Kategorie: Von der Tageskarte

Kaum passiert, schon gebloggt

Strandgedanken

Die nachmittäglichen Spaziergänge an Heiligabend oder den nachfolgenden Tagen gehören für mich oft zu den besinnlichsten Momenten des Festes. Gestern, am ersten Weihnachtsfeiertag führte unser kleiner Wanderweg an der Nordostküste Seelands in der einsetzenden Dämmerung vorbei an einem kleinen, noch in Betrieb befindlichen Leuchtturm. Bestimmt hat er seine Bedeutung für die lokale Schiffahrt längst verloren und ist im Zeitalter von GPS und Radar kaum mehr als ein romantisches Monument für Touristen und Einwohner.

Ich beobachtete einen Moment lang im Zwielicht den bedächtig rotierenden Lichtstrahl und fragte mich, welchen Schiffen, welchen Menschen er Rettung, Hilfe und Wegweiser war. Ob es bei Sturm geschah, bei Nebel, in tiefer Nacht oder abseits des Meeres, allein durch die Kraft seiner Symbolik.

Bald verblassen die Höhen und Tiefen des vergangenen Jahres im milden Dunst der Erinnerung. Neujahr voraus! Kurs setzen. Den Blick schärfen. Für das Licht, das die Richtung vorgibt. Ahoi.

Leuchtturm

Doof sein. Glück haben. (Nachtrag)

Sich mit viertelvollem Tank auf den Weg von Hamburg nach Hannover aufmachen. Denken »Tankstellen gibt’s ja an der Autobahn alle paar Kilometer«. Beim vorletzten Balken der Füllstandsanzeige noch eine Tankstelle links liegen lassen, weil sie etwas umständlich erreichbar abseits der Autobahn auf einem Autohof liegt. Sich wundern, dass die Tankanzeige dann doch so plötzlich auf ‘Reserve’ wechselt. Die Autobahn bei der nächsten Ausfahrt verlassen in der Annahme, dass jede beschilderungswürdige Siedlung eine Tankstelle beherbergt. Nach weiteren 2 km im schweigenden Dunkel der wohnhausgesäumten Dorfstraßen feststellen, dass dies augenscheinlich ein Trugschluss war. Nacheinander an den Wegweisern sämtlicher Ortsausgänge erkennen, dass frühestens nach weiteren 12 km Fahrstrecke ein gewerblicher Kraftstoffverkauf zu erwarten ist. Sich im roten Licht der Tankwarnleuchte der eigenen Doofheit bewusst werden. Synonyme für ‘Provinz’ murmelnd (Pampa, Wüstenei, Ödnis, Diaspora, Wallachei, Jottwehdeh) nach praktikablen Alternativen suchen. An einer winzigen Gaststätte beschließen, sich vor Betreibern und/oder Gästen mit der Frage nach einem Reservekanister zu blamieren. Bei der Wirtin beginnen. Daraufhin von ihr mit schnellem Griff aus der Abstellkammer hinter der bratdunstigen Brutzelküche einen randvollen Fünfliterkanister Super bleifrei überreicht bekommen. Verdutzt den genannten (okayen) Preis zahlen und auf dem Parkplatz den kostbaren Inhalt mit gierigem Gluckern in das dürstende Gefährt kippen. Wieder auf die Autobahn fahren und das Wiedereinfädeln aufatmend als Rückkehr in die Zivilisation empfinden. Lächerliche 5 km nach der Wiederauffahrt vom Neonleuchten einer großen Tankraststätte verhöhnt werden. Heiser auflachen, abfahren und den Tank bis zum Anschlag wieder auffüllen.

Tankanzeige

An ocean of emotion. Live.

Weil ich heute nach der Tagesschau aus Unkenntnis über den weiteren Programmverlauf nicht schnell genug aus dem Ersten wegzappte, landete ich ahnungslos in der großen Anti-Leukämie-Charity-Show »José Carreras Gala 2006«. Vorab sei gesagt: Wohlwollen und Zuspruch, und je nach Finanz- und Sachlage auch gern eine Spende, bin ich jeder seriösen Initiative zur Minderung von Elend, Krankheit und Not bereit, entgegenzubringen. Doch die klebrig-süße Kitschtsunami, die bereits mit den ersten Takten des begleitenden Bühnenzaubers mein Wohnzimmer flutete, ertränkte augenblicklich jegliche altruistische Regung.

Im Zentrum des wohltätigen Entertainmentstrudels: gnadenlos off-synchrones Vollplayback angesagter bis betagter Showgrößen. Begleitende Havarie auf der Nebenbühne: Gruppenausdruckstanz in Paillettencatsuits. Untermalt waren die musikalischen Episoden des Spektakels wechselnd mit kalkuliert aufwallendem Orchestergetöse oder uninspirierten Benefizpopmelodien, die dem Wort »Mit-Leid« für mich als Zuschauer einen ganz neuen Sinngehalt gaben. Ach ja, Liedtexte gab es auch noch. Assoziationen herzchenverzierter Poesiealbumseiten mit Glitzer-Lackbildchen zogen angesichts der geballten Aufmunterungs- und Betroffenheitslyrik an meinem geistigen Auge vorbei.

Sorry, Leute, aber ihr müsst jetzt ganz doll tapfer sein: für mich ist das Plastikrührung, synthetischer Gefühlskleister, primetimetauglich grellbunt garniert und weit abseits von Authentizität und echter Anteilnahme. Immerhin – wenigstens die eingespielten Filmbeiträge brachten es hinreichend ungesüßt fertig, zu vermitteln, wie grausam Leukämie für jeden einzelnen Betroffenen ist.
Aber Fernsehen manchmal auch.