Kategorie: Von der Tageskarte

Kaum passiert, schon gebloggt

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Als ich vor ein paar Tagen im Fahrradkeller meinen Stromzähler ablas, um die jährliche Selbstablesekarte auszufüllen, habe ich mich gefreut. Ich dusche täglich, ich koche gern, ich besitze eine Waschmaschine (aber keinen Trockner), ich wärme mein Essen in der Mikrowelle auf, mein Fernseher und mein Computer sind abends oft stundenlang an, mein Haar ist so kurz, dass ich keinen Fön brauche, ich nutze an vielen Stellen Energiesparlampen (ganz begeistert bin ich jüngst von diesen tollen, schadstoffarmen LED-Birnen) und lasse das Licht möglichst nur in den Räumen brennen, in denen ich mich aufhalte.

Und irgendwie klappt’s mit dem Stromsparen. Der Richtwert der Stromversorger für einen Einpersonenhaushalt liegt zwischen 1.500 und 2.000 kWh. Geht doch.
Und jetzt wechsele ich noch zu Ökostrom.


Foto: © formschub

Menschenleer

Schon seit geraumer Zeit faszinieren mich Orte in größeren Städten, die ursprünglich für die »Massenabfertigung« größerer Menschenmengen konzipiert wurden, die ich aber zu bestimmten Zeiten oder in nur kurzen, zufälligen Momenten komplett verlassen vorfinde. Vielleicht wird ja eine kleine Serie daraus – hier sind zumindest schon mal zwei Motive.

Update Juni 2020: Im Zuge des Lockdowns zu Beginn der Corona-Pandemie hat der Hamburger Fotograf Andreas Vallbracht die Gelegenheit genutzt, menschenleere Orte zu fotografieren, die sonst 24/7 vor Passanten und Touristen nur so wimmeln. Ein gespenstisches Portfolio.


Fotos: © formschub

Essen ist fertig!

Ich betrachte die Aufregung um den sogenannten »Pferdefleisch-Skandal« mit einem, sagen wir, irritierten Brauenrunzeln. Ja, es ist wahr: das in Fertiggerichten gefundene Pferdefleisch gehört dort nicht hinein. Insbesondere nicht, wenn es auch noch mit Rückständen von Medikamenten oder anderen schädlichen Stoffen versetzt ist. Und wäre es unbelastetes Pferdefleisch und gehörte dort hinein, müsste es zumindest in der Zutatenliste auf der Verpackung angegeben sein. Und von mir aus kann man auch gern der Meinung sein, dass irgendwelche Kontrollen versagt haben, die jetzt natürlich verschärft werden müssen. Wie das einzuhalten ist, sei mal dahingestellt.

Meine Meinung dazu ist: dieser Vorfall passt auch dann ganz klar ins Bild, wenn alle Vorschriften eingehalten worden wären, weshalb er mich auch nur mäßig verwundert. Skandale dieser Art sind vermutlich nicht vermeidbar, aber man kann ihnen als Konsument in gewissem Rahmen vorbeugen – indem man bewusster einkauft.

Ich bin ein leidenschaftlicher Packungstextleser. Schon als Kind habe ich auf dem Frühstückstisch die Werbeprosa und Zutatenlisten auf Cornflakespackungen, Margarinebechern, Kababoxen und Milchtüten gelesen, weil ich eben gern lese, auch, während ich kaue. Nachdem ich dann als Heranwachsender das Kochen als Hobby für mich entdeckt hatte, setzte ich diese Gewohnheit einfach beim Lebensmitteleinkauf im Supermarkt fort.

Nach der Lektüre tausender Aufschriften auf Wurstpackungen, Ketchupflaschen, Joghurtbechern, Käseecken und Brotbeuteln war die logische Schlussfolgerung aus dem Meisten, was dort stand, für mich: fast jedes industriell nach einer »Rezeptur« hergestellte Lebensmittel – je biliger, desto wahrscheinlicher – wird zur Profitmaximierung des Herstellers nach drei aufeinanderfolgenden Prinzipien »komponiert«. Zunächst werden die Zutaten ausgesucht. Dabei werden Rohstoffe, die hochwertig oder teuer sind (z.B. Olivenöl, Nüsse) entweder durch billigere oder minderwertigere Ersatzstoffe vollständig ersetzt (dann: Pflanzenöl, Mandeln) oder – um als »ausgewählte Zutaten« die Inhaltsliste kulinarisch zu frisieren – nur in homöopathischen Mengen zugefügt (etwa sagenhafte 5% Hühnerfleisch in der Tütenhühnersuppe). Im zweiten Schritt wird die Rezeptur dann durch billige Füllstoffe gestreckt bzw. verdünnt, die nach nichts oder fast nichts schmecken: Wasser oder Molke sind hier z.B. sehr beliebt. Und zum Schluss – denn die blasse, dünne Plempe würde jetzt keinem Kunden mehr schmecken – wird das ganze dann mit Gewürzen, Aromen, Geschmacksverstärkern, Farbstoffen und den fast allgegenwärtigen Verdickungsmitteln (Carrageen, Xanthan, Gummiarabikum, Johannisbrotkernmehl oder »modifizierte Stärke«) wieder einigermaßen auf Geschmack und eine simuliert gehaltvolle Konsistenz gepimpt.

Unerklärlicherweise sind viele Produkte sehr populär, die auf genau diese Weise hergestellt werden – etwa einer der bekanntesten Frischkäse, nach dem auch eine beliebte Torte benannt ist. Im Konkurrenzprodukt der Firma BUKO (ich mach jetzt ausnahmsweise mal aus Überzeugung Werbung) ist nur Frischkäse und Salz – und es kostet nahezu genausoviel. Ich kann nicht erkennen, dass die Zusatzstoffe des Marktführerprodukts im Vergleich eine Verbesserung der Qualität, der Haltbarkeit oder des Geschmacks mit sich bringen. Sie erhöhen meines Erachtens lediglich die Gewinnspanne. Ich zumindest möchte keine Gelatine in meinem Fruchtjoghurt haben oder modifizierte Stärke in der Mayonnaise, kein Carrageen in der Schlagsahne, kein Kartoffelmehl im Pesto und traue Herstellern, die bereits bei der vorschriftsmäßigen Deklaration ihrer Produkte erahnen lassen, dass sie bei Ersatz- und Zusatzstoffen aus dem Vollen schöpfen, eher ein unehrliches oder gar skandaltaugliches Verhalten zu.

Industriell zubereitete Lebensmittel und Fertiggerichte sparen in den meisten Fällen kein Geld, in vielen Fällen keine Zeit, aber in den allermeisten Fällen an Qualität und Geschmack. Das populäre Argument »aber Wenigverdiener können sich doch nur Fertigfood leisten« halte ich für Unsinn. Wer sich nur ein bisschen kundiger macht, die Packungstexte liest, sich mit den elementaren Zutaten und Inhaltsstoffen vertraut macht oder – wenn die Motivation da ist – auch mal selber was kocht oder zubereitet (oder auch nur Rezepte liest, um zu verstehen, was in bestimmten Speisen oder Esswaren eigentlich idealerweise drin sein sollte), kann der Foodmaskerade der Industrie schon sehr weiträumig (und preiswert) aus dem Weg gehen. Das Internet macht diese Weiterbildung einfach wie noch nie.

Pauschales Rumjammern und Klagen über die ach so böse Lebensmittelmafia sind kein Zeichen von Mündigkeit, im Gegenteil: Wissen und Erfahrung machen mündig, weil sie zu einem eigenen Urteil und eigenen Entscheidungen befähigen und diese nicht anderen überlassen. Lest Euch durch, was drin ist, setzt dies in Relation zum Preis des Produkts, vergleicht mit Alternativen im Regal oder aus »eigener Produktion«. Und dann wählt den Weg, dem Ihr am meisten vertraut und lasst es Euch schmecken.


Foto: © formschub

Schweinkram

Wun. Der. Bar. Endlich wieder eine Gelegenheit, den inneren Poeten von der Leine zu lassen. Der Kommentarbereich im Blog von Isabel Bogdan birst nach Ihrem Aufruf zum rüden Reimen gerade vor Leserbeiträgen, die sämtlich drei Dinge miteinander gemeinsam haben: es sind Limericks, sie sprühen vor Ideenreichtum und – sie drehen sich samt und sonders um Sex. Oder Erotik. Oder Masturbation, Geschlechtsverkehr und Co. Schweinkram, eben. Ich möchte daher eine dringende (NSFW-)Besuchs- und Leseempfehlung aussprechen und nachdrücklich auch zum Mitmachen anregen. Vielleicht wird’s ja sogar ein Buch …

Um vorab einen wenigstens kleinen Eindruck davon zu vermitteln, was Besucher dort drüben erwartet, hier die beiden drei Pornofünfzeiler, zu denen mich dieser große Spaß inspirierte:

Es war mal ein Dichter aus Plön,
dessen Verse war’n immer obszön.
Sie wimmeln vor Brüsten,
Schwänzen, Mösen und Lüsten,
doch liest sich das trotzdem recht schön.

Ein sehr schüchterner Boy aus Marseille
liebte Sarah (aus PVC).
Doch beim Liebesspiel
barst prompt das Ventil
und die Leidenschaft endete jäh.

Update: … und noch eins

Ein Bisexueller aus Maine
hatt’ ein Date – die Lady hieß Jane.
Auf dem Weg dorthin dann
sprach ein Tarzan ihn an,
da entschied er: »Ich nehm lieber den!«

Bei sowas muss ich einfach mitmachen. Ich kann | nicht | anders.


Foto: © formschub

So isses.

Zur aktuellen Diskussion über Sexismus im Alltag (Hashtag #aufschrei bei Twitter) hier ein Auszug aus dem Blogartikel »Danke #aufschrei« von Journelle, bei dessen Lektüre ich nahezu permanent mit dem Kopf nickte:

Und ja, ich schaue mir gern hübsche Männerärsche an und erfreue mich an großen Männern mit breiten Schultern und langen Beinen aber ich fasse ihnen nicht auf den Po und in den Schritt. Ich bitte sie nicht, über ihre Brusthaare streicheln zu dürfen. Selbst besoffen habe ich mich so gut im Griff, dass ich nicht meinen Unterleib beim Tanzen an Männern reiben muss.

(…)

Abgesehen davon, dass meiner Erfahrung nach die Triebhaftigkeit nichts mit dem Geschlecht, sondern geschlechtsneutral indidviduell ist, ist das doch keine Rechtfertigung. Wenn ich mich nicht im Griff habe, handelt es sich nicht um das genetisches Erbe, sondern um ein Armutszeugnis. Penisse müssen nicht aus der Hose genommen werden, keine Hand muss auf einer großen, hübschen Brust landen, Pos in gut sitzenden Hosen müssen nicht anzüglich kommentiert werden.

Der komplette Blogbeitrag ist leider inzwischen offline, aber im Internet Archive nach wie vor verfügbar.


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