Paris III (Nachtrag)

Heute ist Museumstag. Passt gut zum trüben, grauen Wetter. Ohne Regen, immerhin. Nach Frühstück und Netzrecherchen bezüglich Adressen, Öffnungszeiten und Programm machen wir uns auf den Weg. A ins Musikinstrumentenmuseum der Cité de la Musique und B (ich) ins Louvre. Eigentlich interessieren mich eher moderne und zeitgenössische Kunst, aber Größe, Architektur, Bedeutung und Kollektion des Louvre sind schon eine Klasse für sich: Über 300.000 Kunstwerke aus 2.500 Jahren Kunstgeschichte, davon allein 35.000 Gemälde, auf mehr als 60.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Die gläserne Eingangspyramide. Der »Gastauftritt« als Originalschauplatz in der Verfilmung von »The Da Vinci Code«. Die Mona Lisa. Die Venus von Milo. Allez!

Innerlich schon aufs Schlangestehen gefasst, werde ich im Foyer angenehm überrascht. Nach wenigen Minuten bin ich im Besitz eines Tickets und auf dem Weg in die Ausstellungsräume. Ich lasse die gigantischen Säle, Galerien und Flure insgesamt auf mich wirken und schaue nur näher an, was mir auffällt, mich berührt oder mir schlicht gefällt. Nach rund zweieinhalb Stunden habe ich meine Dosis Kultur für diesen Tag absorbiert – und mein persönliches Lieblingsgemälde gekürt: »Magdalena-Bay, vue prise de la presqu’île des tombeaux, au nord du Spitzberg; effet d’aurore boréale« von François Auguste Biard (1789–1882). Eiskalt, blau und grausam schön.

Unsere Wiedervereinigung nach den getrennten Museumsbesuchen begießen wir im Pub »Le Frog and Rosbif« (116, Rue St. Denis) mit einem hausgebrauten Guinness-Imitat namens »Dark de Triomphe«. Schmeckt deutlich besser, als der Kalauer androht.

Der nächste Programmpunkt ist ein kleines Konzert auf einer der größten Kirchenorgeln Frankreichs in der nahegelegenen Kathedrale von St. Eustache. Der Eintritt ist frei, die Musik himmlisch, die Akustik unbezahlbar. Eine kleine Entdeckung am Rande ist ein wunderschön schlichter Seitenaltar, gestaltet von Keith Haring. Wir gehen, den Orgelklang noch im Ohr. Es ist Abend.

Sonntag ist offenbar für viele Pariser Restaurants der obligatorische Ruhetag. Daher stehen wir bei einigen empfohlenen Adressen prompt vor verschlossener Tür und erkunden das Umfeld nach Alternativen. Fündig werden wir im »Pathya« (222, Rue de Championnet), ein einladendes chinesisch-thailändisches Lokal mit einer appetitanregend umfangreichen Karte und überraschend zivilen Preisen. Die Portionen (Reis zum Hauptgericht nur auf Wunsch) sind nicht üppig, aber ausreichend, der Service freundlich und schnell, die bestellten Gerichte sind lecker und aromatisch gewürzt. Dazu ein fruchtig-runder Bordeaux – kann man nichts sagen fürs Geld. Das Dessert folgt heute mit etwas zeitlichem Abstand, eine kleine improvisierte Käseplatte aus dem Kühlschrank unseres Appartements. Dazu Sofa, Wein und Zweisamkeit. Der Ausklang dieses Kurzurlaubs.

Merci et au revoir, Paris!

Paris II (Nachtrag)

Das Schöne an Kurzurlauben ist – finde ich – dass die Zeit so schön langsam vergeht. Ausschlafen bis halb zehn, gemütlich aufstehen, Frühstück machen (Fuck All Inclusive – Selbstverpflegung rules!), ausgiebigst frühstücken, spontan den weiteren Tagesplan schmieden. Keine Hektik. Keine Termine. Kein anderes Bier.

A propos Frühstück – delikate Entdeckung: Ein vor Ort gekauftes Glas vermeintlicher Schwarzkirschkonfitüre entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein speziell zur Kombination mit Schafskäse (sic!) kreierter Fruchtaufstrich. Und rein zufällig haben wir den benannten »Tomme de Brebis« auf dem Tisch. Und probieren. Schafscamembert mit Kirschmarmelade. Klingt ein bisschen nach Notlösung bei Ebbe im Kühlschrank – schmeckt aber sen-sa-tio-nell. Iswahr.

Weiter mit der Tagesplanung: Wir entscheiden uns für einen Stadtbummel mit Zwischenstopp bei zwei der größten Pariser CD-/DVD-Shops FNAC und Virgin Megastore (Update: beide inzwischen geschlossen). Trotz der Riesenauswahl packt mich vor den DVD-Regalen ein wenig die Ernüchterung, weil fast alle Filmtitel auf französisch kaum Ähnlichkeit mit dem Originaltitel haben. So heißt z.B. »Der Weiße Hai« (OT Jaws) auf französisch »Les Dents de la Mer« (Die Zähne des Meeres). Einen bestimmten Film zu finden, ist da eher Glückssache. Da es allerdings ohnehin kaum DVDs mit deutschem Ton oder Untertiteln gibt, beschließe ich: »L’avarice, c’est chaud!« (Geiz ist geil) und kaufe nichts.

Nach einigem Fußmarsch meldet sich Durst. Unser Reiseführer überrascht mit der Information, dass auch hier in Paris ein paar englische Pubs Fuß gefasst haben. Wir kehren ein ins gemütliche »Mc Bride’s« (54, Rue St. Denis) und freuen uns, dass es den Euro gibt. Denn so hat der für je 0,5 l Cider und Guinness anfallende Betrag von 13,50 EUR wenigstens noch einen günstigen Klang.

An einem normalen Nicht-Urlaubs-Samstag wäre es nach all dem jetzt schon mindestens abends halb acht. Da es aber tatsächlich erst kurz nach fünf ist, will ich die legendäre Lebensmitteletage der Galeries Lafayette nun doch einmal mit eigenen Augen sehen. Tja. Warum bloß bin ich lediglich mit Handgepäck hier, ich Idiot? Wenigstens einen leeren kleinen Schrankkoffer hätte ich mitnehmen sollen. Gegen dieses Angebot an Spezereien aus aller Welt kommt selbst das Berliner KaDeWe nur mit Mühe an. Allein die Menge an Senfsorten übertrifft schon die Zahl der mir bekannten Würste. Contenance!

Es gelingt mir, die anbrandenden Appetitwellen auf das nahende Abendbrot umzulenken und wir begeben uns, wieder gemeinsam, ins »Pub Saint Lazare« (10, Rue du Rome). Für nur 34 EUR p.P. wird hier ein dreigängiges Menü inklusive einer halben Flasche Wein angeboten. Die einzelnen Gänge können dabei aus einer ansehnlichen Liste frei zusammengestellt werden. Ich entscheide mich für Entenleberpastete auf Brot an Feigenconfit, Entrecôte mit Roquefortsauce an Grilltomate plus Ofenkartoffel und Crème Brûlée als Dessert. Chapeau! Das komplette Menü begeistert durch feine, raffinierte Details. Das Brot ist herrlich ofenwarm und harmoniert perfekt mit dem kühlen Schmelz der Leberpastete, die Ofenkartoffeln sind mit Walnußöl benetzt und die Grilltomate ist mit einem Spritzer Estragonessig gewürzt. Das Knacken der Karamelkruste auf der samtweichen Crème Brûlée fordert die letzten Kraftreserven. Ein Espresso noch, und dann: Gute Nacht!

Paris I (Nachtrag)

Eigentlich ist heute nochmal Weihnachten. Denn eins meiner Geschenke hatte ich zwar schon ausgepackt, aber erst heute wurde es »freigeschaltet«: eine Wochenendreise nach Paris. In mäßigem, aber nicht transfergefährdendem Schneetreiben geht es nach leicht vorgezogenem Feierabend Richtung Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel. Kompakt betascht, nur mit Handgepäck, sitze ich schon wenig später eingecheckt am Gate. Geht alles so schnell: Boarding, Takeoff, ein kurzes Nickerchen mit Musik im Ohr, Landeanflug, Bustransfer zum Airportbahnhof – und schon kurz darauf werde ich mitten in der Stadt am Gare du Nord liebstens in Empfang genommen. In ähnlich rasantem Tempo verschwindet der vorangegangene Arbeitstag hinter mir. Ich bin in Paris. Wir sind in Paris.

Die Unterkunft, eine geräumige, mondän eingerichtete Stadtwohnung, liegt keine 3 Gehminuten vom Bahnhof Gare du Nord entfernt. Reinkommen und sich Zuhause fühlen sind eins. Nicht zuletzt, weil der Tisch schon gedeckt ist: mit einem köstlichen Sortiment orientalischer und asiatischer Zubereitungen aus den Schlemmervitrinen der Galeries Lafayette Gourmet. Darum auch Schluss jetzt. Mit vollem Mund bloggt man nicht.

Eh gleich emmzehquadrat

Auch wenn es allen Gesetzen der Physik widerspricht: der Wirkungsgrad des unscheinbaren eisernen Kaminofens im Ferienhaus unserer kleinen Reisegruppe muss sich nahe der Hundert-Prozent-Marke bewegen. Die wohldosiert eingelegten handelsüblichen Holzbriketts zerstrahlt er unter orangerotem Fauchen zu reiner Energie. Einstein wäre stolz auf uns. Der Nachteil: Nur gelegentliches Stoßlüften erlaubt eine lindernde Regulierung der Raumtemperatur. Ein Infrarot-Thermobild des Hauses sähe vermutlich so aus:

Thermobild

Strandgedanken

Die nachmittäglichen Spaziergänge an Heiligabend oder den nachfolgenden Tagen gehören für mich oft zu den besinnlichsten Momenten des Festes. Gestern, am ersten Weihnachtsfeiertag führte unser kleiner Wanderweg an der Nordostküste Seelands in der einsetzenden Dämmerung vorbei an einem kleinen, noch in Betrieb befindlichen Leuchtturm. Bestimmt hat er seine Bedeutung für die lokale Schiffahrt längst verloren und ist im Zeitalter von GPS und Radar kaum mehr als ein romantisches Monument für Touristen und Einwohner.

Ich beobachtete einen Moment lang im Zwielicht den bedächtig rotierenden Lichtstrahl und fragte mich, welchen Schiffen, welchen Menschen er Rettung, Hilfe und Wegweiser war. Ob es bei Sturm geschah, bei Nebel, in tiefer Nacht oder abseits des Meeres, allein durch die Kraft seiner Symbolik.

Bald verblassen die Höhen und Tiefen des vergangenen Jahres im milden Dunst der Erinnerung. Neujahr voraus! Kurs setzen. Den Blick schärfen. Für das Licht, das die Richtung vorgibt. Ahoi.

Leuchtturm