Kategorie: Außer Haus

Unterwegs in Stadt und Land, im Urlaub und auf Reisen

Hier.

Vor fast genau acht Jahren schrieb ich hier im Blog einen Artikel zum Thema »Heimat«. Darin stellte ich fest, dass ich rein geografisch kaum einen Ort aus meiner Biografie benennen könnte, der für mich einer »Heimat« entspricht. Heimat sind für mich eher Orte und Lebenssituationen, in denen ich von Menschen umgeben bin, mit denen mich Sympathie, Freundschaft oder Liebe verbinden.

Derzeit befinde ich mich im Urlaub in Schweden. Ich habe dieses Land und seine Menschen schon öfter besucht, gelegentlich verbunden mit einem oder wenigen Tagen in einer Stadt wie Stockholm, Malmö, Helsingborg oder Göteborg, aber meistens für eine oder zwei Wochen in einem Ferienhaus, möglichst etwas abgelegen und naturnah, im Wald und/oder an einem See. So ist es auch diesmal wieder, die aktuelle Unterkunft liegt in der Region Värmland an einem See in der Nähe des Ortes Sunne. Jeden Tag wandern wir hier zwischen 5 und 10 Kilometer durch Wald und Berge, der Mann und ich. Manchmal streife ich auch für eine Stunde mal alleine in der Umgebung im Wald herum, das habe ich schon als Kind in den Harzferien bei der Oma gerne gemacht. Es ist wunderbar still hier, die nächste Straße liegt 100 Meter entfernt und ist nur sehr sporadisch befahren, der Abstand zu den nächsten Nachbarn ist ähnlich großügig. Nur drei Häuser stehen hier, inklusive unserem, außerhalb einer Ortschaft, bis zum nächsten »größeren« Ort (gut 2.000 Einwohner) sind es knapp 8 Kilometer.

Ich habe schon etliche Orte bereist, einige als vorübergehendes Zuhause (als Kind mit den Eltern jeweils zwei Jahre in Algerien und Nigeria), einige während mehrwöchiger Urlaube und manche nur für Kurzreisen (zumeist Städte). Im Jahr 2012 hatte ich mal eine Google-Karte erstellt, auf der meine Reiseziele in Europa mit Pins markiert waren. Transatlantikreisen reisen habe ich seit meiner Schulzeit nur drei unternommen: 1992 nach Chicago, 1996 nach New Orleans und 1998 nach New York (beruflich, leider kaum mit Gelegenheit zur Erkundung der Stadt). Vergleichbar weite oder noch weitere Fernreisen habe ich nicht unternommen.

Es gibt kaum ein Reiseziel, das ich im Nachhinein nicht gerne besucht hätte. Es war immer neu, schön, interessant oder aufregend, woanders zu sein. Ich bin ein neugieriger Mensch und sauge neue, ungewohnte Eindrücke begeistert auf. Dazu muss ich nicht zwingend beliebte oder spektakuläre Locations aufsuchen, manchmal ist ein Bummel durch eine Markthalle, über einen Basar oder Wochenmarkt oder durch die Gänge eines großen Supermarkts an einem fremden Ort genauso spannend wie die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten. Generell meide ich Orte, an denen sich Touristen drängen, weil dort ein Panorama, ein Bauwerk oder andere pittoreske Brennpunkte zu bestaunen sind. Tausende von Menschen fahren dorthin, um in ihrer Reisechronik vermerken zu können, »dagewesen« zu sein, tausende Menschen machen von denselben Standpunkten aus dieselben Fotos, nur Variationen bei Jahreszeit, Wetter und mitgeknipsten Personen machen ihre Bilder unterscheidbar. Touristische Sehenswürdigkeiten sind die Gassenhauer der meisten Reisenden. Genauso wie z.B. in den meisten Konzerthallen der Welt jahraus, jahrein die immer gleichen Werke der immer gleichen klassischen Komponisten auf dem Programm stehen: Bach, Mozart, Beethoven, Tschaikowsky, Chopin, Vivaldi usw. Keine Frage, die genannten Künstler haben geniale Werke geschaffen und es bereitet auch Freude, sie anzuhören. Aber die Popularität ihrer Werke drängt Dutzende anderer, ebenso famoser Komponisten und Werke ins Abseits und damit in die Vergessenheit, die es verdient hätten, ebenso häufig auf den Programmen der großen Orchester zu stehen, wie etwa John Field, Wilhelm Stenhammar, Erich Wolfgang Korngold, Howard Hanson, Frederic Mompou, Frederick Delius oder George Enescu, deren Entdeckung meine eigene Musikwelt sehr bereichert hat. Und ganz ähnlich verdrängen die von Touristen überrannten Sehenswürdigkeiten als »Must Sees« viele unbekanntere Orte, Panoramen, Gebäude und Monumente und werden, wie Marlene Dietrich einmal auf sich bezogen sagte, »zu Tode fotografiert«. Ich hatte einmal den Gedanken, dass unaufhörlich oft gespielte Musikstücke überall auf der Welt mit jeder Aufführung und Wiedergabe eine Spur leiser werden sollten, ohne dass es dafür ein technisches oder physikalisches Gegenmittel gäbe – ganz so, als ob sie sich abnutzen würden. Irgendwann wären sie dann (für eine gewisse Zeit) unhörbar leise, egal ob von CD, Magnetband, MP3 oder als Live-Aufführung, so dass sich die Menschen, die Lust auf schöne klassische Musik haben, zwangsläufig mit anderen vorhandenen Werken und Komponisten befassen müssten. Analog könnten totfotografierte und überbesuchte Touristenattraktionen auf Film, Video und in digitalen Bilddateien fortwährend immer blasser und blasser abgelichtet werden, so dass man zwar hinfahren und sie live ansehen könnte, fotografieren müssten die Reisenden jedoch andere Motive. Zwar nur ein Gedankenexperiment, aber eins, das die Menschen womöglich motivieren könnte, wieder neugierig zu werden und sich selber auf die Suche nach unentdeckten schönen Dingen zu begeben, welche zwar nicht neu, aber genauso z.B. erlebenswert sind. Wer weiß.

Neugier ist einer der Haupt-Antriebe für mich, zu reisen und wann immer möglich, sind selbstbestimmte Tagesabläufe ein Muss. Ich bin kein Typ für Busreisen, Kreuzfahrten oder Reisegruppen, wo ich inmitten einer Gruppe oder gar größeren Schar Mitreisender an eine Route oder ein Verkehrsmittel gebunden bin, wo die Abläufe der Reisetage, Zeiten und Orte für Ausflüge oder Stunden-Slots für »Freizeit« oder die täglichen Mahlzeiten vorgegeben sind. Ich mag keine überfüllten Züge, Schiffe, Flugzeuge oder Hotels, sondern möchte im kleinstmöglichen Kreis mit angenehmen und »pflegeleichten« geschätzten Menschen meine Ferien verbringen. Unangenehme, aber unvermeidliche Phasen der An- und Abreise mit Schlangestehen oder Warten sowie notwendige Zeitabschnitte mit Fortbewegung oder Unterbringung inmitten größerer Menschengruppen versuche ich, auf ein Minimum zu reduzieren. Am Ziel der Reise wünsche ich mir Autonomie, Stille, Genuss und auch etwas Komfort, der nicht unbedingt »luxuriös« sein muss. Dazu genügen bequeme Betten, eine gut ausgestattete Küche zur Selbstverpflegung nebst allen Utensilien zum Zubereiten und Servieren, eine stabile und schnelle Internetverbindung und einige gemütliche Sitzecken draußen oder drinnen zum Entspannen, Filme schauen, lesen oder Musikhören. Ich möchte schlafen, so lange ich will und anschließend trotzdem noch, ohne Rücksicht auf örtliche Buffet-Öffnungszeiten, ausgiebig frühstücken können. Ich möchte selbst in Geschäften oder auf Märkten einkaufen können, dabei vielleicht lokale, mir unbekannte Köstlichkeiten entdecken und meinen täglichen Speiseplan nach Angebot und Appetit zusammenstellen. Ich möchte Tage mit Muße und Ruhe verbringen, wenn mir danach ist. Wenn ich unternehmungslustig bin, möchte ich – auch spontan – selbstgeplante Ausflüge machen und wenn ich einfach nur in der Natur wandern oder Zeit an einem (gerne wenig besuchten) Badestrand verbringen möchte, sollte auch das möglich sein, ohne auf eine vorgegebene Agenda Rücksicht nehmen zu müssen. Ich möchte selbst entscheiden, wann ich mich, z.B. bei einem Stadtausflug, in größeren Trubel und unter Menschen begebe und wann ich mich in eine ruhige und ungestörte Umgebung zurückziehen will. Luxus bedeutet für mich, mich ohne Fremdbestimmung erholen und etwas unternehmen zu können und dabei das jeweilige Maß an Geräusch und Geselligkeit selbst bestimmen zu können.

Die schon erwähnte Neugier(de) – eigentlich gefällt mir das deutsche Wort überhaupt nicht, weil da das unsympathische »Gier« drinsteckt, ich finde das englische »curiosity« viel netter – umfasst jedesmal alles, was mir am Zielort begegnet. Zwar werden die Hin- und Rückreise, die Unterkunft, eventuelle wichtige Einkaufsmöglichkeiten vor Ort und einige wenige Anlaufstellen wie ein erstes Restaurant, ggf. ein Bahnhof für Ausflüge oder, falls die Unterkuft etwas abgelegener liegt, die nächstgrößere Ortschaft vorab recherchiert, aber das meiste andere, Wochenmärkte, Ausflugsziele, Wanderrouten, Einkaufszentren, Fußgängerzonen, am liebsten erst vor Ort erkundet. Nach der Ankunft nehme ich mir möglichst bald gerne einige Stunden Zeit, um einfach ziellos in der Gegend herumzustromern, die Nachbarschaft der Unterkunft zu erkunden, egal, ob in einer Stadt oder mitten im Wald. Ich will wissen, wie sich das Urlaubsziel anfühlt, wie es aussieht, wie es riecht. Ich möchte wissen, was draußen wächst, wo die Straßen, Wege und Trampelpfade hinführen, wie die Sprache, der Dialekt oder der Akzent der Leute klingen, auch wenn ich ihre Sprache nicht oder kaum beherrsche. Ich möchte wissen, wie die Menschen aussehen, wie sie gekleidet sind, wie ihr Alltag auf der Straße abläuft, wie ihre Häuser gebaut sind, wie die Pflanzen in ihren Gärten aussehen, was auf ihren Balkons steht, was man von außen beiläufig durch die Fenster ihrer Wohnungen sehen kann. Ich beobachte den Verkehr, die Fußgänger, die Radfahrer, studiere Straßenschilder, Wegweiser, Beschriftungen und Leuchtreklamen, betrachte Werbeplakate und Schaufenster, besuche kleine und große Geschäfte und stöbere im lokalen Warensortiment. Besonders Markthallen finde ich großartig. Am beeindruckendsten waren für mich bislang die in Florenz, in Kopenhagen, in Budapest und in Malmö. Das Treiben der Marketender und Kunden, die unzähligen Lebensmittel und Delikatessen und – die Gerüche! Wie viele Düfte und Gerüche habe ich im Kopf aus Urlauben mit nach Hause genommen und werde jedesmal an den Ort ihrer Wahrnehmung zurückkatapultiert, wenn mir zu Hause irgendwo zufällig ein Anklang daran begegnet. Der Duft frisch gebackenen Fladenbrotes oder knuspriger Pizza, der leicht metallische Geruch frischen Fleisches, die Aromen von Käse, von geräuchertem Fisch oder Würsten, gerade geröstete Kaffeebohnen, Putzmittel, Parfum, Überbackenes, Kandiertes, Gebratenes, die Düfte von Schnittblumen und Gewürzen, der trockene Geruch von Kleidung, Tuchwaren und Teppichen. Ich gehe wie ein Schwamm durch die neue Umgebung und sauge alles auf, was durch meine Sinnestore passt. Nach Möglichkeit und Budget müssen die Spezialitäten all dieser Fülle natürlich auch verkostet und ausprobiert werden. Das ist Reisen für mich.

Doch trotz des immer vorhandenen Interesses für Land und Leute fühlen sich manche Orte, Reiseziele oder Urlaube für mich unterschiedlich an. In manchen Ländern bleibe ich immer der Reisende. Ich bin zu Gast und fühle mich zu Gast, ich bin Besucher, Beobachter, Zuschauer. Die Unterkunft ist perfekt, das Wetter hervorragend, alle Unternehmungen laufen nach Plan, das Essen schmeckt köstlich, die Eindrücke sind überwältigend, neu und interessant, die Landschaften und Bauwerke atemberaubend, die einheimischen Menschen sind freundlich, hilfsbereit und famose Gastgeber und doch bleibt immer eine hauchdünne Barriere zwischen mir und meiner Urlaubsumgebung spürbar. Als wäre ich in einem Zug oder einem gläsernen Fahrzeug wie dem »Papamobil« unterwegs, vieles ist und bleibt mir fremd, obwohl es mich fasziniert, mir gefällt oder mich beeindruckt. Ich nehme viel wieder mit nach Hause, habe Dutzende Fotos gemacht, schöne Erlebnisse gehabt, vortreffliche Speisen gekostet, tausend neue Dinge gesehen, bin netten Menschen begegnet und doch bleibt es eine Reise, von der ich wieder »nach Hause« zurückkehre.

In Skandinavien und insbesondere in Schweden ist das etwas anders. Wenn ich hier bin, habe ich das Gefühl, ich sei bereits vor meinem allerersten Besuch schon einmal hier gewesen und auch, als wäre ich den Menschen hier auf seltsame Weise verbunden. Wenn ich alleine durch den Wald gehe, ist es zwar still, aber ich höre die Bäume und Felsen flüstern »willkommen zurück!«. Auch der Wind, der durch die Bäume streicht oder das Rauschen eines kleinen Waldbaches sagen »da bist du ja wieder!«. Ich fühle mich nicht wie in einem fremden Land, sondern wie in einem Ur-Zuhause, wandere nicht als Beschauer umher, sondern bin an einem Ort angekommen, der sich anfühlt, als gehörte ich dorthin. Es fühlt sich an wie ein Einrasten, als spürte ich ein »Klick« und fügte mich an einem Platz ein, der genau der richtige für mich ist.

Mich würde interessieren, ob das nur mir so geht oder ob auch andere an manchen Orten, egal ob im Ausland oder in »ihrem« Inland, ein ähnliches Gefühl oder vergleichbare Unterschiede bei der Wahrnehmung ihrer Reiseziele haben.

Nächstes Jahr, wenn nichts dazwischen kommt, Schweden, komme ich wieder.

Ferien in Sagrotan

Eine schöne Urlaubswoche in Schweden liegt hinter mir und ich werde nachträglich auch bestimmt dazu noch etwas bloggen. Es ist jedesmal eine Wohltat, weit weg vom Großstadtlärm, nah an der Natur, zwischen Seen, Bergen und inmitten unfassbar weiter Wälder dieses Land zu bereisen. Entsprechend haben der Mann und ich auch von unserem einsam gelegenen Ferienhaus in der Provinz Värmlands län zahlreiche Ausflüge zu Wanderungen durch die schöne Landschaft unternommen.

Im Urlaub bin ich der Chauffeur. Da ich selbst kein eigenes Auto mehr besitze, hält mich das in Übung, ich mache es gerne und der Mann kann mich lotsen und die Fahrten genießen. Win-win. Auf einer der Touren fuhren wir an einem der typischen blau-weißen Wegweiserschilder vorbei, auf dem ich auf den ersten Blick den Ortsnamen SAGROTAN zu lesen glaubte. Tatsächlich hieß es jedoch SEGOLTAN, wie sich an der nächsten Abzweigung erwies. Witzig, ein Ort der heißt wie ein Putzmittel, dachte ich und ging in Gedanken andere Markennamen in diesem Segment durch, um zu schauen, ob es in Schweden noch weiteres Potenzial für solcherlei Verwechslungen gäbe. Und tatsächlich, etliche reale Produkte aus deutschen Drogeriemärkten könnten ohne weiteres schwedische Orte bezeichnen. Und umgekehrt habe ich allein in einer Liste aller Dörfer und Städte in Värmlands län spontan fast fünfzig Ortsnamen ausmachen können, nach denen man durchaus werbewirksam neue Putz- oder Reinigungsmittel benennen könnte. Faszinierend.

Vielleicht ist das auch ein Grund, warum es hier überall so schön sauber aussieht.

  • ALMAR
  • ASP
  • BLAXMO
  • FJALL
  • FORS
  • GAMBOL
  • GATAN
  • GRAV
  • HVISSLE
  • JONSONA
  • KARR
  • KIL
  • KLAXAS
  • KOLSTAN
  • LAXVIK
  • LERHOL
  • LIAN
  • LOVAS
  • MALMA
  • MYRA
  • NAST
  • NEVA
  • OBYN
  • PARSBOL
  • RADA
  • RAXED
  • RINNA
  • RULLAN
  • SALLOM
  • SAXAN
  • SEGOLTAN
  • SKAL
  • SMADAL
  • SNARKIL
  • SOLLOM
  • SORBY
  • SULVIK
  • TAPPAN
  • TJARN
  • TORP
  • TORTAN
  • TVETA
  • UPRAN
  • VANG
  • VIK
Hintergrundbild von Bara Karall auf Pixabay

Gradwanderung

Es ist Sommer und ich leide. Mir ist es zu heiß und mir ist es zu schwül. Seit ich mich erinnern kann, ist eher der Frühling meine liebste Jahreszeit, schon vor der Zunahme von »Rekordsommern«. Vielleicht liegt es daran, dass ich an der Schwelle zum Frühling, Anfang März, Geburtstag habe und in den ersten 2–3 Monaten meines Daseins auf der Erde auch mein Wohlfühlthermometer geeicht wurde. Das erschiene mir einleuchtender als irgendwelche Prägungen, die mit Sternenkonstellationen zu tun haben sollen. Ich liebe Temperaturen zwischen 19 und 25 °C, dazu ein paar schattenspendende Schäfchenwolken am Himmel und eine leichte Brise. Schweden kriegt so ein Wetter selbst im Sommer oft noch ziemlich gut hin, deshalb mache ich da vermutlich so gerne Urlaub.

Ich erinnere mich sogar noch an ein paar Zeilen aus einem Kinderbuch, das ich wegen der übersprudelnd fantastischen Geschichten darin bis heute aufgehoben habe. Ähnlich wie in den Büchern von J. R. R. Tolkien erlebt in diesem Buch eine Truppe von Gefährten auf einem langen Weg viele märchenhafte Abenteuer. Ein Mitglied der Gruppe ist ein Wassermann, der sich von den Mitstreitern überreden ließ, seinen Teich zu verlassen und mitzuziehen. Als die Abenteurer auf einem Stück des Weges unter großer Hitze leiden, überlegt der Wassermann, obgleich er von seinen Freunden fortwährend mit Wasser besprenkelt wird, die Mission aufzugeben:

Der Wassermann jammerte: »Das halte ich nicht aus! Ich muss umkehren. Ich will zurück in meinen Teich!« – »Aber Wassermann«, meinte ich, »denkst du denn gar nicht an das arme Mondschaf?« – »Ich kann nicht mehr denken«, blubberte er. »Wenn ich schwitzen muss, schlägt mein Gehirn Blasen!«

(Wolf Dieter von Tippelskirch: »Jeremias Schrumpelhut erzählt – Die Reise zum Stern Traumatia«)

Bestimmt habe ich mir diesen Absatz gemerkt, weil ich schon im Alter von 8 oder 9 allzu heißem Wetter nichts abgewinnen konnte. Ich erinnere mich, dass ich eine ziemliche »Wasserratte« war und mich im kühlen Schwimmbadwasser eher wohlfühlte als an Sandstränden, auf Liegewiesen oder glühenden Spielplätzen. Oft blieb ich auch im Sommer einfach drin (einige Jahre lang hatte ich ein riesiges Kinderzimmer im Keller unseres Mietshauses, das auch im Sommer wunderbar kühl blieb) und musste mir dann anhören, ich sei ein »Stubenhocker« und solle doch mal »an die frische Luft gehen«, dabei war die überhaupt nicht frisch. Erwachsene sagen auch nicht immer die Wahrheit, das wurde mir in den Sommern meiner Kindheit klar.

Ich muss einkaufen gehen, der Kühlschrank braucht neuen Content. Ich würde gern Fahrrad fahren, aber dann zerflösse ich endgültig. Ich schwitze relativ schnell, leider. Im Sommer gibt es für Menschen, die leicht schwitzen, eigentlich nur eine tragbare Klamottenfarbe: schwarz. Weiß geht gar nicht, das schmiegt sich in den nassgeschwitzten Zonen sofort eng an die Haut und man sieht das Epidemisrosa in klebrigen Inseln durchs trockene Textil schimmern. Farben wie Orange, Blau, Violett, Grün, Grau, Rot oder Rosa – abgesehen davon, dass mir die meisten davon nicht stehen – werden in den durchfeuchteten Transpirationszonen sofort markant abgedunkelt und man läuft mit weithin sichtbaren, tellergroßen Hitzeflecken unter den Armen, an Bauch und Rücken durch die Welt. Schwarz absorbiert die Feuchte, ändert dabei nur minimal die Farbe und lässt nichts durchscheinen. Nur nach längerer Anstrengung und anschließender Trocknung entstehen manchmal helle Streifen getrockneter Elektrolyte an einigen Stellen. Salzränder. Wie bei einem Margarita. Ein kleiner weiterer Nachteil: Schwarz wird in der Sonne noch eine Idee heißer als hellere Farben. Aber das ist irgendwann egal, genauso wie es egal ist, ob man sich an einer Tasse Tee mit 62 °C oder 65 °C die Zunge verbrennt.

Auf dem Weg durch die aufgeheizten Straßen fallen mir an mehreren Stellen auf dem Asphalt bei Lindenbäumen bemerkenswert große dunkle Flecken unter deren Baumkronen auf. Dass Linden im Sommer herumkleckern, ist mir geläufig, ich bewohnte 4 Jahre lang eine Wohnung, deren estrichbeschichteter Balkon unter einen Lindenbaum ragte. Dieser sorgte mit seinen Absonderungen im Sommer für ein pappiges Gehgefühl auf dem Balkonboden und versah alle dort abgestellten Dinge, wie etwa Klappstühle, mit einer klebrigen Glasur (als effektives Hausmittel zu deren Entfernung stellte sich übrigens, nach langen und ausführlichen Testreihen, ein Backofenspray mit dem Inhaltsstoff 2-Aminoethanol heraus). Aber in diesem Sommer scheinen die Linden geradezu vor Zuckersaft zu triefen, an manchen Stellen glänzte der Gehweg unter ihnen, die Schicht schien millimeterdick, als hätte jemand eine Flasche Sirup vergossen. Dank Internet lernte ich, dass Linden nicht selbsttätig tropfen, sondern dass die zuckerhaltigen Ausscheidungen einer auf Linden spezialisierten Läusepopulation dafür verantwortlich sind. Ist 2023 also ein Läusejahr? Es ist ja auch schon ein Orcajahr, und – wie mir letzte Woche an der Ostseeküste auffiel – offenbar auch ein Greifvogeljahr. Vielleicht sind manche vermeintlichen Häufungen aber auch nur gefühlt. In Zeiten des sich immer weiter manifestierenden Klimawandels mit seinen jährlich neu eskalierenden Anomalien guckt man womöglich ja auch genauer hin, hat feinere Antennen, eine geschärfte Aufmerksamkeit. Nicht normal ist das neue normal, man droht sich daran zu gewöhnen. Nicht schön.

Die Pflanzen auf den Grünstreifen neben Straße und Gehweg lassen welk Stängel und Blätter hängen. Mehr Vegetation in den Städten könne im Sommer an heißen Tagen die Temperatur merklich senken, liest man. Flächen sollten entsiegelt, von Beton und Asphalt befreit und üppig begrünt werden. Ich fände das wunderbar, allein optisch. Aber gleichzeitig vermelden die Nachrichten auch Dürren, Wassermangel und ausbleibende Niederschläge allerorten. Da kommt die Frage auf, ob und wie die zusätzlichen Stadtpflanzen in den dräuenden immer heißeren und trockeneren Jahren bewässert werden sollen, wenn die vorhandenen Gewächse derzeit schon dürsten.

Auch ich dehydriere allmählich auf meinem Weg. Ich hätte eine Wasserflasche mitnehmen sollen, bereits der mäßig weite Weg zum gewählten Supermarkt erweist sich als Durststrecke. Im Laden kaufe ich mir ergänzend zu den notierten Einkäufen ein isotonisches Sportgetränk. An heißen Sommertagen ist auch Gehen Sport.

Mit Blick aufs Thermometer ist es dieser Tage eigentlich noch gar nicht übermäßig heiß. 28 °C in Hamburg, sagt die Wetter-App. Der Hochsommer liegt noch vor uns, es könnten Tage mit 30, 34, 36 °C bevorstehen. Da fällt mir ein weiterer Textausschnitt ein, der mir im Kopf hängengeblieben ist – aus einer Satire des wunderbaren Ephraim Kishon:

Ich weiß nicht, auf welchem Breitengrad unsere Wohnung liegt. Es kann nicht sehr weit vom Äquator sein. Im Schlafzimmer haben wir 42 Grad gemessen, an der Nordwand unserer schattigen Küche 48 Grad. Um Mitternacht.
Seit den frühen Morgenstunden liege ich da, bäuchlings, die Gliedmaßen von mir gestreckt, wie ein verendendes Tier. Nur dass verendende Tiere kein weißes Schreibpapier vor sich haben, auf das sie etwas schreiben und mit ihrem Namen zeichnen sollen. Ich, leider, soll. Aber wie soll ich? Um den Kugelschreiber aufzuheben, müsste ich mich hinunterbeugen, in einem Winkel von 45° (45 Grad!), und dann würde der auf meinem Hinterkopf ruhende Eisbeutel zu Boden fallen, und das wäre das Ende.

(Ephraim Kishon: »Hitze«)

Meine Strategie gegen Hitze in der Wohnung – soweit die tageszeitlichen Schwankungen Außentemperatur das zulassen – ist, möglichst nur nachts zu lüften. Gegen Mitternacht reiße ich alle Fenster und Türen auf – außer der Wohnungstür natürlich – und lasse den linden Nachthauch durch meine Klause strömen. Morgens zwischen 7 und 8 wird dann wieder alles verrammelt, auf der Sonnenseite zuerst, auf der Schattenseite warte ich gern noch ein bisschen. Es gibt etliche Tipps und Tricks im Netz, wie sich eine sommerheiße Wohnung mit »Life Hacks« runtertemperieren lassen soll, viele davon nutzen das Prinzip der Verdunstungskühle. Man kann z.B. nasse Handtücher vor den Ventilator hängen und ihn dagegenblasen lassen. Das mag tatsächlich einen gewissen Temperaturabfall erzielen, aber ich frage mich, was passieren würde, wenn ich das den ganzen Tag und vielleicht auch nachts machte? Die viele Feuchtigkeit, die da verdunstet, bliebe ja in der Wohnung. Was nützte es mir, wenn ich vier, fünf Grad Abkühlung erziele, doch dafür wellten sich die Seiten meiner Bücher im Regal, die Tapete löste sich ab, Holzmöbel quöllen auf, Schimmel eroberte Winkel und Ecken? Ich bin ein bisschen skeptisch.

Letzte Nacht gab es ein Gewitter in Hamburg, das war schön. Endlich mal länger als nur drei Minuten Regen, der sich ansammelt, anstatt sofort zu verdampfen und die Luft lediglich in ein atembares Heißgetränk zu verwandeln. Die Kühle hielt bis in den Morgen hinein an, ich wertschätze das. Überhaupt fühlt sich Sommer tagsüber und nachts, selbst bei annähernd gleich warmer Luft, für mich komplett anders an, erst recht in einer großen Stadt wie Hamburg. Wenn die emsigen Geräusche des Tages verstummen, kaum noch Autos und Fußgänger unterwegs sind, die Sonne untergegangen ist, in der Nachbarschaft überall die dunklen oder noch beleuchteten Fenster und Balkontüren weit offenstehen, nur ab und zu ein Lufthauch das Laub der Straßenbäume zum Rascheln bringt oder die nächtliche Stille ab und zu von fern durch ein Martinshorn oder das Rumpeln einer Hochbahn durchbrochen wird, hat eine Stadt im Sommer eine ganz besondere Atmosphäre. Kupferfarbene Zeitlupe. Ein früher Song der Eurythmics ist für mich seit einer Reise nach Chicago, als ich einmal mitten in der Nacht in der Maihitze auf dem Hotelbalkon diese Nachtstimmung einsog, deren perfekte musikalische Inkarnation:

Vorhin hatte ich ja gemutmaßt, meine persönliche Temperaturpräferenz könne mit der Jahreszeit meiner Geburt korrelieren. Aber in meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es auch Gegenbeispiele. Eine ehemalige Kollegin, der es im Sommer nie warm genug sein konnte und die quasi gleich nach der ersten sonnigen Mittagspause eines Jahres braungebrannt wieder zurück ins Büro kam, hat Anfang Januar Geburtstag. Ein anderer Freund, der den Sommer und die Hitze liebt, ist im Mai geboren. Ein Kollege, der kurz oberhalb normaler Zimmertemperatur zu zerfließen beginnt, erblickte das Licht der Welt Anfang Juni. Kann also nicht sein. Sind es die Gene? Ist die Darmflora schuld? Gerne läse ich dazu von Indizien und weiteren Vermutungen in den Kommentaren. Von Max Goldt gibt es einen Text, der den Missmut der Thermophoben über alle Sternzeichen hinweg ganz gut in Worte fasst:

Viele Menschen hassen den Sommer. Doch niemand ist verpönter als einer, der den Mut besitzt, sich und andern einzugestehen, dass er dem Sommer nicht nur für sich persönlich keine gute Seite abgewinnen kann, sondern ihn regelrecht hasst und ihm den Vorwurf macht, an Übellaunigkeit und Antriebsschwäche schuld zu sein.
Dabei hat auch der Sommer durchaus schöne Tage, an denen es nur 15 Grad hat, ein freundlicher Wind die Windjacken wölbt und der Himmel die durstige Schöpfung labt. Doch dann wird gemault und gejammert, und die Medien überbieten einander mit langweiligen, leutseligen Wetterbedauerungen.
Doch freilich sind’s die heißen Tage, die uns Sommerverächtern am meisten auf die Nerven gehen. Sofort reißen sich die Leute die Kleider vom Leibe und finden es offenbar völlig normal, in Unterwäsche Kunden zu bedienen, Kinder zu unterrichten oder Kirchen zu besichtigen.

(Max Goldt: »Der Sommerverächter«)

Die steigenden Temperaturen führen auch dazu, dass ich eine Abneigung entwickele, Wärme absondernde Haushaltsgeräte in Betrieb zu nehmen. Gern äße ich eine Scheibe Toast zum Frühstück, aber die glühenden Drähte im Brotschacht knuspern ja nicht bloß die Brotscheibe rösch, sondern heizen daneben auch die Küche mit auf. Pinienkerne für Pesto im Backofen rösten? Inakzeptabel. Irgendwas auf einer Herdplatte kochen oder braten? Abwegig. Staubsaugen und sich die Abwärme in die Bude föhnen lassen? Schauderhaft. Den Geschirrspüler einschalten und beim Öffnen der Klappe, selbst nach Stunden noch, von einem warmen Dunstschwall umfangen werden? Unerquicklich. Gibt es schon den Begriff »Sommerverwahrlosung«?

Aber ich will auch nicht nur klagen, der Sommer hat schließlich immer noch auch ein paar schönen Seiten, trotz Klimawandel. Es gibt lecker heimisches frisches Obst und viel saisonales Gemüse, es blüht und grünt überall (sofern genug Regen fiel), man kann Eis essen und baden gehen, picknicken und im Schatten einer Kastanie im Biergarten oder auf dem Balkon sitzen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, wenn ich über den Sommer klage, wird es für die Dauer meiner Tirade ein kleines bisschen kühler. Vielleicht senken ja nicht nur nasse Handtücher vor dem Ventilator die Temperatur in der Wohnung, sondern auch ein bisschen Hitzejammern.


Wie kommt Ihr mit Hitzetagen klar? Was glaubt Ihr, wodurch Eure Präferenz geprägt wurde? Was sind Eure »Life-Hacks«, wenn Ihr Linderung sucht? Welche Texte oder Musikstücke assoziiert Ihr mit extrem heißen Tagen? Ich freue mich über Kommentare.

Eine Woche in Stralsund

Seit einigen Jahren hat sich in der jährlichen Reiseplanung des hiesigen »Haushalts« eine schöne Gepflogenheit herausgebildet: Schon seit 2016 zog es uns bisweilen Anfang/Mitte Juni nach Stralsund, um einzelnen Konzerten der »Greifswalder Bachwoche« beizuwohnen (Mit übrigens wirklich interessanten Ideen abseits des klassischen Mainstreams, in diesem Jahr z.B. ein Konzert mit Synthesizer und Theremin in einer Dorfkirche [S. 29 im PDF des Programmhefts] und eine Aufführung mit Breakdance zu Bachs »Wohltemperiertem Klavier« [S. 55 im PDF des Programmhefts]! Beides passte aber leider nicht mehr in die diesjährige Unternehmungsplanung.). Nachdem der Mann und ich im Juni 2019 dann hier in der Nähe auf einem Aussichtsturm standesamtlich geheiratet haben, kommen wir nach Möglichkeit jedes Jahr her, um neben dem Musikgenuss diesen Jahrestag zu feiern – und Geburtstag hat der Mann einen Tag zuvor auch noch.

Dieses Jahr war es wieder soweit. Eine Woche Stralsund bei schönem, wenn auch für die Natur deutlich zu trockenen Wetter und viel Zeit für Wanderungen, Ausflüge und Schlemmereien in der Umgebung der Hansestadt und auf Rügen.

Am Samstag reisten wir an und holten abends noch die vorher reservierten Fahrräder ab. Das Rad ist zu dieser Jahreszeit und angesichts vieler sehr gut ausgebauter Radrouten in der Gegend die absolut beste Art, sich fortzubewegen. Am Abend machten wir dann nur einen kleinen Ausflug an den Hafen, um dort – nach einem Bier-Aperitif im Braugasthaus »Dolden Mädel« – im italienischen Restaurant »Bellini« das Abendessen zu genießen. Ich freute mich, als ich eine Vorspeise, die ich noch aus dem letzten Jahr kannte, immer noch auf der Karte wiederfand: eine Cremige kühle Burrata mit einem warmen Cherrytomaten-Vanille-Ragout. Das hatte mir 2022 so gut geschmeckt, dass ich schon letztes Jahr das Gericht in »Kitchen Impossible«-Manier versucht habe, daheim nachzukochen. Sehr gelungen, wie ich finde, das Rezept steht auch hier im Blog.

Am Sonntag nach dem späten Frühstück holten wir unsere damalige Trauzeugin vom Bahnhof in Stralsund ab, sie ist Musikerin und sollte am Montag das Eröffnungskonzert der Bachwoche spielen. Nachmittags, während sie noch einmal fleißig übte, machten wir zu zweit eine kleine lokale Wanderung (mit einigen Sackgassen, die im Widerspruch zum Wegenetz der zuvor geplanten Komoot-Wanderroute standen) und probierten am Abend gemeinsam das im Netz zwar gut bewertete, aber im Vergleich mit bisher erlebten Highlights eher durchschnittliche orientalische Lokal »Shammaas Küche« aus. Schmeckte alles gut, aber reichte nicht an z.B. Shady (Leipzig), Qadmous (Berlin) oder Fardi (Hamburg) heran.

Am Montag musste ich vormittags einige Stunden im »Ostsee-Homeoffice« arbeiten, während sich am frühen Nachmittag Künstlerin und Mann schon zum Konzertort aufmachten. Ich fuhr, nach einigen Besorgungen in der Stralsunder Innenstadt, mit dem Zug hinterher (»Praise the Lord for the 49-Euro-Ticket!«) um ebenfalls das zarte, schöne Konzert zu genießen. Nach dem Konzert und der Rückfahrt in die Unterkunft, eine hübsche private Ferienwohnung nahe am Wasser des Sunds, ließen wir uns dann abends zu dritt Bier und Dinner im »Dolden Mädel« schmecken.

Am Dienstag mussten wir uns schon wieder von der Musikerfreundin verabschieden (Termine, Termine …). Für den Nachmittag war dann tatsächlich mal wieder eine etwas längere Wanderung (Komoot-Link) angesetzt: Vom Parkplatz der Rügener Insel-Brauerei (nicht ohne Hintergedanke der Ausgangspunkt der Tour) wanderten wir im Bogen über den kleinen Ort Grabitz bis an die Küste zum Kubitzer Bodden und im Bogen wieder zurück zur Brauerei, wo uns eine hopfige Erfrischung belohnte. Aus Geburtstagsgründen war die Einkehr zum Abendessen heute deutlich feiner: im Restaurant »Zum Scheele« des Stralsunder Hotels Scheelehof genossen wir köstliche »Sterneküche ohne Sterne«, denn der Koch des Lokals hat dem Stress der Verteidigung seiner früheren Sterne entsagt und kocht nun einfach genausogut und ohne diese Auszeichnung weiter. So schmeckt Work-Life-Balance!

Am Mittwoch wollten wir dann mal die Räder so richtig ausnutzen und so plante der Mann eine Tour, die wir im Sattel sitzend zurücklegen konnten. Es begann am Stralsunder Fährhafen, von wo wir mit den Rädern nach Altefähr auf Rügen übersetzten und dann ab dort einer schönen 28 km langen Rundroute folgten (Komoot-Link). Nach einer Zwischenstation bei der Insel-Brauerei (schon wieder!), wo im benachbarten Hofladen frischer Räucherfisch fürs Abendessen – das heute mal in der Unterkunft serviert werden sollte – besorgt wurde, radelten wir weiter, vervollständigten die Verpflegung mit Möhren und Ingwer für eine asiatisch aromatisierte Gemüsebeilage und machten es uns den Rest des Abends dann »inhouse« gemütlich. (Seit der Ankunft hier war eine abendliche Folge »Picard« täglicher Teil des Abendprogramms; die dritte Staffel hat m.E. gegenüber den ersten beiden deutlich an Spannung und Tempo zugelegt und bietet erhebliches Binge-Potenzial.)

Update: Ich hatte ganz vergessen, dass wir es am Mittwoch morgen wagten, am nahegelegenen Sund-Badestrand das »Anbaden 2023« zu vollziehen. Das Wasser war frisch, nicht zu kalt und wenn man erst einmal drin und abgekühlt war, fühlte es sich sehr angenehm an. Das Gefälle ins Meer hinein ist an diesem Stand sehr moderat, so dass man noch gut 100 m vom Strand entfernt gerade mal hüfthoch im Wasser steht. Als ich mit Schwimmbewegungen begann, spürte ich zwischen den Fingern plötzlich kleine götterspeisige Klümpchen hindurchgleiten und als ich mich aufrichtete und von oben ins Wasser sah, bemerkte ich Hunderte kleiner, etwa walnussgroßer Quallen mit dünnem violettem Ornament auf der Oberseite, die im Wasser umherschwammen. Da sie aber offensichtlich nicht nesselten, denn bei einer Berührung war nichts zu spüren, schwamm ich einfach weiter umher. Interessanterweise waren sie dann am Donnerstag und Freitag wieder komplett aus dieser Badezone verschwunden.

Der heute etwas kürzere Ausflug am Donnerstag Nachmittag führte zur Südspitze der Insel Rügen, dem »Palmer Ort« in der Nähe des Ortes Zudar. Auf sandigem Grund und durch von Kiefern dominierte Wälder ging der Hinweg, am kiesigen Strand der fast brandungslosen Küste entlang, lag dann der Rückweg (Komoot-Link). Während der Wanderung kam, nach einer eher bewölkten ersten Tageshälfte, die Sonne noch einmal überraschend zum Vorschein, so dass wir streckenweise möglichst im Schatten der Bäume zu bleiben versuchten. Sonnenwärme macht bekanntlich durstig, und so musste natürlich die Insel-Brauerei nochmals als Erfrischungsort herhalten. Nach der Rückfahrt stiegen wir um aufs Rad und fuhren zum Hafenlokal »Fischermänns«, wo die Wahl zum Abendessen auf eine Portion »Fish & Chips« und eine sehr schmackhafte Currywurst fiel. Schon auf dem Hinweg zum Restaurant spürte ich einige vereinzelte Regentropfen auf meiner Haut und tatsächlich sah man auf dem Regenradar – endlich einmal! – ein mäßig großes Regengebiet heranziehen. Die Rückfahrt vom Lokal zur Unterkunft verlief noch annähernd trocken bei ganz leichtem Tröpfeln, aber später »zu Hause« war deutlich das Klopfen des Regens auf den Fensterscheiben zu hören. Die Natur brauchte es dringend, von mir aus hätte es die Nacht durchregnen können.

Am Freitag war während der Wandertour ein eingebettetes Bad im Meer nach etwa 2/3 der Strecke vorgesehen. Während der Stralsund-Tour vor einem Jahr hatten wir in der Nähe des Ortes Lauterbach mitten im Wald am Meeresufer einen wunderschönen kleinen, feinsandigen, versteckten Badestrand entdeckt. Bei dem schönen Wetter heute schrie das förmlich nach einer Wiederholung. Also wurden Badehosen und Handtücher in den Rucksack gepackt und los ging’s. Der Weg durch den Wald war fast noch schöner als im letzten Jahr, man merkte, dass die letzten Monate mit mehr Niederschlag als 2022 gesegnet waren, Bäume und Vegetation am Waldboden waren üppiger und grüner. Doch als wir an dem Strändchen ankamen, war die Enttäuschung groß: Das Wasser und der Strand waren voll mit glitschigen braunen Algen, der komplette Gegensatz zum klaren sauberen Zustand von vor einem Jahr. Dort, wo sich die Algen in dicker Schicht an Land türmten, waren sie bereits in Fäulnis übergegangen und stanken, im Wasser waberten sie auf einem ca. 75 m breiten Streifen im Wasser, man konnte dazwischen kaum auf den Grund sehen. Sehr schade! Die Badepause musste somit entfallen und wir setzten unseren Rundweg weiter bis zum Ausgangspunkt fort.

Nach dem obligatorischen »Bierstopp« an der Inselbrauerei fuhren wir zurück zur Unterkunft, wechselten zur Badehose, stiegen aufs Rad und holten das Bad im Meer einfach an der algen- und quallenlosen Badestelle quasi vor der Haustür nach. Dann kurz zurück, geduscht, stadtfein gemacht und zum »Abschiedsessen« an den Bootshafen geradelt. Ziel heute: das feine Restaurant »Lara« direkt gegenüber dem Ozeaneum. Die Speisekarte ist frisch und regional und wird so spontan nach Marktlage erstellt, dass sie nicht im Internet einsehbar ist. Enttäuscht wurden wir dort aber bislang noch nie – und so war es auch diesmal. Nach einem Körbchen mit hausgebackenem Brot und einigen kross frittierten Blumenkohlnuggets mit einem Klecks fein gewürzter Mayonnaise als Küchengruß genoss ich als Vorspeise gebratete Jakobsmuscheln auf Mandel-Knoblauch-Schaum mit marinierten Pfirsichstückchen und als Hauptgericht ein zart-rustikales gebratenes Kotelett vom Duroc-Schwein mit Chorizo-Kartoffelstampf und grünen Bohnen. Als der Kellner abräumte und fragte, ob es geschmeckt habe, antwortete ich »Duroc’n’Roll!« und man sah ihm an, wie sehr ihm dieses Lob gefiel.

Zurück in der Unterkunft musste dann vor der abendlichen »Hygge« noch die Abfahrt am Samstag vorbereitet werden: Aufräumen, zusammensuchen, sortieren, einpacken. Bei einem Glas Wein streamte dann vor dem Schlafengehen noch eine (die vorletzte!) Folge »Picard«, dann war der letzte Tag vorüber. Morgen früh um 10 Uhr folgt erstmal die Rückreise nach Berlin und am Montag für mich dann die Heimkehr nach Hamburg.

Mach’s gut, Stralsund, bis nächstes Jahr!

Vollgesogen

Das war sie nun, die re:publica 2023. Auf Twitter schrieb ich gestern:

Und so ist es. Es war Reizüberflutung, aber im bestmöglichen Sinne. Natürlich war auch das Trendthema »KI«, bzw. »AI« allgegenwärtig. Der Unterschied zu den überall hochsprudelnden Medienberichten und Postings im Netz, den ich auf der re:publica wahrnahm, war jedoch, dass das Thema, seine Auswirkungen und Teilaspekte von kompetenten Speakern mit sachlicher Distanz erläutert, beleuchtet, hinterfragt und diskutiert wurden. Weniger »parroting« und weniger »AI-Groupies«, dafür mehr Fakten und mehr Expertentum. Sehr angenehm.

Edit: Ach ja – ein sehr schönes Treffen mit »Netzmenschen« habe ich vor lauter geballten Sinneseindrücken fast vergessen, zu erwähnen: der re:publica-Besucher und Twitter-/Mastodon-Kontakt @grindcrank regte ein Instanztreffen für die kleine, feine Mastodon-Instanz fnordon.de an, bei der ich seit November 2022, für die Zeit »nach Twitter«, ebenfalls Unterschlupf gefunden habe. Am Treffpunkt, dem Strand des Festivalgeländes, fanden sich dann bei schönem, aber nicht zu sonnigem Wetter tatsächlich drei (!) Leutchen ein: außer mir und dem Initiator war noch @naturopath mit von der Partie. Es war wieder mal spannend, die Leute hinter dem Display kennenzulernen und so war die Stunde mit dem perlenden Plausch dann auch ausgesprochen kurzweilig (Ein Selfie davon gibt es übrigens auch).

Und auch wie 2022 war ich sehr angetan von dem visuellen Konzept der re:publica, das sich durch alle Medien, die Website, Bühnenveranstaltungen, Präsentationen und Postings zieht. Passend zum Leitthema »CASH« wurden grelle »Supermarkt-Plakatfarben« gewählt, dazu passend ein fetter serifenloser Display-Font und ein saftiger, dynamischer Marker-Font. Auf der Bühne stehen Warenkörbe, Palettenwagen und Kunststoffcontainer als Dekoration, die Visuals arbeiten mit Wiederholungen, auffälligen Störern und dem ultimativen Kontrast zwischen »Neonbunt« und »Schwarz«. Sehr gelungen!

Inzwischen weiß ich auch – dank der im Programm angesetzten Fragestunde mit den Organisatoren –, dass das Design von re:publica-Mitgründerin Tanja Haeusler in Zusammenarbeit mit der Berliner Agentur fertig design konzipiert und umgesetzt wird (und bin als Grafik-Designer ein bisschen neidisch auf so ein famoses 360°-Projekt). 😉

Wie der Marker-Font heißt, habe ich inzwischen schon herausgefunden: er nennt sich »Walmer Marker« und stammt von der finnischen Type Foundry »Typolar« des Designers Jarno Lukkarila. Auf der Website des Büros kann man die schöne Story zur Entstehung dieser interessanten Schrift nachlesen.

Wie die fette Plakatschrift (im nachfolgenden Bild rechts, über den Störern) heißt, habe ich bislang nicht herausgefunden, aber ich editiere das hier nach, falls es mir noch gelingt – oder vielleicht (er)kennt ja ein hiesiger Blogleser den Font? Die Formen sowohl des kleinen als auch des großen »Y« (siehe in »Ryanair«) sind darin sehr charakteristisch.

Wenn mich Freunde fragen, denen der Name re:publica nichts sagt, was das denn für eine Konferenz sei, sage ich »Es ist eine ALLES-Konferenz«, denn fast jeder gesellschaftliche Aspekt fand sich – wie schon im letzten Jahr – an den drei Veranstaltungstagen in dem einen oder anderen Panel wieder.

Meine drei Highlights 2023 waren:

  • »I’m sorry HAL, I won’t let you do that.« mit @tante
  • »Generative KI – schöne neue Welt?« mit Björn Ommer
  • »Wollt Ihr ewig leben? Vom Fluch der Unsterblichkeit und Segen der Biotechnologie« mit Thomas Ramge

Es war wieder inspirierend, spannend, lehrreich, interessant, überraschend und vielfältig. Und ich brauche jetzt erst mal ein paar Tage Ruhe im Kopf, um sich alles wieder setzen zu lassen.

Ehe ich mir die Panels, die ich verpasst habe, auf YouTube anschaue … 😉

Pfingsten und so weiter

Ach, stimmt ja – die Ausflüge und Wanderrouten zu Pfingsten wollte ich ja auch noch verbloggen. Weil es so schön war.

Übers Pfingstwochenende war ich beim Mann in Berlin. Meistens waren wir in den vergangenen Jahren (sogar einmal »während Corona«) über diese Feiertage im schönen Regensburg zu den Tagen Alter Musik, aber da im Programm nichts gelistet war, das so richtig viel Anzeihungskraft ausübte und auf dem Reiseplan für Frühjahr und Frühsommer ohnehin schon etliches stand und steht, wurde das Verreisen zu Pfingsten diesmal ausgesetzt. Mit dem ordentlich gefüllten ICE am Freitag fuhr ich dann nachmittags in die Hauptstadt. Die Einkehr zum Willkommenstrunk im Hopfenreich nach der Ankunft ist inzwischen schon ein festes Ritual. Abends Lachsfilet aus der Pfanne mit thailändisch gewürztem Spinatgemüse. Im Heimkino dann endlich die zweite Staffel »Picard« angefangen.

Am Samstag gemütlicher Vormittag mit Ausschlafen, Balkonfrühstück, häuslichem Geräume. Am Abend durfte ich eine Eintrittskarte einlösen, die im März in meinem Geburtstagspaket steckte, für ein Konzert in der Berliner Philharmonie: Simone Young dirigiert Olivier Messiaens »Turangalîla-Symphonie«.

Nach einem kleinen »Bier-Aperitif« vor dem Konzert machten wir uns rechtzeitig auf den Weg, denn das sehr groß besetzte, üppig instrumentierte und zehn Sätze umfassende Werk bot sich dafür an, endlich mal die vorherige moderierte Konzert-Einführung »mitzunehmen«. Mit vielen Hintergrundinformationen zum Komponisten und dem Werk, erläutert an eigens eingespielten Klangbeispielen aus dem Werk, fand ich das nicht nur ausgesprochen kurzweilig, sondern auch sehr motivierend, künftig öfter mal an solchen Einführungen teilzunehmen. Ich nahm die Musik danach mit dem neuen Wissen im Kopf ganz anders wahr und achtete mehr auf Details. Das Konzert hatte keine Pause und so waren wir kurz nach 20:30 Uhr schon wieder auf dem Heimweg. Sogar fürs Abendessen war es auf dem Balkon noch warm genug, es gab vormariniertes feines Bio-Schweinefilet mit Rosenkohl. Aus einem offenen Dachfenster des Nachbarhauses tönte schon seit gestern tiefes, bettlägerig klingendes, weibliches Husten. Nicht schön, sowas, und dann ausgerechnet noch über die Feiertage. Nach dem Essen wieder eine Folge »Picard«.

Sonntag ging es endlich wieder mal raus in die Natur. Der Mann hatte eine Tour ausgetüftelt (Komoot-Link), die uns – nach Anreise mit dem Regionalzug zum Ausgangspunkt Bahnhof Fangschleuse – über einen schönen und abwechslungsreichen Pfad und zwei hoch gelegene Aussichtspunkte zum Endpunkt, dem Bahnhof Woltersdorf, führte. Das Wetter war perfekt zum Wandern, aber an den Steigungen kam ich dennoch spürbar ins Schwitzen.

Wieder zurück in Berlin, winkte eine Erfrischung im Straßenbräu am Ostkreuz, danach heim zum Balkon-Abendessen mit viel Spargel und kleinen Bio-Wildmedaillons. Die Dame nebenan hustete immer noch. Danach Picard und schlafen.

Dank des langen Wochenendes war auch am Montag eine Wanderung möglich. Anfahrt auch wieder mit dem Zug (das Deutschlandticket fetzt!), aber in bislang gänzlich unbekannte Gefilde. Der Rundwanderweg (Komoot-Link) begann am Bahnhof Müncheberg, umrundete in weitem Bogen durch einen herrlichen Mischwald den Großen Schlagenthinsee, durchquerte das Naturschutzgebiet Gumnitz und schloss schließlich den Kreis wieder am Bahnhof. Das perfekte Wetter, die menschenleere Route, die fantastische, vielfältige Landschaft und das unentwegte, lebendige Vogelgezwitscher in der Luft ließen ein »Sommerferiengefühl« aufkommen, das mich an Kindertage erinnerte. An einem breiten Schilfgürtel während des letzten Teils der Wanderung hielten wir eine Weile inne und lauschten einem ungewöhnlichen Vogelgesang aus dem Dickicht. Meine Vogelstimmen-App identifizierte auf englisch einen »Great Reed Warbler«, der auf Deutsch als »Drosselrohrsänger« übersetzt wurde. Ich weiß nicht ob das stimmt, aber sein Lied war sehr originell und erinnerte mich ein bisschen an das »Holladihiti«-Geflöte von Otto Waalkes:

Wanderbier dann wieder am Ostkreuz, aber diesmal bei Bräugier, dann Heimweg mit zwei Thai-Gerichten »to go« von Glory Duck, abgeholt gleich um die Ecke beim Pub. Die Balkontemperatur war heute deutlich frischer, also wurde im Wohnzimmer gespeist. Weiter mit »Picard« (mir gefällt die zweite Staffel deutlich besser als die erste), dann Nachtruhe. Am Dienstag Vormittag fuhr dann der Zug zurück nach Hamburg.

Bornholm, Tag 8

Am letzten Tag hatte ich angeregt, nach der nur recht kurzen Tour von gestern, noch mal »den Diem zu carpen« und uns für die Schlusswanderung wieder eine etwas längere Strecke vorzunehmen. Das reichte als Vorgabe – der Mann tüftelte daraufhin eine Tour im Waldgebiet Ølene aus (Komoot-Link), die wir am Nachmittag erwandern wollten.

Die Strecke führte zunächst durch ein fast ausschließlich von Nadelbäumen dominiertes Waldgebiet. Tiefe Gräben durchzogen immer wieder den Waldboden, in einigen stand noch sumpfiges Wasser, andere waren bereits ausgetrocknet, waren aber wohl noch vor kurzem ebenfalls versumpft. Nach etwa einem Drittel der Strecke mussten wir uns dann einen ca. 100 m langen Weg ohne offiziellen Pfad durch den Wald bahnen, hier hatte die Online-Routenkarte zwischen zwei eingezeichneten Wanderpfaden eine Lücke, die es zu überbrücken galt. Später auf der Rückfahrt im Auto spürte ich dann ein Krabbeln auf dem Unterarm und konnte noch rechtzeitig eine Zecke entfernen, ehe sie bei mir »andocken« konnte. Die musste ich mir bei dem kurzen Streifzug durchs Unterholz eingefangen haben. In solchen Momenten und beim etwas »wilderen« Wandern empfinde ich meine vor ca. zwei Jahren erfolgte FSME-Impfung dann doch immer wieder als Quell erhöhter Gelassenheit.

Die Fortsetzung des Wanderweges markierte dann den Beginn des »Øleåsti« (»Øle-Auen-Stieg«), einer schmalen, gewundenen Strecke entlang eines kleinen Wildbaches. In der sehr idyllischen, ursprünglichen Landschaft setzten wir unseren Weg, begleitet vom stetigen Plätschern des Baches, weiter durch den Wald fort. Doch obwohl er durchgehend Wasser führte und die Vegetation ringsum grün und frisch wirkte, konnte man an den mit vertrockneten Wasserpflanzen bewachsenen großen Steinen, die aus dem Bach ragten, erkennen, dass der Wasserstand gut 15–20 cm niedriger als üblich lag. Offenbar hatte es in vielen Regionen der Insel in den letzten Wochen oder Monaten zu wenig geregnet, ich hatte schon auf einigen anderen Touren inmitten der üppig erscheinenden Wiesen und Wälder einige Anzeichen dafür bemerkt: trockene Moospolster, die sich vom steinernen Untergrund abhoben, der dumpfe Klang des Bodens beim Auftreten oder Risse im Erdreich an den Stellen, wo der Wanderweg aus fester lehmigerer Erde bestand. Ich hoffe, der Insel wird in den nächsten Wochen mehr Regen beschert.

Nach gut 10 km erreichten wir wieder den Parkplatz, auf dem das Auto abgestellt war. Von hier aus ging es nahtlos weiter zur Räucherei nahe dem Unterkunftsort, denn – was für ein Zufall! – am Vortag hatte sich ein Ex-Kollege des Mannes ganz aus der Nähe gemeldet, der seit dem Vortag ebenfalls in Begleitung Urlaub auf der Insel machte. So nahmen wir heute, ganz ungewohnt, das Abendessen (nochmal das vortreffliche Fischbuffet) in netter Gesellschaft ein. Es war wieder trotz Abendsonne zu kühl zum Draußensitzen, vorsorglich hatten wir einen Tisch im Innenbereich reserviert.

Nach der Heimkehr musste noch gepackt werden, denn am nächsten Morgen um 10:30 sollte uns die Fähre vom Hafen in Rønne nach Ystad bringen. Der Urlaub ging zuende und deshalb wurde nach getaner Vorbereitung und einer Folge »Absolutely Fabulous« auch zeitig das Licht ausgeknipst.