Monat: Dezember 2011

Reduziert

Eigentlich hatte ich mir für den diesjährigen Dänemark-Weihnachtsurlaub vorgenommen, ein paar Blogartikel zu posten, die mir schon länger im Kopf rumschwirrten. Bis ich feststellte, dass wir in unserem Ferienhaus weder Modem noch LAN noch WLAN haben und das mobile Netz hier in der ländlichen Abgeschiedenheit unseres Domizils ein kompletter »pain in the ass« ist; mindertolle Signalstärke bei allen Providern (von G3 ganz zu schweigen), Aussetzer, Netzrücksetzungen, bah. Deshalb ist hier bis Silvester mal ein bisschen weniger los. Zum Twittern reicht’s immerhin. Ist ja auch mal ganz schön, so zwischen den Jahren.

Blogpause
Foto: © formschub

O Du fröhliche, O Du schädliche …?

Ob schon mal ein schlauer Professor die nationale oder weltweite Ökobilanz unseres alljährlichen Weihnachtsfestes ausgerechnet hat? Oder den CO2-Footprint des Weihnachtsmanns? Auch wenn Rentiere keinen Sprit verbrauchen, häufen sich die Milliarden Lichterketten, Verwandtenbesuche, Geschenkbesorgungen, Einwickelpapier- und Geschenkbandmeter, Warentransporte und Plastikverpackungen sicherlich zu einem spürbaren Peak beim alljährlichen Ressourcenverbrauch auf. Mag sein, dass sich ohne diesen Brauch das Klima etwas langsamer aufheizen würde – andererseits wäre der Dezember dann aber auch wieder allzu dunkel und kalt.

Was kann man tun? Bringt es was, Besuchsreisen nur noch mit der Bahn zu unternehmen? Ist online einkaufen ökologischer als selber (mit dem Auto) auf Einkaufstournee gehen? Sind Kartoffelsalat und Würstchen energiesparender als eine vier Stunden im Ofen braungeknusperte Gans? Müssen Weihnachtsgeschenke recycelbar sein?

Denkt Ihr in der Weihnachtszeit über Euer Umweltverhalten beim Einkaufen und Feiern nach? Oder sagt Ihr »Ach, egal, Weihnachten ist schließlich nur einmal im Jahr?« – Ich würde mich freuen, in den Kommentaren dazu von Euch etwas zu lesen.

Hier zwei Links zum Thema:
Weihnachten umweltfreundlicher
(»Umwelt im Unterricht«, Bundesumweltministerium)

Umweltfröhliche Weihnachtszeit
(NABU)

Eco_Rudolph
Illustration: © formschub

Badvertising

Eben gerade erfuhr ich via Twitter von einem Postzustellerlebnis, das mir selbst vor kurzem ganz ähnlich widerfahren ist. Der Gedankengang dahinter seitens der Absender scheint in beiden Fällen derselbe zu sein, daher versuche ich mal, ihn hier nachzuvollziehen:

  1. Eine bekannte Firma möchte (neue) Kunden für ein (neues) Produkt begeistern und beauftragt ihre Agentur, sich was einfallen zu lassen.
  2. Die Agentur denkt sich »Mailing geht immer« und entwickelt eine fancy designte, mit Werbung bedruckte Verpackung für ein billiges, im schlimmsten Fall mindernützliches »Giveaway« – etwa ein Schlüsselanhänger, ein Kuli oder gar etwas mit witzigem Bezug zum beworbenen Produkt oder der Headline, die der Agenturtexter gebiert, z. B. ein Fläschchen Tabasco für die Kamera mit den jetzt »extra scharfen« Bildern.
  3. Wichtig! Der Mailingkarton muss in versandfertigem Zustand etwas höher oder breiter sein als ein üblicher Hausbriefkastenschlitz!
  4. Das Mailing wird an tausende ausgewählte Adressen verschickt, ohne dass einer der Empfänger es bestellt hätte. Niemand rechnet also mit Post.
  5. Der Postbote scheitert bei dem Versuch, das Mailing am Zielort in den Briefkasten zu werfen. Auf den Kasten stellen? Zu riskant. Beim Nachbarn abgeben? Keine Zeit oder keiner da. Kleiner Tipp an die kreativen Agenturen: Berufstätige sind oft tagsüber nicht da.
  6. Der Postbote hinterlässt eine Benachrichtigung zur Abholung auf dem zuständigen Postamt im Briefkasten.
  7. Der Empfänger bekommt die Nachricht und wundert sich. Nicht bestellte abholpflichtige Post ist meistens entweder wertvoll oder wichtig oder beides.
  8. Er macht sich in der knappen Zeit vor, zwischen oder nach der Arbeit auf den Weg zum Postamt und muss nicht selten eine Weile anstehen, um die geheimnisvolle Sendung zu erhalten.
  9. Er erhält und öffnet den Mailingkarton. Wertloser Krempel und die Werbebotschaft eines Markenherstellers purzeln ihm entgegen.

Und nun sei zu raten, wo auf einer Skala zwischen 1 und 10 die Begeisterung des Empfängers anzusiedeln ist.

Bei mir war es die Autofirma mit den vier Ringen, die mich einen silbernen Pappkarton mit einem Minifläschchen Olivenöl von der Post abholen ließ.
Für welches Fahrzeugmodell? Keine Ahnung. Ich habe den Brief nicht gelesen.

Das Öl hab ich als Entschädigung behalten.

Bad_Idea

Vorbildfunktionsstörung

Nachdem Rainald Grebe zweifellos Horst Köhler im Kopf hatte, als er sein brillantes Lied textete, keimt in mir aktuell die Sehnsucht nach einer Variante, die besser zum derzeitigen Amtsinhaber passt. Vielleicht fallen Euch ja auch noch ein paar passende Zeilen ein.

Ich bin der Präsident.
Guten Tag, ich grüße Sie.
Ich bin der Präsident.
An mich erinnert man sich nie.

Ich bin der Präsident.
Ich mache dies und das.
Ich hab ja jetzt bald Urlaub,
das wird bestimmt ein Spaß.

Hallihallo, der Präsident.
Ich bin Moralinstanz.
Das ist ein hoher Anspruch,
doch ohne Relevanz.

Ich bin der Präsident,
ich kenne Prominente.
Die sind sehr nett, die haben Geld
und geben mir Prozente.

(…)

Praesident
Photo composing: © formschub
Original photo: © Gobierno Federal | Some rights reserved

Blickwinkel

Zitat aus einem sehr lesenswerten Blogartikel von Armin Soyka, »Über das Leben eines Heterojungen mit schwulen Eltern« (Update: leider inzwischen offline):

Männer trennen sich von ihren Frauen, outen sich und nehmen ihre Kinder mit zum neuen Partner. Schwule und lesbische Paare bekommen zusammen Kinder, ziehen sie zusammen auf. Frauen adoptieren Kinder als Einzelperson, aufwachsen tun die Kinder aber mit zwei Müttern. Und das ganze funktioniert so gut, dass es nicht einmal auffällt. Niemandem.

Via @Euphoriefetzen bei Twitter.

Love_is_Love
Photo: © Flats! | Some rights reserved

Nawwi

Es ist Abend, längst dunkel, und ich mache auf dem Nachhauseweg mit dem Auto noch einen kleinen Schlenker zur Tankstelle in der Nähe meiner Wohnung, denn ich habe morgen früh einen beruflichen Termin und wenig stresst mich mehr, als auf Wegen, die Pünktlichkeit erfordern, noch Erledigungen einplanen zu müssen. Es ist eine kleine Tankstelle, gerade mal vier Zapfsäulen werden von dem leuchtend blauen Baldachin überspannt. Beim Tanken muss ich an den Witz denken, von dem Mann, der – nach den hohen Benzinpreisen gefragt – antwortet, das sei ihm egal, er tanke sowieso immer nur für 20 Euro. Ich tanke für dreißig. … 98 … 99 … 00 – ein Tick von mir: die kleine Genugtuung, die Wunschsumme auf dem Tanksäulendisplay centgenau zu treffen.

Es ist nichts los am Bezahltresen. Als ich aus dem Tankshop zurück zu meinem Auto gehe, kommt mit energischen Schritten ein älterer, stämmiger Mann auf mich zu, Unverständliches brummelnd. Ich denke: oh nein, bitte kein Großstadtfreak und tue, als nähme ich an, er ginge nicht auf mich zu, sondern nur in meine Richtung, als er mit lauter, zu lauter Stimme fragt: »Wie komme ich denn hier zur Autobahn? Ich muss auf die Autobahn!« Autobahnen gibt es, wie auch der Ortsunkundige ahnen mag, einige in und um Hamburg, daher frage ich nach, in welche Richtung er denn wolle. »Nach Bremen! Auf die A1! Es weiß ja keiner mehr, wie man irgendwo hinkommt! Alle, die ich frage, sagen: Keine Ahnung, ich hab ja jetzt NAWWI! Alle ham nur noch NAWWI! Immer nur NAWWI! Kennt sich keiner mehr aus, alle fahrn nur noch mit NAWWI!« Ich erläutere ihm die Strecke Richtung Elbbrücken, von dort, sage ich, sollte es dann ausgeschildert sein. Er bedankt sich nicht, fragt nur »Ham Sie auch NAWWI? Ich hab noch kein NAWWI!« Ich verneine, um den Dialog durch die Erwähnung der NAWWIfähigkeit moderner Smartphones nicht über Gebühr zu verkomplizieren. Der Mann dreht sich um, er bedankt sich nicht, geht zu seinem Wagen und ruft in die Nacht »Ich hab die Schnauze voll, ich hol mir jetzt auch NAWWI! Dann fahr ich auch nur noch mit NAWWI!«

Ich hoffe, er findet seinen Weg, denke ich, als ich ins Auto steige und mich wieder in den Feierabendverkehr einfädele. Nach Hause, es ist nicht weit. Gleich habe ich mein Ziel erreicht.

Nawwi
Foto: © docpi | Some rights reserved