Autor: ProstetnikVogonJeltz

Edinburgh III (Nachtrag)

Okay, es stand in der Beschreibung. Aber wer konnte ahnen, dass es SO ausarten würde? Noch am Abend zuvor fragte unser Gastgeber mit Unschuldsmiene, wann es genehm sei, das hausgemachte schottische Frühstück zu servieren. Und so hörten wir denn auch am nächsten Morgen zum vereinbarten Zeitpunkt einen Teewagen leise durch den Korridor Richtung Wohnzimmer scheppern. Gegenüber dem Anblick, der sich dann auf Tisch, Anrichte und Teewagen bot, als wir das Zimmer betraten, kam das gestrige Hotelfrühstück einer Armenspeisung gleich: Kaffee, Tee, Wasser, Milch, Orangensaft. Müsli, Cornflakes und Knuspermüsli. Toastbrot, Oatmeal Cracker, Croissants und Scones. Orangenmarmelade, Aprikosenmarmelade, Schmelzkäse, Butter und Margarine. Frische Erdbeeren (Oktober!), handgeschälte Grapefruitfilets, dazu zwei Sorten Joghurt. Und als Beilage zum punktgestockten Rühr- und Spiegelei unter einer silbernen Servierhaube: Gebratene Würstchen, Bacon, sautierte Tomaten und Champignons und Black Pudding. Well … Hin- und hergerissen zwischen gesundem Appetit, ungläubigem Entsetzen und der Verlegenheit, als Gast so viele »Umstände« zu machen, ergaben wir uns. Die eigentliche Leistung besteht allerdings weniger darin, ein solches Frühstück physisch zu verkraften als nach einem solchen Gelage auch nur noch einen Schritt vor die Tür zu schaffen. Ging dann aber irgendwie doch.

Edinburgh II (Nachtrag)

So frühstückt der Schotte im Hotel: Kaffee, Buttertoast mit Marmelade (Orange), Oatmeal-Cracker mit Käse, sautierte Champignons und Cherrytomaten, gebratene Würstchen, Bacon, Rührei, Orangensaft. Eine okaye Mahlzeit zu Beginn des zweiten Urlaubstages, der trüb und regnerisch beginnt.

Erster Programmpunkt: Umzug in das neue, eigentliche Domizil für den Rest unseres Aufenthalts: ein Apartment in Edinburghs »New Town«, wenige Straßenzüge vom Hotel entfernt. Was für ein Unterschied! Mehr Platz! Ein eigenes Wohnzimmer! Ein Himmelbett! Und einer der rührigsten und nettesten Gastgeber unserer bisherigen Urlaubslaufbahn, der uns bereits kurz nach Eintreffen mit etwa zwanzig Adressen seiner persönlichen Lieblingslokale, -cafés, -pubs und -geschäfte versorgt und deren Koordinaten eigenhändig im Stadtplan eines Touristenbreviers markiert. Ergo: Aufbruch. Vier Tage bleiben uns noch, für alle Empfehlungen schon jetzt viel zu kurz.

Während der Stadterkundung Zwischenstopp im Plaisir du Chocolat. Ohne Worte. Hundertfünfzig Sorten frisch gebrühter Tee. Konfekt. Trinkschokolade in lukullischsten Varietäten und Torten, für die dieses Wort eigentlich eine Beleidigung ist. Wer Schokolade liebt, wird hier bei Ladenschluß flehen, bleiben zu dürfen. Wer Kalorien zählt, sollte sich vorher mit der Exponentialdarstellung großer Zahlen vertraut machen.

Das Dinner nehmen wir (später!) nach einem bestätigenden Blick auf die Karte im empfohlenen Restaurant Browns ein, direkt an der belebten George Street (131–133). Großzügige, altehrwürdige Räume, hoch und stuckverziert, modern möbliert und dezent beleuchtet. Die Akustik in dem großen Gastraum ist zwar etwas lauter, aber stört weder bei der Konversation noch beim Essen. Und das ist auch gut so. Geteilte Vorspeise: Warme Ziegenkäse-Crostini mit Nüssen und karamelisierten Birnenspalten an einem Salatbukett. Eine tolle Kombination, die zum Nachkochen und zu eigenen Varationen anregt! Dann die Hauptgänge. Von Rustikaler Noblesse: Gebratene Kalbsleber auf Kartoffel-Wirsingpüree und – etwas exotischer – Lachssteak unter der Senf-Kräuter-Kruste mit Kartoffeln und Meeresspargel. Dazu Leffe und Staropramen vom Fass. Fleisch und Fisch sind auf den Punkt gegart, Würzung und Saucen gekonnt komponiert. Eine gute Adresse!

Zurück im gemütlichen Kokon unseres temporären Zuhauses macht ein tagsüber erworbenes Sortiment an Whisky-Miniaturen (Scotch natürlich!) eine spätabendliche Verkostung leider unumgänglich …

Edinburgh I (Nachtrag)

Fünf Tage in Schottlands Hauptstadt. Kurzurlaub zu zweit. Flug ab Hamburg mit British Airways, Flugzeit anderthalb Stunden. Schön, mal wieder hier zu sein – der letzte Schottlandurlaub davor ist schon fast nicht mehr wahr. Mit dem Taxi in die Innenstadt zur vorläufigen ersten Unterkunft, ehe unser eigentliches Quartier bezugsfertig ist, aber dazu später mehr. Für die erste Übernachtung logieren wir im Hotel Walton, kaum fünf Fußminuten von Edinburghs Zentrum. The rooms: tiny, but cosy, indeed.

Da es erst später Nachmittag ist, halten wir uns mit der Inspektion des Hotelambientes nur wenige Minuten auf, dann lockt uns die Neugier auf ein echt schottisches Bier in einen Pub-Tipp unseres vor Ort erstandenen Reiseführers, Kay’s Bar, 39 Jamaica Street West. Freundlich und hilfsbereit seien die Schotten, sagt man. Stimmt! Denn als wir uns nicht sofort für eins der etwa zehn frischzapfbaren, uns völlig unbekannten lokalen Biere entscheiden können, bietet uns der zwirbelbärtige Pubkeeper nach kurzer Eingrenzung der groben Geschmackspräferenz (»strong and malty«) tatsächlich vier kleine Gläser mit je einem Schluck zum Probieren an. Dafür: Daumen hoch – ebenso wie für das schottentypisch zimmerwarm eingeschenkte »Heavy Ale« unserer Wahl, das wir in einer winzigen Sitznische des gemütlichen Pubs nippen und das angenehm, aber ungewöhlich muskatellersüß die Geschmacksnerven streichelt. – Cheers!

Wieder draußen, erwartet uns Regen. Schottland eben. Da Bier nur bedingt sättigt, befragen wir die Reiseunterlagen nach Empfehlungen umliegender Restaurants. Zwei davon inspizieren wir, lediglich einigermaßen benetzt, dann spült uns der anhaltende Niederschlag in das anheimelnd beleuchtete Nargile, 73 Hanover Street. Der türkische Besitzer persönlich empfängt uns im noch fast leeren Restaurant. Ein Tisch für zwei ohne Reservierung? Erst ernstes Kopfschütteln, dann eine Pause und breites Grinsen. What a naughty little beggar! Als Vorspeise wählen wir ein Mezze-Potpourri: Rote-Bete-Salat, warme marinierte Hähnchenkeulen, geschnetzeltes Lamm, Hummus und verschiedene vegetarische Miniaturen. Alles fein gewürzt und überaus delikat. Begleitet von einem fruchtig-leichten, türkischen Rotwein, setzt sich der Genuss mit dem nächsten Gang genauso köstlich fort: Gegrillte Hähnchenrouladen mit Krebsfleisch-Füllung (sic!) in einer Zitronen-Kapern-Sauce bzw. Lammfleisch, Auberginenpüree und Pitawürfel in einer sämig-würzigen Tomaten-Butter-Sauce. Exzellent!

Wir beschließen das Dinner – und dieses Kapitel – mit einem ungesüßten türkischen Mokka (Kardamom-gewürzt) und kugeln durch die nassen, nachtbeleuchteten Straßen Edinburghs zurück in unser kleines Hotelzimmer.

Grüezi!

Dieses Wochenende steht eine Kurzreise nach Basel auf dem Programm. Per Billigflieger von Hamburg, dem »Venedig des Nordens« in die Schweiz, das »Japan Europas«: Ein relativ kleines Land, die Einwohner sind als fleißig, wohlhabend, humorlos und etwas verschroben verschrien und wenn sie sich unterhalten, verstehen Außenstehende kein Wort. Auf unsere Bierorder im Wirtshaus heißt es z.B.: »Mechz aach eppisch z’asse?«

Hmwasmeintderjetzthabendiehiermehreresortenodernurhellesodernurdunkles
odernurnulldreiodernullfünfoderistamwochenendeüberhauptkeinbierausschank
achessenderfragtobwirwasessenwollendiespeisekartenatürlichgerne … – »Ja.«
Die ca. fünf Dechiffriersekunden, in denen ich den Kellner unverständig anglotze, kommen mir endlos vor.

Nach anfänglichem Regen zeigt sich der Oktober von seiner goldensten Seite. Auf dem Platz um das Hotel verschlossene Buden, geparkte Schaustellerwagen, halbfertige Fahrbetriebe und eine Riesenradbaustelle – offenbar soll hier demnächst ein »Chilbi« (Kirmes) stattfinden. Schade, dass wir dann schon wieder weg sind. Wie gerne hätt’ ich mir an diesem verlockend beschrifteten Stand einen ofenwarmen, knusprig-süßen Wildnagersnack reingezogen …

Kirmesbude

Vorratshaltung

Angesichts einer bevorstehenden Kurzreise bedurfte mein Kühlschrank nochmal einer vorherigen Ausmistung. Angebrochenes, leicht Verderbliches? Weg damit, ehe es einem bei Heimkehr mit irgendwas wedelnd im Flur freudig entgegengelaufen kommt. Von ganz hinten funkelt mich hämisch beim Aufräumen an, was ich irgendwann mal bedarfsweise oder im Affekt gekauft habe (»DAS hab ich ja EEEWIG nicht gegessen«), um es dann zu Hause fast unberührt seiner Verderbnis entgegendämmern zu lassen: Quark, Cornichons oder Oliven im Glas, ungekühlt im Obstkorb auch gern mal Bananen. Oder, was sich dermaßen quälend langsam verbraucht, dass eigentlich ein Bruchteil der einzig erhältlichen Packungsgrößen völlig ausgereicht hätte, um davon Monate, wenn nicht Jahre zu zehren:

Butterschmalz, Worcestersauce, Kapern, Paniermehl. Im Vorratsschrank stapelt sich Scheinverbrauchtes. Darunter fällt alles, was man spontan vorsorglich kauft, weil man meint, es sei alle, was es aber keineswegs ist – wie man nach dem Einkauf, um Stauraum ringend, erkennt. Exemplarisch: Nudeln, Reis, Dosentomaten. Nett gemeint und zweifellos köstlich, aber leider abseits raschen Konsums: exotische Geschenkzutaten aus dem kulinarischen Freundeskreis. Aprikosenkernöl, Südafrikanisches Reisgewürz oder Honigessig aus der Toskana. Die Freundschaft bleibt, die Aromen verfliegen.

Gelobt sei, was sich regelmäßig verbraucht: Wein, Schokolade, Brot und Kaffee.

Es ist überall!

Aargh! Gammelfleisch gets me! Nach abendlicher Heimkehr ereilte mich bei der kurzfristigen persönlichen Dinnerplanung ein plötzlicher bajuwarischer Appetitflash: Mmh – Leberkäse mit Spiegelei an Sauerkraut. Also flugs nochmal um die Ecke zum lokalen gelb-blau beschilderten Supermarkt meines Vertrauens. Welches nach dem Blick ins Kühlregal jedoch rapide schwand, denn der enthüllte Grauenhaftes: der komplette Restvorrat von rund zehn Leberkäse-Packungen seit zwei Tagen ABGELAUFEN! Skepsis. Misstrauen. Genau hingeschaut. Sieht ja eigentlich noch ganz rosig aus. Aber auch ein bisschen schmierig. Eine Geruchsprobe würde die Gewissheit vertiefen, aber die Situation möglicherweise ungewollt komplizieren.

Ausweichprodukt? Vielleicht Nürnberger Rostbratwürstchen? Tatsächlich: in der Truhe nebenan liegen noch zwei Vakupacks – mit immerhin zukünftigem Ablaufdatum. Aber holla: unter dem Haltbarkeitsetikett lugen Klebereste abgelöster Vorläuferetiketten hervor. SKEPSIS. MISSTRAUEN. Nö, jetzt doch lieber woanders einkaufen. Getrübt wurde die dann doch noch erfolgreiche Fleischbeschaffung (klingt irgendwie rotlichtmäßig) von Gewissensbissen: hätte ich »pro-aktiv« tätig werden und die Marktleitung von dem Missstand informieren sollen? Liegt bald aufgrund meiner Ignoranz irgendeine trübsichtige Barmbeker Oma nach dem arglosen Kauf und Verzehr der maroden Fleischbatzen im Gammelkoma?
Morgen Salat.

Sehr schön hat es Heinz Becker mal auf den Punkt gebracht: »Früher henn die Leut’ des Esse fortg’schmisse, wenn’s schlecht wor. Heut esse Se’s, nur weil druffsteht, dass es noch gut is.« (Die unzureichende schriftliche Übertragung ins Saarländische bitte ich mir nachzusehen)

Abgeschmeckt

Drei Dinge, die ich als Kind gerne gegessen habe, die heute aber völlig an mir vorbeigehen:
1. Dosenravioli
2. Scheibletten
3. Schokoküsse

Drei Dinge, die ich als Kind gehasst habe, die dann irgendwann doch einen festen Platz auf meinem Speiseplan gefunden haben:
1. Tomaten
2. Muscheln
3. Kaffee

Drei Dinge, die ich heute wie damals nicht runterkriege:
1. Alle Innereien, außer Leber
2. Sülze im weitesten Sinne
3. Weichgekochte Eier
4. (Bonusbeitrag) Karpfen Blau

Drei geliebte Dinge, die seit Kindertagen unwiederbringlich aus den Lebensmittelregalen verschwunden sind:
1. Hausgemachtes Thüringer Mett aus metzger-eigener Schlachtung
2. Miami Flip von Langnese
3. Tomaten-Schmelzkäse-Ecken

Drei Leckereien, die ich gern viel früher als geschehen für mich entdeckt hätte:
1. Pastinaken
2. Rote-Bete-Chips
3. Gefüllte Zucchiniblüten

Dreimal Nervennahrung, ohne die das Leben echt ärmer wäre:
1. Eiscreme, idealerweise vom guten Italienischen Eisdealer
2. Edel-Bitterschokolade, z.B. Hachez Cocoa de Maracaibo 55%
3. Guter Cappuccino, frisch aus der Maschine

Drei Länderküchen, denen ich mich genussvoll blind ergebe:
1. Indisch
2. Italienisch
3. Syrisch/Libanesisch

to be continued …