Monat: Oktober 2012

Veronika, ein ganzes Jahr

Wer kennt es nicht, das berühmte Lied der Comedian Harmonists mit den eindeutig zweideutigen Textanspielungen?

Dass der Frühling die Säfte sprießen lässt, ist allgemein bekannt. Der Herbst hingegen bringt sie zum Versiegen, er macht die Tage kürzer, dunkler und die Stimmung trüber, zeigt seine triste Seite abseits des »Rilkescheiß«, wie Bosch treffend schreibt. Was, wenn die Comedian Harmonists auch davon gesungen hätten? Das war der Gedanke, der mich zu dem obigen Tweet inspirierte. Und weil ich das Jahr gerne voll machen wollte, kommen nun auch noch der Sommer und der Winter dazu, ebenfalls besungen von missgelaunten Verächtern dieser Jahreszeiten. Die Melodie kennt Ihr ja …

Veronika, der Lenz ist da,
die Mädchen singen ›tralala‹,
die ganze Welt ist wie verhext,
Veronika, der Spargel wächst.

Veronika, der Sommer naht,
beim Dresscode wird an Stoff gespart,
die ganze Welt ist schweißglasiert,
Veronika, mein Blut geliert.

Veronika, der Herbst ist da,
im Hirn spinnt die Amygdala,
die ganze Welt ist trist und leer,
Veronika, ich will nicht mehr.

Veronika, der Winter dräut,
wie hass’ ich Frost und Weihnachtzeit,
die ganze Welt ist kalt und weiß,
Veronika, mach Glühwein heiß.

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Bücherfragebogen [♂] – 25


25 Ein Buch, bei dem die Hauptperson dich ziemlich gut beschreibt
Auch diese Frage habe ich nur deshalb so lange vor mir hergeschoben, weil ich so intensiv darüber nachgedacht habe.

Ergebnis: Keins. Ich habe noch kein Buch gelesen, in dem eine Hauptperson in mir den Gedanken hervorrief »Ach, schau mal, der/die ist ja wie du.« Eher schon passiert(e) es, dass ich in Büchern auf Protagonisten stieß, die Züge oder Eigenschaften hatten, die ich gerne hätte, aber nicht habe oder die in mir Ambitionen weck(t)en, ihm/ihr nachzueifern, sei es Selbstbewusstsein, Schlagfertigkeit, Mut, Abenteuerlust oder Furchtlosigkeit.

Am ehesten verspürte ich dieses Gefühl bei der Lektüre von Kinder- und Jugendbüchern, in einem Alter, in dem wohl die Meisten ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Unzulänglichkeiten viel stärker spüren und gewichten als die eigenen Stärken und Talente. Ein weiteres Lesegefühl daneben ist – Ihr kennt das – die Identifikation mit der Hauptfigur, das Gefühl, in sie hineinzuschlüpfen, mit ihr zu fiebern, zu lachen, zu leben – aber nahezu unabhängig von charakterlichen oder physischen Ähnlichkeiten zwischen ihm/ihr und mir als Leser.

Also lautet die Antwort auf Frage 25: Es gibt tolle Bücher mit famosen Charakteren, Helden, Vorbilder, vielleicht Idole – aber mich gibt’s nicht in Büchern. Nur in echt.
Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Foto: © formschub

Bücherfragebogen [♂] – 17

Bald zwei Jahre knabbere ich nun schon an der Beantwortung der 30 Fragen dieses Stöckchens. Fünf davon sind noch übrig. Wäre doch gelacht, wenn ich so kurz vor Schluss schlappmache! Darum heute

17. Augen zu und irgendein Buch aus dem Regal nehmen
Nicht sooo einfach, weil ich ziemlich genau weiß, welche Bücher wo in meinem Regal stehen, insofern wird der blinde Griff in die Bibliothek kein völliger Zufallstreffer sein, aber egal. Ich lange mal in die Gruselecke, das passt auch zur nahenden düsteren Jahreszeit …

… und greife nach dem Taschenbuch »Stadt ohne Namen« von H. P. Lovecraft, eine Sammlung unheimlicher Geschichten, deren morbide Sprachgewalt mich nach wie vor fesselt. Schon während meines Studiums nutzte ich Textauszüge aus diesen Geschichten als Vorlage für die Übungsblätter im Kalligraphiekurs und bemühte mich, mit Feder und Skriptol die grausigen Schilderungen – wie etwa diese – in möglichst schönen Lettern zu Papier zu bringen:

Aus der unvorstellbaren Schwärze hinter dem verderbten Leuchten dieser kalten Flamme, aus den Meilen des Tartarus, durch die jener ölige Fluß sich unheimlich wälzte, flatterten rhythmisch, unhörbar und unerwartet, bastardähnliche geflügelte Geschöpfe, die kein normales Auge ganz begreifen kann oder deren sich ein gesundes Gehirn jemals ganz erinnern könnte. Sie waren weder Krähen noch Maulwürfe, noch Bussarde, noch Ameisen, noch verweste Menschenleiber, sondern etwas, an das ich mich weder erinnern kann, noch darf. Sie flatterten müde hin, halb mit ihren Schwimmhautfüßen und halb mit ihren häutigen Schwingen, und als sie die Menge der Feiernden erreichten, wurden sie von den kapuzenverhüllten Gestalten ergriffen und bestiegen, dann flog eine nach der anderen in die Weiten des unbeleuchteten Flusses in Höhlen und Gänge der Panik, wo vergiftete Quellen schreckliche und unentdeckbare Wasserfälle speisen.

Das ist noch Grusel alter Schule, zu lesen bei Kerzenschein in stürmischen Gewitternächten, wenn der Wind ums Haus heult und die Dielen im Korridor knarren, obwohl man doch eigentlich allein in der Wohnung sein sollte – aber wer weiß …

Der komplette Fragebogen im Überblick.

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Fotomontage: © formschub
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Under control(l)

Fast 4.000 Menschen haben in den letzten drei Tagen den Blogbeitrag zu meinem Bahnerlebnis gelesen, es gab zahlreiche Links, Retweets, Kommentare und »Likes«.

Ich begrüße dieses große Echo, nicht, weil mich Zugriffszahlen per se beglücken, sondern, weil ich es für gut halte, wenn Unternehmen generell bewusst(er) wird, dass ihre Fehler und die ihrer Mitarbeiter heutzutage online nahezu in Echtzeit öffentlich werden können. Das ist eine große Chance für die Unternehmen, schnell und effizient zu reagieren, auf Kritik einzugehen, ihr Image, ihren Service oder ihre Produkte zu verbessern und ihren Kunden gegenüber Wertschätzung zu zeigen.

Es geht nicht um Pauschalurteile, digitales Anprangern oder – wie so oft im Internet – wildes Rumpöbeln gegenüber den vermeintlich »bösen« Konzernen. Insofern bin ich recht froh, dass die Zahl derjenigen User, die in ihren Kommentaren aus meiner Sicht emotional etwas übers Ziel hinausgeschossen sind, (bis jetzt) erfreulich gering war. Vielleicht kriegt das Internet diesbezüglich irgendwann ja doch noch die Kurve. Ich würde das begrüßen.

No_riot