .jpg-Thumbnails jeweils das Verzeichnis /thumbnails/ durch /images/ ersetzt. Beispiel: Thumbnail / Full-Size-Bild)

Digital Dendrology
Images: © PhyreDesigns | Jordyn Meredith

Tiny Music Makers

Fast jeder ist wohl schon einmal zusammengezuckt, wenn zur Unzeit aus dem eigenen oder fremden Handy der allseits bekannte »Nokia-Tune«-Klingelton düdelt. Weniger bekannt ist, dass die Melodie keine Kreation aus dem Nokia Klingeltonstudio ist, sondern ein Auszug aus dem 1902 geschriebenen Solo-Gitarrenstück »Gran Vals« des spanischen Komponisten Francisco Tárrega.

Hört man genau hin, ist der Alltag voll von Klängen, Soundbits und Melodien, die jeder kennt – ihre zeitgenössischen oder klassischen Urheber jedoch bleiben oft anonym. Das im Januar 2009 leider eingestellte Blog Music Thing des Briten Tom Whitwell hat in einer Miniserie über bekannte zeitgenössische Markensounds die Stories einiger »Tiny Music Makers« recherchiert und aufbereitet.

Eine ähnlich informative Quelle zur Herkunft populärer Soundschnipsel, die sich Werber und Firmen – wie z.B. Nokia – bei der klassischen Musik »borgen«, wäre auch mal interessant.

Intel Chime
(Wellenform-Darstellung des »Intel inside« Sounds)

Neu im Ohr

Manchmal klingt sie beim Singen, als ob sie dabei gedankenverloren mit einer ihrer blonden Haarsträhnen spielt, ein andermal, wie allein mit ihrer Gitarre an einem Campingfeuer im Wald sitzend, aber immer wunderbar unprätentiös. Rezensenten ihres neuen Albums »Changing of the Seasons« vergleichen sie mit Billie Holiday, Dolly Parton, Kate Bush, Björk oder Joni Mitchell und liegen damit gleichzeitig ganz dicht dran und doch meilenweit weg.

Sie covert »True Colors« von Cyndi Lauper und »Big in Japan« von Alphaville so, dass man die Songs wieder wie zum ersten Mal hört – und sie steht derzeit ganz oben auf meiner Playlist: Ane Brun, 23jährige Songwriterin aus Norwegen. Schön, dass es solche Musik gibt, bei der man die guten Zutaten hören und an einer Hand abzählen kann: Eine geniale Melodie, eine tolle Stimme, eine Gitarre und ein paar sparsame akustische Akzente im Hintergrund. Und auf Tournee nach Deutschland kommt sie im Frühjahr auch noch.

Anspieltipps: »Armour« (bei Amazon), »I let myself go«, »Big in Japan« (bei myspace), weitere Titel bei last.fm.

Ane Brun
Photo: © Ane Brun

Was Buntes gegen das Trübe

Erst dachte ich, es sei der neueste Spot von SONY Bravia nach den Knetkaninchen, aber dann entpuppte es sich doch als Musikvideo des schwedischen Minimal-Techno-Projekts Minilogue von Marcus Henriksson und Sebastian Mullaert. Zu den pluckernden Beats des Tracks »Animal« liefert die Choreographie der putzigen animierten Kreaturen – teils offenbar leicht sadomasochistisch veranlagt – das perfekte Quentchen schrägen Humors (bei Timecode 00:43 auf den unscharfen Kinderwagen am linken Bildrand achten!). Weird, sagt der Nerd und guckt strange.

Minilogue – Animals from ljudbilden on Vimeo.

Bühnen-Bilder

Beim Schmökern in aktuellen Kulturprogrammen stolperte ich heute über eine Anzeige des Theaters Lübeck, die mir im Einerlei vieler sonstiger Veranstaltungshinweise angenehm auffiel. Die Idee, für jedes Stück der Spielzeit ein aufs Wesentliche reduziertes Piktogramm zu entwickeln, ist möglicherweise nicht neu, aber, wie ich finde, hier sehr schön umgesetzt. Mit ein bisschen Feinarbeit könnte die teilweise etwas uneinheitliche Detailtreue der Symbole zwar noch harmonisiert werden, aber es macht allein schon Spaß, zu raten, welches Stück sich hinter welchem Zeichen verbergen könnte.

Zum Mitraten hier in falscher Reihenfolge die Werke zu den abgebildeten Beispielpiktogrammen: Wiener Blut, Rigoletto, Der Steppenwolf, Evita, Die Zauberflöte, Penthesilea, Der Zauberberg, Salome, Die verkaufte Braut, Madame Butterfly, Tod eines Handlungsreisenden und Das Rheingold.

Für die Auflösung verweise ich auf die Website des Hauses, dort finden sich noch mehr Piktogramme, die bei jedem Seitenreload in ihrem Raster neu durchgemixt werden. Eingeführt wurde der plakative grafische Auftritt des Theaters bereits zu Beginn der Spielzeit 2007/2008 im Oktober vergangenen Jahres, vermutlich im Vorfeld des aktuellen Jubiläums der Spielstätte, die diesen Monat vor genau 100 Jahren – am 1. Oktober 1908 – eröffnet wurde.

Theater Lübeck
Piktogramme: © Theater Lübeck

Insolvent und Spaß dabei

Auf den bislang besten Beitrag zur aktuellen Finanzkrise stieß ich dieser Tage in einem 26 Jahre alten, längst vergriffenen Taschenbuch des argentinischen Cartoonisten Quino. Und damit mir ob dieses visuellen Zitats kein böswilliges copyright infringement unterstellt wird, füge ich als aufrichtiger Bewunderer der Kunst seiner spitzen Feder hinzu: Besucht seine Website und kauft seine Bücher – denn seine anderen Zeichnungen sind mindestens ebenso genial wie das hier.

Quino
Cartoon: © Quino