Kategorie: Außer Haus

Unterwegs in Stadt und Land, im Urlaub und auf Reisen

Bornholm, Tag 6

Während eines der Frühstücke in den letzten Tagen erwähnte ich bei Tisch, dass ich mich noch an eine Bornholm-Wanderung erinnern könne, bei der man von einem bewaldeten Höhenzug über eine hölzerne Stiege hinab auf einen Pfad durch ein Sumpfgebiet stieg, und die mir damals so gut gefallen hatte, dass ich sie gern einmal wiederholen würde. Das ließ sich der Mann nicht zweimal sagen und so bekam diese Tour heute eine Wiederauflage.

Ich muss ohnehin anmerken, dass die kompletten Credits für die Tourenplanung beim Mann liegen. Es macht ihm Spaß, Anfahrt, Wegführung und Endpunkt für die Einkehr auszuknobeln und ich bin ein bereitwilliger und unkritischer Nutznießer und genieße es, einfach nur mitzulaufen oder höchstens hier und da im Voraus eine Anregung (»am liebsten was mit Wald« oder »gerne mal wieder eine Radtour«) einzubringen.

Für heute hatte ich mir vorgenommen, am Wegesrand, im Wald und auf den Wiesen einmal nach Wildkräutern Ausschau zu halten. Der Speiseplan für den Abend sollte sich zwar erst nach der Wanderung je nach Angebot im Supermarkt klären, aber ein gesunder Beilagensalat passt ja so ziemlich zu allem und so nahm ich einen Leinenbeutel zum Sammeln mit.

Die Wanderung zeigte sich genauso kurzweilig und naturnah, wie ich sie in Erinnerung hatte, das Wetter war perfekt (ohne Bewegung im T-Shirt eine Idee zu kühl, aber sowie man »in Wallung kam«, genau richtig) und erneut begegneten wir auf der gesamten Strecke von gut 9,3 km (Komoot-Link) nur einer Handvoll Menschen. Es ist immer wieder angenehm, wie weitläufig sich die anwesenden Wanderer und Touristen auf dieser Insel abseits der »Hot-Spots« verteilen. Natur braucht Stille.

Unterwegs gab es wieder viel zu sehen: einen Findling, der von einer bestimmten Seite aussah wie ein Kleinwagen aus den 1960ern, eine Ruine aus dem 12. Jahrhundert, mehrere Brücken, Flüsse/Bäche und kleine Seen, eine Gänsefamilie (leider kein Foto, da sie bei unserer Annäherung sofort flüchtete), idyllische Baumkronentunnel im Wald, steile Felswände und hölzerne Stege über die sumpfigen Wiesen. Und tatsächlich konnte ich meinen Kräutersammelplan bequem »en passant« in die Tat umsetzen. Die Ernte umfasste Bärlauch, Sauerampfer, Sauerklee, Brennnesseln, Löwenzahnblüten und -blätter, Veilchenblüten, Gänseblümchen, Giersch, Wiesenschaumkrautblüten, Knoblauchsrauke und Spitzwegerich. Gut 300 g hatte ich letztendlich im Beutel, das sollte reichen für eine gesunde Menübegleitung.

Vor der »Bierbelohnung« stand noch der Einkauf fürs Abendessen. Wir einigten uns auf eine vorgewürzte TK-Brathähnchenpfanne mit Erbsen- und Möhrengemüse, ich entdeckte im Supermarktregal für lokale Delikatessen noch ein Glas Bärlauch-Bier-Senf zum Export nach Deutschland und anschließend kehrten wir nochmals im »Ølstauan«-Pub ein, wo der Wirt uns inzwischen nicht nur wiedererkannte, sondern aufgrund unserer jüngsten Smørrebrød-Reservierung sogar mit Namen ansprach. So sindse, die Bornholmer.

Das Essen daheim war dann schnell zubereitet. Den Salat (alles roh, nur die Brennnesseln wurden kurz blanchiert) wendete ich in einer Vinaigrette aus Olivenöl, Balsamico, Sanddornsenf, Salz, Pfeffer, einer Prise Zucker und etwas Mayonnaise als Emulgator. Er schmeckte durchaus herb (Löwenzahn, Wegerich), aber auch würzig (Bärlauch, Knoblauchsrauke) und säuerlich (Ampfer und Klee). Das mache ich jetzt während der Wildkräutersaison bestimmt öfter mal.

Für die parallele Unterhaltung zum Abendessen wurde ein weiterer Science-Fiction-Klassiker aus den 1950er Jahren auserkoren: »Der Tag, an dem die Erde stillstand« (1951). Ein ausgesprochen gut gealtertes Werk, wie ich finde. Die Effekte sind bemerkenswert gelungen, so flüchten in der Landeszene des UFOs zu Beginn des Films, gefilmt als Luftaufnahme, viele echte Statisten in alle Richtungen – die Bildmontage vollzog sich somit nicht, wie sonst häufig, in einem Standbild, sondern in einer bewegten Szene, und der Schattenwurf der fliegenden Untertasse passt exakt zum Einfallswinkel des Sonnenlichts auf die realen Gebäude und Objekte. Der Außerirdische, Klaatu, bedient und steuert sein Raumschiff mit berührungslosen Wischgesten, die Ablehnung und Skepsis der Erdbewohner gegenüber dem Neuen und Unbekannten sowie der Wissenschaft und ihre Unbelehrbarkeit bezüglich Aggression und Kriegsführung wirken ungebrochen aktuell. Eins der Zitate der Filmfigur Professor Barnhardt könnte man sogar heute noch 1:1 auf die Corona-Pandemie oder die Klimakrise beziehen:

»Wären Sie bereit, mit Wissenschaftlern der ganzen Erde zu verhandeln? Diesem Gremium könnten Sie Ihre Vorschläge unterbreiten. Und von den Gelehrten würde es den einzelnen Völkern dann übermittelt. [fährt nachdenklich fort] Nur Wissenschaftler dürften wohl kaum genügen. Man hat uns leider zu oft ignoriert oder missverstanden.«

(Transkript aus der deutschen Version des Films)

»Would you be willing to meet with a group of scientists I’m calling together? Perhaps you could explain your mission to that and they in turn could present it to their various peoples. [fährt nachdenklich fort] It’s not enough to have men of science. We scientists are too often ignored or misunderstood.«

(Transkript aus der englischen Originalversion des Films)

Über all den Unternehmungen war es spät geworden, erst kurz nach ein Uhr war heute Zubettgehzeit. In der Nacht: ein Traum von einem Besuch auf der re:publica, deren Traumversion der Veranstaltungs-App eine ausgesprochen wirre und fehlerhafte Benutzerführung aufwies, so dass ich mich auf dem Gelände und in den Räumlichkeiten verirrte und die gesuchten Hallen und Panels nicht finden konnte. Nach meiner Besuchserfahrung aus dem letzten Jahr ziemlich unrealistisch – und somit beunruhigte mich der Traum nicht sonderlich.

Bornholm, Tag 5

Einer der Gründe, warum ich diese Insel so liebe, ist ihre unglaubliche landschaftliche Vielfältigkeit. Strand, Sand, Meer, Wald, Wiesen, Felder, Klippen, Täler, Sümpfe und Hügel – alles auf diesem eigentlich so kleinen Stückchen Land mitten im Meer vereint. Diese Vielfalt war auch bei der Wanderung am heutigen Tag (Komoot-Link) mal wieder erfahrbar. Der Ausgangspunkt lag einige Kilometer entfernt von dem kleinen Ort Rø auf einem etwas abgelegeneren Waldparkplatz. Schon nach wenigen Schritten befanden wir uns mitten in einem märchenhaft-wilden Forstgebiet, gingen an einem Bach entlang auf eine eingezäunte, aber durch ein Klappgatter frei zugängliche Wiese, wo Rinder und Schafe gemeinsam grasten. Die Schreckhaftigkeit der Tiere war für mich ein Anzeichen, dass sie nicht an Wanderer gewöhnt waren. Galoppierend zogen sie sich, ungeachtet unserer vorsichtigen und ruhigen Annäherung, in eine entlegenere Ecke ihrer Weide zurück.

Über einen steilen, einstmals bewaldeten Hügel ging es erneut bergab in den Wald. Eine Gruppe anderer Wanderer, die uns in einigem Abstand auf dem neuen Pfad folgte, bog bald an einer Kreuzung auf einen anderen Weg ab und so genossen wir die Tour fast bis ans Ende mit nur einer weiteren (menschlichen) Begegnung. Nach einigen Kilometern Waldweg lichteten sich die Bäume und die Landschaft zur Linken wurde deutlich sumpfiger, der Weg jedoch war sicher und trocken. Dichte Büschel gelbglänzender Sumpfdotterblumen dekorierten die dicht mit Schachtelhalm und Schilf durchwachsene Wasserfläche. Heute war dies eine der wenigen Touren, auf denen wir nirgends Bärlauch entdeckten, in fast allen (Misch- oder Laub)wäldern sonst waren die mit weißen Blüten und Knospen betupften Matten des Krautgemüses stetige Begleiter neben den Wegen. Nach dem Wechsel über eine Brücke auf die andere Seite des Sumpfgebietes weitete sich dieses zum ufernah mit Seerosen bewachsenen Borgedalssø, der im Sonnenlicht mit schönen Reflektionen des Himmels und der Bäume unbedingt fotografiert werden wollte.

Zum Ende der Route kamen wir zurück auf die Viehweide vom Anfang, jedoch an deren gegenüberliegender Begrenzung. Hier graste eine Gruppe Schafe, die bei unserem Anblick deutlich weniger »fremdelte«, eines kam sogar forsch auf uns zu, schnupperte und forschte, ob wir wohl Futter anbieten könnten. Wäre ich ein wenig schneller am Auslöser gewesen, hätte ich ein mustergültiges »Boop-Foto« des vorwitzigen Tieres einfangen können. So reichte es »nur« für eine zahme Ganzkörperaufnahme.

Um der Einnahme des Belohnungsbieres wieder etwas Abwechslung zu verleihen, erfolgte die Einkehr nach Ende der Wanderung heute wieder in der Hotelbar von Tag 1. Auf der Terrasse wurde es nach dem ersten Glas jedoch im frischen Abendwind trotz Jacke etwas zu kühl, so dass die nächste Runde im hyggeligen Innenraum genossen wurde.

Auch das Abendessen zu Hause war eine Wiederauflage des Dinners, das wir am Ankunftstag hatten: eine andere Kombination der köstlichen hausgemachten Fischsalate aus der Nordbornholms Røgeri. Noch vor kurzem drohte das Lokal, mangels Nachfolgebetreiber verkauft oder geschlossen zu werden, inzwischen jedoch fand sich eine Lösung, bei der die nächste Generation der Inhaberfamilie wohl überzeugt werden konnte, ihren Lebensmittelpunkt vom dänischen Festland zurück auf die Insel zu verlegen und nun das Haus mit dem kompletten gastronomischen Angebot – und, noch wichtiger, den delikaten Rezepturen der Salate! – weiterführt. Ich begrüße das ausdrücklich!

Zur Abendunterhaltung holten wir uns dann Kenneth Branagh im Remake von »Tod auf dem Nil« (2022) ins Wohnzimmer. Eine okaye Neuverfilmung, die etliche Aspekte des »Klassikers« von 1978, mit Peter Ustinov als Poirot und internationalem Staraufgebot, anders und neu inszeniert und trotz einiger Längen (108 Minuten statt 128 hätten m.E. auch genügt) recht unterhaltsam und spannend daherkommt. Im Kontext der vor einigen Tagen geschauten Folgen von »Absolutely Fabulous« war zudem das Wiedersehen mit Jennifer Saunders in der Rolle einer der Mitreisenden auf dem Schiff ein Aspekt, der erfreute.

Nachts dann ein sonderbarer Traum mit einer Wohnungsbesichtigung in einem Hochhauskomplex. Die Wohnungen waren sämtlich durchnummeriert und zu einzelnen Gruppen der Wohnungen gab es unzählige, mit blau-weißen Nummerngruppen beschriftete einzelne Aufzüge. Ich musste aus irgendeinem Grund in Wohnung Nummer 9 und irrte vor dem Hochhauskomplex umher, um den passenden Aufzug ausfindig zu machen, der mich dorthin bringen konnte. Kein Albtraum, aber dennoch verwirrend. Das Gehirn ist doch manchmal ein Schelm.

Bornholm, Tag 4

Der anhaltende und sogar noch etwas auffrischende Wind war es, der die Wanderroute für den heutigen Tag quasi alternativlos machte: in der Nähe des kleinen Fischerdörfchens Vang ist die Westküste der Insel steil und schroff und eine Felsformation namens »Jons Kapel« markiert dort einen besonderen Anziehungspunkt für Wanderer und Touristen. Die Klippen sind nach einem Missionar, Prediger und Einsiedler benannt, der die Höhlen dort bewohnt haben soll. Jo(h)n war ein Mönch aus Irland, der im frühen Mittelalter nach Bornholm kam und sich der Legende nach in den Höhlen an den Klippen niederließ, die später seinen Namen tragen sollten:

Heute führt eine 171 Stufen lange Treppe die Klippen der Bornholmer Westküste hinab zur Predigerkanzel genannten Felsformation. Von dort aus soll der Prediger zu den Bornholmer Fischern (damals noch Heiden) gepredigt und Ihnen den Segen mit auf See und zu ihren Fischfahrten gegeben haben. Weiter in Richtung Süden findet man drei Höhlen, in denen er gelebt haben soll. Eine Höhle nennt sich der Kirchenraum oder die Kapelle. Die anderen Höhlen tragen Namen wie Speisekammer, Sakristei, Esszimmer und sogar Schlafzimmer – eine ganze Wohnung also für den Mönch.

Quelle: bornholm-ferien.de

Vor Beginn der Wanderung machten wir zwecks Einkauf für die Abendverpflegung noch einen Abstecher zum etwas abgelegenen Hofladen »Hallegaard«, der nicht nur ein außergewöhnlich schönes Logo, sondern auch hervorragende Fleisch- und Wursterzeugnisse von Tieren aus eigener Haltung anbietet. Zwei schöne T-Bone-Steaks sollten es sein, dazu besorgten wir noch Karotten für ein feines Ofengemüse. Das alles wurde in einer Kühltasche deponiert und zurück ging’s zum Ausgangspunkt der Wanderung.

Schon auf dem Weg zu Jons Kapel kamen wir an felsigen, steilen Abhängen vorbei, über denen zahllose Möwen und andere Vögel im Wind segelten. Ich habe oft an solch stürmischen Tagen das Gefühl, dass manche Vögel, obwohl sie ja vom Flüggewerden an nichts anderes kennen, ihre Fähigkeit zu fliegen noch einmal ganz besonders genießen und ihnen dabei zusehen zu dürfen, macht mich fast schon ein bisschen neidisch.

In dieser Jahreszeit ist die Insel überall üppigst am Blühen. Die Schlehenbüsche, noch ganz ohne Blattgrün, besten vor kleinen weißen Blüten, man sieht Veilchen, die purpurnen Schöpfe des Knabenkrauts, Sumpfdotterblumen, Raps, Löwenzahn, Buschwindröschen, blühende Kirsch- und Apfelbäume, Taubnesseln und Vergissmeinnicht. Im Frühling und Frühsommer ist Bornholm ein Paradies.

An Jons Kapel angekommen, verwunderte uns, dass keine anderen Besucher den Weg an diesen besonderen Punkt gefunden hatten. Der Himmel war strahlend blau, die Böen peitschten das Meer gegen die steil aufragenden Felsen und auch hier segelten die Möwen im Wind. Gute zehn Minuten standen wir allein unten am Fuß der hölzernen Stiegen und auf den zugänglichen Felsvorsprüngen, ehe sich ein einzelnes weiteres Wandererpaar näherte. Aber da hatten wir schon genug gesehen und fotografiert und machten uns an den (ächz!) etwas anstrendenden Aufstieg vom Ende der sehenswürdigen »Sackgasse« zurück auf die Wanderroute.

Die Rückkehr zum Parkplatz am Ende der Strecke war nur noch einige hundert Meter weit und von dort aus (ratet!) fuhren wir schnurstracks zurück in den Unterkunftsort, um unserer »Stammkneipe« den obligatorischen Belohnungsbesuch nach dieser heute 7,1 km langen Tour (Komoot-Link) abzustatten. Mittlerweile erkannte man uns schon wieder und das Personal freute sich sichtlich über die angehenden Stammgäste.

Wieder daheim, machten wir uns an die Zubereitung des Essens, die aufgrund der naturbelassenen Zubereitung schnell erledigt war. Noch etwas Kräuterbutter wurde angerührt, dazu ein Bärlauch-Dip für die Ofenkarotten und nach knapp 40 Minuten konnte serviert werden. Im Heimkino lief heute »The Favourite«, den ich vor gut zwei Jahren schon einmal auf Englisch gesehen hatte, aber gerne auch noch einmal in der deutschen Fassung sehen konnte.

Danach, noch gefühlt mit dem Wind in den Haaren, ins Bett.

Bornholm, Tag 3

Heute ließen wir das Auto mal stehen und beschlossen eine Wanderung, die direkt am Ferienhaus ihren Ausgangs- und Endpunkt hatte: Von der Unterkunft aus führte sie zunächst hinunter zum örtlichen Strand und von dort aus durch die Dünen hinauf auf die felsige Küstenlinie des »Hammeren« (auch »Hammerknuden« oder nur »Hammer«), der Nordspitze der Insel. Vorbei an historischen Ruinen, an meerumtosten Klippen (es war immer noch ziemlich windig), an knorrigen, von Efeukorsetten eingezwängten Bäumen und immer wieder mit einer fantastischen Aussicht auf das Meer Richtung Nordwesten. Der böige Wind war eine zustzliche Herausforderung an manchen schmalen Pfadpassagen, aber als geübte Wanderer und mit gutem »Schuhwerk« war das kein Problem. Etwas über 11 km lang war die heutige Strecke (Komoot-Link), so dass sich der Bierdurst, trotz der mitgeführten Wasserflaschen, gegen Ende schon etwas drängender meldete. Auf dem Weg übers Feld auf der letzten Etappe der Strecke lag am Wegesrand der teilweise skelettierte Kadaver eines Hasen oder Kaninchens. Mich fasziniert bei solchen Funden jedes Mal aufs Neue der fantastische und perfekte Recycling-Ansatz der Natur, der totes Leben binnen kürzester Zeit wieder in den Stoffkreislauf zurückführt. Etwas abstoßend ist das für mich meist nur kurz zu Beginn, solange ein totes Tier noch blutig oder entstellt daliegt, danach überwiegt das sachliche Interesse.

Zurück zum Bierdurst: Der Mann hatte spontan am Vorabend während unseres Umtrunkes einen Blick in die Speisekarte des Bierlokals geworfen und einen Tisch reserviert, die kreativen und vortrefflich klingenden Smørrebrød-Kreationen hatten es ihm angetan. Und so konnten wir uns nach der Ankunft in der »Ølstauan« nicht nur auf frisch gezapfte Inselbiere freuen, sondern auch auf eine köstliche Mahlzeit. Ich entschied mich für Smørrebrød mit Eismeerkrabben, Kaviar, Zitrone, Mayonnaise und Ei sowie Schweinebraten mit kaltem Rotkohl und Orangenscheiben, der Mann nahm Smørrebrød mit gebratenem Fisch, Krabben und grünem Spargel und Roastbeef mit geraspeltem Meerrettich, Röstzwiebeln und Kapern. Ich bin ja spätestens seit meinem zweimaligen Besuch im grandiosen Kopenhagener Craft-Beer- und Smørrebrødrestaurant »Selma« der Ansicht, dass ein Lokal mit dem Angebot »Craft-Bier & kreative Smørrebrød-Kombinationen« auch in einer deutschen Stadt wie Hamburg oder Berlin sehr gut ankommen würde. Vielleicht nimmt sich ja demnächst mal ein hiesiger Startup-Gastronom dieser Idee an – ich wäre bald ein Stammgast!

Nach der Rückkehr in die »eigenen« vier Wände stand heute ein Science-Fiction-Klassiker auf dem Abendprogramm: »The Thing« in der Originalverfilmung von 1951. Schwarzweiß, recht kurz und aus heutiger Sicht etwas betulicher, zahlreicher besetzt und deutlich dialoglastiger als das doch drastisch blutigere Remake John Carpenters (1982) oder das gelungene Prequel aus dem Jahre 2011, aber durchaus sehenswert und ein Klassiker des Genres. Dennoch war der Film für heutige Sehgewohnheiten nicht gruselig genug, um schlechte Träume anzustoßen, und so war eine gute Nacht nach diesem sportlichen Tag absehbar.

Bornholm, Tag 2

Der einzige Unterschied im Tagesablauf vor dem Aufbruch zur heutigen Wanderung war, dass wir das Terrassenfrühstück auf der windabgewandten Seite des Hauses einnahmen. Zum einen scheint dort auch vormittags schon die Sonne, zum anderen hatte der Wind deutlich aufgefrischt, so dass es auf der gestrigen Hausseite zu kühl gewesen wäre.

Die Wanderroute heute (Komoot-Link) im Nordosten der Insel ging entlang der steilen Felsklippen »Helligdomsklipperne« und durchs »Døndalen« genannte Tal, mit gut 6,5 km eine eher kurze Route, aber dafür nicht minder abwechslungsreich – blühende Wiesen, grellgelbe Raspfelder, viel Auf-und-Ab. An einer Stelle lag ein umgestürzter Baum über dem Wanderweg, aber eine (nachträglich gegrabene?) Senke im Waldweg machte das geduckte Passieren ohne weiteres möglich. Der Himmel war heute etwas bedeckter und der frische Wind hielt sich ebenfalls. Der Weg war fast über die gesamte Strecke von Bärlauch gesäumt, was wir dazu nutzten, zwei ordentliche Handvoll Blätter fürs geplante Abendessen zu ernten, dazu etwa 200 noch geschlossene Blütenknospen, teils zum »Einkochen« und teils zum Anbraten für feine Frühstücksomelettes an den kommenden Tagen.

Am Ende der Wanderung: Einkehr im Bierlokal »Ølstauan«, wo an 18 Zapfhähnen ausschließlich Biere ausgeschenkt werden, die auf Bornholm gebraut werden. Nach der ausgiebigen Erfrischung dann Heimkehr in die Unterkunft. Nachdem ich zwei kleine leere Marmeladengläser mit den gewaschenen Bärlauchblüten gestopft hatte, um diese dann, mit Olivenöl übergossen, im Backofen bei 160 °C zu garen und gleichzeitig zu konservieren, bereiteten wir das Abendessen zu: Lachsfilet auf der Haut gebraten und anschließend im Ofen unter einer Bärlauch-Parmesan-Pinienkern-Eiweiß-Haube übergrillt, dazu Spinatgemüse. Da es schon spät war, blieb nach dem Essen zu wenig Zeit für einen ganzen Spielfilm, deshalb diesmal zur Unterhaltung erneut eine Folge »Absolutely Fabulous« zum sich-bettschwer-Lachen.

Bornholm, Tag 1

Unsere Tagesabläufe in Urlauben wie diesen sind eigentlich im Grunde meist sehr ähnlich: Ohne Wecker schlafen, bis von selbst aufgewacht wird, duschen, bei geeignetem Wetter ausgiebiges Frühstück draußen auf der großen Terrasse. Danach ein bisschen am Rechner »schaffen«, lesen, Musikhören und anderer Zeitvertreib, derweil der Mann in seiner Wander-App die tägliche Ausflugsroute plant.

Die Wanderung über rund 8 km führte in das Waldgebiet »Paradisbakkerne« (Komoot-Link), vorbei an idyllischen Waldseen, durch schattige Schluchten und über kraxelige Hügelkämme, z.T. mit in den Fels gebauten Treppenstiegen bis zum Endpunkt: der bereits erwähnten Fischräucherei, wo nicht nur ein, zwei kühle Biere auf uns warteten, sondern auch das dortige famose »All-you-can-eat«-Fischbuffet –genossen an einem Daußensitzplatz mit direktem Blick auf Felsen, Küste und Meer. Perfekt!

Durch das recht frühe Abendessen blieb dann noch reichlich Zeit in der Unterkunft für einen großen Film. Heute fiel die Wahl auf den Director’s Cut von »Amadeus«, den ich schon lange im Urlaubs-Discmäppchen mitführte, aber der durch die extreme Laufzeit von 160 Minuten lange ungesehen blieb. Diesmal passte es. Ein genialer Film und der Abräumer bei den Academy-Awards 1985: Bester Film, bester Hauptdarsteller, beste Regie, bestes adaptiertes Drehbuch, bestes Kostümdesign, bester Ton, bestes Szenenbild, bestes Make-up/Frisuren, bester Hauptdarsteller, beste Kamera und bester Schnitt.

Und ich vergebe hiermit noch einen Oscar für diesen ersten Tag.

Mal wieder Bornholm …

Zum achten, zehnten oder zwölften Mal? Egal, ich zähle ja auch nicht, wie oft ich mein Lieblingsgericht esse oder meinen Lieblingsfilm schaue. Die Anreise in Richtung meiner Lieblingsinsel jedenfalls war diesmal sehr gemütlich: Ich fuhr am Freitag mit dem Zug von Hamburg nach Ostseebad Binz, wo ich gegen Abend mit dem Mann und seinem Auto, angereist aus Berlin, zusammentraf. Übernachtung im Hotel, zuvor ein kleiner Rundgang durch den Ort, Abendessen und Willkommensbier(e) im Braugasthaus »Doldenmädel« und danach noch ein kleiner Abstecher zur abendlich sehr stimmungsvoll indirekt beleuchteten Seebrücke. Im Hotelzimmer konnten wir erfolgreich das MacBook an den Hotelzimmerfernseher anschließen und gönnten uns noch eine Folge »Absolutely Fabulous« als heiteres Betthupferl.

An nächsten Morgen nach dem Frühstück mussten wir dann nur eine Viertelstunde Autofahrt nach Sassnitz hinter uns bringen und konnten anschließend auf der (recht vollen) Fähre gut drei Stunden die Überfahrt ohne weitere Autokilometer genießen.

Nach dem Anlegen in Rønne sorgte ein kurzer Zwischenstopp beim großen »Kvickly«-Supermarkt für die Erstbefüllung des Kühlschranks, anschließend nochmal knapp 20 km Fahrt in den äußersten Norden der Insel zur Unterkunft, unserem »Stammferienhaus« in der Nähe des Örtchens Allinge, wo wir einen weiteren Zwischenstopp am Ladengeschäft der Fischräucherei einlegten und uns mit köstlichen hausgemachten Salaten fürs Abendessen eindeckten. Dann am Haus schnell das Auto entladen, die Betten beziehen (nichts ist lästiger als das erst spät abends direkt vor dem Schlafengehen machen zu müssen) und dann noch mal raus an die frische Luft zu einem kleinen Rundgang mit Endpunkt in der »Underbar«, dem Craft-Beer-Ausschank in einem der örtlichen Hotels. Zum Abendessen dann ein großes Fischsalatbüffet im Wohnzimmer und eine Doppelfolge »Picard«.

Angekommen.