g-fällt mir!

Im Newsletterpostfach lag heute eine Nachricht zum Verlieben, meine Vorliebe für das sogenannte »Danish g« betreffend. Der neue Font »Ginga« der in Berlin lebenden Schriftgestalterin und Designerin Melle Diete entzückt nicht nur durch diese ganz besondere, frech gekappte Form des kleinen g, sondern durch viele weitere bezaubernd frische Buchstabenformen und -details. Das Fontmuster unten zeigt gerade mal 8 der insgesamt 15 Schriftstärken zwischen Ultra Light und Extra Black, die jeweils auch noch als Kursive (nicht abgebildet) erhältlich sind. Macht insgesamt 30 Familienmitglieder, die sich in allen zeitgemäßen Designprojekten zu Hause fühlen. g-nial!

Gingar_Font
Font Samples: via MyFonts

Festliche Freefonts II

In Fortsetzung eines adventlichen Blogartikels aus dem Jahr 2008 habe ich in Vorbereitung auf die anstehenden Feiertage mal wieder meine bevorzugte Freefont-Quelle nach schönen weihnachtstauglichen Schriften durchforstet. Für Adventskalender, Nikolausbotschaften, Geschenkanhänger, Weihnachtskarten und was sonst noch so in diesen Tagen für die wertvollsten unter den Menschen um uns herum mit Liebe beschriftet und betextet werden will.

Ich wünsche allen eine möglichst friedvolle und gemütliche Vorweihnachtszeit.
Und immer dran denken: Santa says: relax.

Festfonts_2011
Von oben nach unten:
BlackJack von Typadelic
Lobster Two (Bold Italic) von Pablo Impallari
Mountains Of Christmas von Tart Workshop
Kingthings Gothique von Kingthings Fonts
Devroye von Apostrophic Labs
(alle via fontsquirrel)

Ganz großes Kino

Wann ist ein Film zu Ende? Klar: spätestens, wenn das Licht im Kino angeht. Trotzdem gab es früher in Filmklassikern die schöne Sitte, nach der Schlussszene einen eigens gestalteten »The End«-Titel einzublenden, ehe der Abspann begann.

Der in den Niederlanden ansässige Grafik-Designer und Typo-Fan Christian Annyas hat sich die Mühe gemacht, für hunderte Filme seit den Anfängen des Kinos die Standbilder der Start- und Endtitel der Werke zusammenzutragen und zu katalogisieren – schwarzweiß wie farbig, Klassiker wie B-Movies, puristisch wie kitschig. Was für eine famose Seite! Ich könnte einen ganzen Diaabend nur mit dem Betrachten dieser mit viel Liebe zum Detail, oft speziell für den jeweiligen Film typographierten Seiten verbringen.

Daneben hat der filmverliebte Designer eine Sammlung großartiger Filmtitelsequenzen der Designikone Saul Bass erstellt und auch das Blog des Gestalters ist eine wahre Fundgrube für Typofreunde und Retrofetischisten. Augenfutter galore.

End_Titles
Screenshot source: The Movie Title Stills Collection, courtesy of Christian Annyas

Schnörkellos. Fast.

Als kulturell interessierter Mensch nehme ich mir gelegentlich in Ticketbüros die aktuellen Flyer und Prospekte der lokalen Musik-, Theater- und Bühnenensembles mit. Als Metropolenbewohner (Hamburg/Berlin) muss man ja wissen, was im Kessel der Großstadt gerade Heißes so kocht. Heute nach dem Frühstück blätterte ich im neuen Saisonprogramm des Rundfunkchores Berlin, das von außen noch nicht ahnen ließ, welch angenehm frisches Design mich auf den Innenseiten erwartete.

Schlicht weiß, mit glänzend goldener Heißfolienprägung kommt die Titelseite recht unspektakulär daher, wenn da nicht ein paar kleine Schnörkel an einigen Buchstaben hingen, die an die tropfenförmigen Formen an Bass- und Violinschlüssel bei der Notenschrift erinnern. Und gleich auf der nächsten Seite löst diese zarte Andeutung des Besonderen ihr Designversprechen ein:

In einem sehr variablen, aber dennoch aufgeräumt wirkenden Seitenraster, das aus einander überlappenden Rechtecken besteht, werden mit feinem Sinn für Farben und Seitenkomposition tolle und abwechslungsreiche Layouts gebildet. Die Seiten sind gut gegliedert und nicht überfüllt, die einfühlsame und zurückhaltende Typografie lädt zum Lesen ein, und gelungene, teils gewagt beschnittene Fotos von Interpreten, Publikum und Ensemble bilden zusammen mit großzügigen Schmuckbildern einen hochwertigen, modernen und frischen Look, der sofort Lust auf einen Besuch der Vorstellungen macht.

Besonders gefällt mir an dem Gestaltungskonzept das wiederkehrende Stilmittel eines Rasters aus unregelmäßigen rechteckigen Punkten (siehe Abbildung unten), deren Struktur sehr ansprechend und dezent Takt und Textur komplexer Musikarrangements visualisiert und den Rhythmus der Seitenlayouts im Kleinen nochmals unterstreicht.

Im PDF des Programmhefts kann man die wunderschöne Auszeichnungsschrift Archer des Schriftbüros Hoefler & Frere-Jones identifizieren; offenbar einst exklusiv für die Zeitschrift Martha Stewart Living der US-amerikanischen Heimdeko-Ikone entwickelt, doch die Exklusivlizenz ist inzwischen ausgelaufen, so dass der Font nun für jeden erhältlich ist. Sein Grundduktus erinnert an klassische geometrische Egyptienne-Schriften wie Rockwell oder Memphis, wird aber aufs Schönste bereichert durch die erwähnten kleinen »Schlenker« an einigen wenigen Zahlen und Buchstaben (siehe Abbildung unten) und macht diesen Type für meinen Geschmack zu einer perfekten Vermittlerin zwischen Kopf und Bauch, Klassik und Gegenwart.

Für längere Texte kommt die TheSans von Lucasfonts (Lucas de Groot) zum Einsatz.
Für die Gestaltung und Umsetzung verantwortlich zeichnet laut Impressum die Berliner Werbeagentur Heymann Brandt de Gelmini. Das Corporate Design wurde allerdings bereits 2010 mit dem – inzwischen freiberuflich tätigen – Creative Director Robert Körtge entwickelt.

RCB_2-3_Inhalt

RCB_46-47_Mahler

RCB_50-51_Requiem

RCB_Font_Archer
Abbildungen: © Rundfunkchor Berlin

Klare Ansage

Durch Zufall bin ich dieser Tage mal wieder auf ein paar sehr gelungene legale Freefonts gestoßen, die ich den Schriftfreunden unter meinen Lesern nicht vorenthalten möchte. Alle vier folgen dem ungebrochen aktuellen Trend zu klaren Fonts mit irgendwie »skandinavischer« Anmutung und damit auch meinen ganz persönlichen Fontvorlieben:

Die im Moskauer Fontstudio Cyreal entstandene Artifica erfreut das Auge nicht nur mit einem klaren, offenen Schriftbild, sondern auch mit ihrer harmonischen Verbindung aus Druck- und Handschriftduktus und zahlreichen originellen Details, wie etwa dem nach rechts tretenden »Füßchen« am Versal-A.

Die Banda von Typedepot in Sofia, Bulgarien, erinnert mit ihren voluminösen Minuskeln und kleinen Ober- und Unterlängen u.A. an Museo oder Neuzeit Grotesk, besitzt aber durch die kleinen organischen Schlenker in ihren An-/Abstrichen ein emotionaleres Gesicht.

Die Collator soll laut ihrem Entwerfer, dem in Kanada lebenden Gestalter Vince Lo, eine formale Brücke zwischen asiatischen und lateinischen Schriftzeichen schlagen, was auch gelingt. Doch auch bei ihr findet man Anklänge an derzeit populäre, kantig-organische Fonts wie Klavika, Neo Sans (Hausschrift Kabel 1) oder den exklusiven Corporate Font der dänischen Supermarktkette Super Brugsen. Besonders angetan hat es mir mal wieder das kleine »g«. I love it.

Die Play des Kopenhagener Schriftenbüros Playtype erinnert etwas an den Schriftzug der Sony PlayStation, vielleicht rührt daher der Name. Was ich an ihr mag, ist der gelungene Einklang von sympathischer Offenheit und rechteckigen Formen, was sie für mich zu einer sehr schönen Alternative zur inzwischen ziemlich ausgelutschten Eurostile macht.

Update: Artifika und Play sind übrigens inzwischen auch bei Google web fonts für die Darstellung auf Webseiten verfügbar.

Fontsample_07-2011

Man sieht: auch in (Ost)europa tut sich was in Sachen Typedesign.

Habt keine Angst

Es ist ein seltsamer Ort, an dem die Menschen auf den Zeichnungen von John Kenn leben. Dort gibt es keine Farben, außer ein fahles Gelb und ein dämmriges, an Schwarz erinnerndes Grau. Ab und zu sieht man auch Erwachsene, aber meist sind es Kinder. Seltsam unbeteiligte Kinder – obwohl ihnen auf Schritt und Tritt unheimliche Gestalten begegnen: Geister, Monster, Trolle, Dämonen, Kobolde, Vampire. Manchmal scheint es, als gehörten die gruseligen Begleiter mit zur Familie.

Ich stelle sie mir still vor, diese Welt, es ist üblich, flüsternd zu sprechen. Der Himmel ist dauernd mit Wolken verhangen, ständig verspricht die Sonne, bald durch den diesigen Schleier zu brechen, doch gehalten hat sie dieses Versprechen noch nie. Auch bleibt der Ort nicht von Grausamkeiten verschont, es gibt Bluttaten, Ängste und Gefahren, doch ereignen sie sich heimlich, vom Betrachter unbemerkt, er kommt als Zeuge stets entweder zu spät oder zu früh.

Gefunden habe ich den Eingang zu der faszinierenden Welt John Kenns, dessen Zeichnungen mich an Borislav Sajtinac, Gahan Wilson und Maurice Sendak erinnern, beim Stöbern in meinem Lieblingstumblr für weirde Bildwelten, 2headedsnake. Ihr solltet warten, bis es dunkel ist, ehe Ihr dort vorbeisurft. Es lohnt sich.

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Illustration: © John Kenn

Rückwärtsgang

Bei der Recherche nach einer schicken Retro-Illustration für den Muttertagsblogeintrag (s.u.) stieß ich zufällig auf die Website von Plan59, dem »Museum (and Gift Shop) of Mid Century Illustration«. Hunderte Illustrationen und Anzeigen aus den 50er Jahren wurden dort mit viel Aufwand zusammengetragen, in bester Qualität eingescannt und archiviert. Viele davon sind zudem als Kunstdrucke online bestellbar. Wer wie ich ein Faible für die Designästhetik dieses Jahrzehnts hat (auch wenn die Inhalte aus heutiger Sicht manchmal fragwürdig erscheinen), findet dort ohne Weiteres Augenfutter für mehrere Stunden.

Plan59
Thumbnail generated from www.plan59.com