Kategorie: Von der Tageskarte

Kaum passiert, schon gebloggt

Keine Zeit (Nachtrag)

zum Bloggen. In Berlin, wo ich dieses Wochenende weile, wurde ja bekanntermaßen rechtzeitig vorm Fest der Liebe der Ladenschluss freigegeben. Und so ist nun in ausgewählten Geschäften das Shoppen Samstags rund um die Uhr und Sonntags von 13 bis 20 Uhr möglich. Kommt hinzu, dass die Geschwindigkeit, mit der inzwischen Heiligabend näherrückt, etwa bei gefühlten Warp 8 liegt. Und ich hab doch noch nix. Na ja, fast nichts. Kaum was. Nur ein paar Kleinigkeiten. Jedenfalls noch nicht alles. Also: kaufen. Kaufen! KAUFEN!! KAUFEN!!!

Hamburg erwägt, ebenfalls den Ladenschluss freizugeben. Allerdings erst im neuen Jahr. Schlau.

Kausales Topfschlagen

Ernstes Thema – amoklaufende Jugendliche. Doch statt helfender Hände, echter Präventivkonzepte oder kompetenter Diskussionsbeiträge, die am sozialen Gefüge der gefährdeten Menschen ansetzen, erfolgen hysterisches Gackern und Flügelschlagen im politischen Hühnerstall, wirres Schwadronieren und demokratisch bedenkliches Verbotswettrüsten.

Hey, Ihr Patentrezeptler – da hätt ich auch noch eine Idee. Vorhin hieß es im Radio nach dem bedauerlichen Fund der Leiche eines diesbezüglich verdächtigten Offenburger Schülers: »Der mutmaßliche Amokläufer trug schwarze Kleidung.« Na? Klingelt’s? Ist doch klar: Wenn die alle nicht nur »Killerspiele« spielen, sondern auch schwarze Klamotten anhaben, sofort konsequent schwarze Kleidung verbieten! Amokläufer, die nichts mehr zum Anziehen haben, gehen doch nie und nimmer aus dem Haus und bringen Leute um. Problem gelöst!

Hat jemand die Telefonnummer von Günther Beckstein?

Fernsehen in Nahkose

Wie rasant sich die Technik beim Fernsehen weiterentwickelt hat, wird am ehesten sichtbar, wenn Jahre oder Jahrzehnte alte Werbespot-Klassiker, Tagesschauschnipsel mit Karl-Heinz Köpcke, Triumphmomente vergangener Sportmeisterschaften oder geschichtsträchtige (Talk)showhäppchen in Wiederholung über den Bildschirm flimmern. Körnige, verwaschene Szenen und muffiger Ton malträtieren Auge und Ohr und machen bewußt, dass dies einmal der ganz gewöhnliche Medienalltag war. Gottseidank ist das inzwischen – mit hochauflösenden Kameras, digitaler Sendetechnik und erschwinglichen High-Tech-Fernsehern – anders. Klarer. Schärfer. Bunter. Man ist einfach »näher dran«. Manchmal aber auch ein Ideechen zu nah.

Speziell bei Interviewszenen mit Sportlern, Promis und Politikern packt mich in letzter Zeit der Reflex, mich weiter weg zu setzen, wenn es denn ginge, weil mir die gesendete Nähe regelrecht auf den Pelz rückt. »Dichter!« befiehlt die Regie bei Sabine C., Günther J. und Co. – und die Kamera gehorcht und umspielt gnadenlos jedes Detail im Gesicht der geladenen Gäste. Ein bei der Rasur vergessenes Barthaar des Fraktionsvorsitzenden – glasklar. Ein winziger Speiserest zwischen den Zähnen des Unternehmensvorstands – gestochen scharf. Die zart verschmierte Wimperntusche am Lid der Presseprecherin – erbarmungslos sichtbar. Speichelfäden beim Sprechen, rinnende Schweißtropfen, Hautrötungen, Schuppen, Falten, Pickel, Poren, Nasenhaare. Alles wird bildschirmfüllend gesendet. Kontrast 10.000:1, High Definition, Millionen von Farben. Zwischenzeitlich verrät nur die Stimme, wer gerade spricht; erst, wenn sich der Bildausschnitt weitet, werden dermatologische Strukturen wieder zu bekannten Gesichtern. Hinter den fesselnden mikroskopischen Details tritt schon mal der Inhalt der Rede zurück, was aber – je nach Redner – den Informationsgehalt der Szene nicht zwangsläufig mindert. Aus Fernsehen wird Nahsehen.

Ich selbst habe noch keinen 40-Zoll LCD- oder Plasma-TV. Aber, liebe Fernsehhersteller, eine Idee: Wie wär’s mit einem schicken Retro-Feature namens »Makro-Mercy« oder »Zoom-Escape«, das auf Knopfdruck die Bildqualität sofort um 30 Jahre zurückschaltet? Denn die Gnade der niedrigen Auflösung kann manchmal ein echter Fortschritt sein.

Fernsehmakro

Bäckerlatein

Mittagspause im Büro. Jetzt ein kleiner Snack! Schön, wenn das lokale Umfeld der Arbeitsstätte geschmackliche Abwechslung auf dem Speiseplan zulässt. Aus Praxen, Kanzleien und Agenturen strömt das Officevolk, um sich mit Salaten, Süppchen, Wraps, Burgern und ähnlichen Imbissen für das weitere Tagewerk zu stärken. So auch ich. In der Auslage einer Bäckerkettenfiliale lockt appetitlich belegtes Backwerk. Warum nicht? denke ich und reihe mich ein in die vor dem Tresen wartenden Kunden. Als ich auf den Vitrinenschildern die Namen der angebotenen Snacks lese, bekomme ich Hitzewallungen.

Ich erinnere mich an auffällige kleine Schwarzweißanzeigen, die mir früher in preiswerteren Fernsehzeitungen wie z.B. Funk Uhr oder TV Hören und Sehen aufgefallen waren. Sie bewarben Mittel gegen Potenzprobleme, Durchfall, Inkontinenz und andere heikle Indispositionen. Mit einem besonderen Service für den bedürftigen Leser: einem kleinen Couponabschnitt, auf dem der Name des Therapeutikums stand. Das erspart in der Apotheke peinliche Wortwechsel und ermöglicht einen diskreten und zügigen Kauf. Ich bin dankbar, dass ich solcher Coupons niemals bedurfte, doch jetzt wäre mir eine ähnliche Einkaufshilfe willkommen. Scharfer Segler. Bäckwich Hawaii. Wikinger Pute. Die Schlange wird kürzer. Gleich bin ich an der Reihe. Gibt es denn nichts ohne albernen Namen? Auch unbelegtes Gebäck und Kuchen bieten keinen Ausweg: Zimt-Wuppi. Goldkrüstchen. Rübli. Röggli. Kornbatzen. »Ich hätte gern einen Apfeltraum?« Niemals. Bestimmt sind an den Regalen versteckte Mikrofone und Kameras. Die lachen sich tot da hinten. Jetzt bin ich dran. Ich deute mit dem Finger in die Vitrine. Ich will das nicht sagen – dann lieber als Analphabet oder Brillenvergesser dastehen: »So eins, bitte.« Klappt. Einpacken, zahlen und raus. Bäck to reality.

Ich glaube, ich geh jetzt zur Entspannung noch was Ehrliches kaufen. Irgendwas, was einfach nach sich selbst benannt ist. Holzschrauben oder Briefumschläge oder so.