Autor: ProstetnikVogonJeltz

Schmeiß weg, das Ding!

Vergesst Photoshop. Coole abstrakte Bilder mühsam mit Brushes und Filtern zu erzeugen, ist out. Es funktioniert – mit etwas Übung – wortwörtlich im Handumdrehen. Das Stichwort heißt Camera Tossing, auf deutsch: wirf Deine Kamera in die Luft, während sie belichtet. Natürlich sollte man gut fangen können, sonst wird’s schnell ein ziemlich kostspieliges Hobby, aber die Ergebnisse sind der Hammer.

Ein virtuoser Anhänger dieser ungewöhnlichen Kunstform ist der Programmierer Jens Ludwig aus Radolfzell-Güttingen. Beim Betrachten seines abstrakten flickr-Fotostreams kommt man völlig drogenfrei auf einen visuellen Trip der besonderen Art. Gerade neulich dachte ich noch: »Meine alte Digicam könnte ich auch langsam mal wegschmeißen.« Aber wieder auffangen ist natürlich umweltfreundlicher.

Camera Tossing
Thumbnails: © Jens Ludwig

Lasst Euch entern!

Edel-Imbissbuden schießen – zumindest hier in Hamburg – in jüngster Zeit wie Pilze aus dem Boden. In dem Bemühen, Currywurst und Pommes ihren proletarischen Nimbus zu nehmen und sie zu gesellschaftsfähigen (womöglich sogar halbwegs gesunden) Delikatessen zu adeln, überbieten sich die Fritten-Startups in ihrem Einfallsreichtum.

Im wohlstandsaffinen Shoppingareal Große Bleichen lockt das Restaurant Edelcurry hungrige Citycruiser mit elf hausgemachten Saucen, in Hamburg-Eppendorf versucht Curry Queen (Update: inzwischen geschlossen) Imbissjünger davon zu überzeugen, dass eine Currywurst (fettarm vom Lavagrill oder sogar vegetarisch) auch ohne Pommes eine vollwertige Mahlzeit sein kann und in Winterhude bei Currywurst Company (Update: inzwischen geschlossen) können sich hedonistisch gesinnte Curryfans ihre Wurst sogar mit Blattgold bestreuen lassen. Nunja.

Etwas unscheinbarer und abseits der glitzernden Straßenzüge der Metropole findet sich daneben eine kleine, feine Gourmet-Imbiss-Enklave der besonderen Art: hier befährt der Hamburger Spitzenkoch Michael Weißenbruch (Ex-Betreiber der Restaurants »à Table« und »Clasenhof«) mit seiner Partnerin Monika Hamann als Curry Pirates die endlosen Ozeane feiner Wurstaromen.

Alle Würste und Saucen werden nach eigenen Rezepten selbst hergestellt, die grob geschnittenen belgischen Pommes sind mit einem besonderen Pyramidensalz gewürzt. Und das steht auf der Karte: Currywurst mit getrockneten Aprikosenstückchen, italienische Kräutersalsiccia mit Tomaten-Senfsauce, Lamm-Merguez mit Joghurt-Minzsauce, German Ox mit Apfelwürfeln inside und Wasabisauce (siehe Foto) oder Hamburger Weißwurst mit eingebettetem Lachskaviar.

Dazu gibt es jede Woche im Wechsel eine neue Spezial-Wurstspezialität. Ich habe bislang rund ein halbes Dutzend der köstlichen Kreationen probiert und hier definitiv meinen persönlichen Edel-Imbissfavoriten gefunden. Weniger Chichi, dafür mehr Phantasie, beste Qualität und 100% Geschmack. Hinrudern!

Curry-Pirates

German Ox
Fotos: © Curry Pirates (oben) | © formschub (unten)

Kochen auf Schloss Schmarsow

Was schenken, wenn der Geburtstag des Partners naht? Gemeinsame schöne Erlebnisse liegen nicht nur im Trend, sondern haben auch deutliche Vorteile gegenüber industriellen Massenprodukten. Und wenn man dann auch noch gemeinsame Hobbies wie das Kochen teilt, liegt der geeignete Geschenktipp klar auf der Hand: ein Kochkurs für zwei, gebucht bei der kulinarischen Buchhandlung und Kochschule Kochlust in Berlin.

Rund 25 Kochkurse mit den verschiedensten Themen stehen monatlich auf dem Programm, die meisten in der hauseigenen Küche. Doch ein bis zwei Kurse pro Monat bieten geneigten Hobbyköchen eine kulinarische Fortbildung in ganz besonderem Rahmen: dem rund 220 km von Berlin entfernten barocken Schloss Schmarsow. Das etwa 1620 erbaute Gemäuer, heute im Besitz einer Architektin, wurde liebevoll renoviert und teils stilecht mit antikem oder restauriertem Interieur ausgestattet, teils mit originellen innenarchitektonischen Details, die behutsam eine Brücke in die Gegenwart schlagen. So sind statt in museal gedeckten Tönen die Wände in einem der Schlosszimmer in sakralem Purpur gestrichen, oder Türstürze und Wände mit Textmalereien verziert, die einen leisen Humor in den Raum senden.
Darüber hinaus beherbergt das Schloss vier Ferienappartements, was außer uns noch sechs Kochkursteilnehmer nutzen, zu einem absolut fairen Preis den durchkochten Tag ohne abendlichen Abreisezwang ausklingen zu lassen.

Unser Kurs beginnt am Samstag nachmittag pünktlich um 15 Uhr. Neun Teilnehmer haben sich für die heutige Küchenschlacht angemeldet. Auf dem Programm steht ein italienisches Buffet: Hühnerlebercrostini, marinierte rote Paprika, Tomaten-Bohnen mit Finocchiona-Salami, gefüllte Mortadellapäckchen, Salat mit gewürztem Nusskrokant, Käsecreme mit Gemüsesticks, frittierte Auberginen mit Tomatenconfit und Ziegenkäse, buntes Ofengemüse und Apfeltartes Tatin mit Blätterteig und Karamell. Nach dem ersten Rezept, das einige der Lernwilligen unter Anleitung der Kursleiterin Denise vorkochen, wird die Gruppe aufgeteilt und arbeitet simultan, von Denise ebenso gutgelaunt wie straff koordiniert, an den weiteren Leckereien. Ein unschätzbarer Luxus im nun einsetzenden Küchengewusel sind die zwei dienstbaren Assistentinnen, die permanent alle benutzten Kochwerkzeuge, Schüsseln, Abfälle und Verpackungen diskret wegräumen oder gleich wieder abspülen. So was zu Hause wär schön. Überall wird geschnibbelt, geschält, gehackt und geknetet, frittiert, gebacken, gekocht und gerührt. In faszinierendem Tempo nehmen die geplanten Gerichte Gestalt an. Nebenan im Speisesaal ist ein großer Tisch festlich gedeckt und schon nach etwa drei Stunden biegt sich die Tafel unter der Last des kollektiv kreierten Büffets. Kaum zu glauben, dass nur kurz zuvor alle Zutaten noch roh und verpackt auf der Küchenanrichte lagen.

Der Rest des Abends vergeht mit ungehemmtem Schlemmen, weiterem gegenseitigem Kennenlernen, geselligen Gesprächen, spritzigen Anekdoten, bunten Reisegeschichten, kulinarischem Erfahrungsaustausch und so manchem Glas Wein. Erst gegen Mitternacht zeigt die bunt gemischte Runde allmählich Ermüdungserscheinungen und auch wir ziehen uns in unser Schlossgemach zurück. Was bleibt, ist das tolle Gefühl, einen außergewöhnlichen und schönen Tag verbracht zu haben, an den sich wohl alle Beteiligten noch lange erinnern werden. Einen Tag wie ein Geschenk.

Kochkurs Schmarsow
Fotos: © formschub

Das Große im Kleinen

Fragmente von Schmetterlingsflügeln? Digital gefilterte Satellitenfotos? Mysteriöse Stoffetzen? Alles falsch. Die wunderschöne Fotoserie Cell Images* des Projekts Digital Dendrology der Künstlerin Jordyn Meredith zeigt hauchdünne mikroskopische Querschnitte von – Zweigen. In hundertfacher Vergrößerung enthüllen die eingefärbten, auf schlichtem Weiß fotografierten dendrologischen Präparate faszinierend-filigrane Zellstrukturen von Holz und Rinde. Natur als Kunst. Nur scheinbar unscheinbar – bis man genauer hinsieht.

*(Leider führen die Thumbnail-Links zu den Full-Size-Bildern ins Leere. Manueller Zugriff ist möglich, wenn man im Verzeichnispfad der .jpg-Thumbnails jeweils das Verzeichnis /thumbnails/ durch /images/ ersetzt. Beispiel: Thumbnail / Full-Size-Bild)

Digital Dendrology
Images: © PhyreDesigns | Jordyn Meredith

Kannnichtanders*

  • Werden posthum veröffentlichte LPs als Grabplatten gehandelt?
  • Finden sich im Antlitz altgedienter Wäscherinnen auch Bügelfalten?
  • Hat ein wiederholt rückfälliger Ganove im Knast eine Stammzelle?
  • Tragen Boxer im Ring speziell angefertigte Schlaghosen?
  • War die Ratzinger-Figur auf dem Karnevalswagen neulich aus Papstmaché?
  • Und enthalten alle Brechmittel dieselben Würgstoffe?

* infiziert wurde ich hier und hier.

Wer knackt den Kot?

Wieder mal Werbung, die ich nicht verstehe. Wenn auch nur im Detail. Der oberflächliche Betrachter dieses Citylight-Aushängsels am Hamburger Dammtor mag mutmaßen, es handele sich ganz straight um ein Außenwerbemittel, welches eine außergewöhnliche Ballung von IT-Kompetenz in Niedersachsen propagiert, belegt durch den aktuellen Veranstaltungstermin der CeBIT Hannover. So weit, so gut.

Doch bei näherem Hinsehen fällt dem aufmerksamen wartenden Zugpassagier der vermeintlich fehlerhafte Fleck unterhalb der Headline ins Auge (grüner Pfeil). Dieser entpuppt sich im Closeup mitnichten als Fehler, sondern als eine hübsch auf einem Strohbouquet drapierte Ansammlung von Stoffwechselendprodukten der Spezies Equidae (vulgo: Pferdeäpfel). Was man auch erst mal erkennen muss, da der Haufen derart verschämt winzig wiedergegeben ist, dass er eher der Losung eines Rammlers gleicht. Ich frag mal ganz offen: Was macht die Reittierkacke auf dem IT-Plakat?

Ja, ich habe den Abbinder mit Pferdebezug am Fuß des Plakates gelesen. Aber das macht mich weder schmunzeln noch verstehen. Sind Computer scheiße? Machen Pferde in Niedersachsen überall hin, sogar auf Plakate? Ist die Messe kacke und man sollte lieber zu Hause bleiben? Oder ist das ein geheimer Marketingkotcode und man kann richtig was gewinnen, wenn man drauf kommt? Gerne würde ich noch weiter rätseln, aber, ach, da kommt mein Zug. Shit!

Nachtrag: Niedersachsen informiert über die Kampagne. Stichworte: Jung von Matt, Marketingpreis, Prise Humor. Na dann …

Kotplakat

Kitchen-Kitsch

So aufgeschlossen ich gegenüber allen Verlockungen der modernen Küche bin, so entzückt bin ich immer wieder beim Blättern in Kochbüchern aus den späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahren, von denen ich einige gut erhaltene Exemplare auf Flohmärkten erstöbert habe: etwa das »Dr. Oetker Schulkochbuch« – das Standardwerk der Generation meiner Mutter – oder »Kalte Platten« aus der famos betitelten Reihe »Hans Buzengeiger plaudert aus seinen Garnierkursen, Band 2«. Wobei die darin verzeichneten Rezepte eigentlich Nebensache sind.

Viel faszinierender sind die Bebilderung und die Typographie: Schwungvolle handgezeichnete Schreibschriften, stilvolle Illustrationen auf Frontispiz oder Kapiteltrennseiten und fantastisch-bonbonbunte Foodfotos. Ziel der »Foodstylisten« jener Zeit (falls es dieses Berufsbild schon gab) schien es zu sein, Essen jenseits der Grenze des Essbaren zu inszenieren, entweder kitschig überdekoriert oder mit fast geometrischer Strenge.

Freunde dieser kulinarisch-fotografischen Opulenz werden auch bei flickr fündig: der komplette Bilderpool »Vintage Cookbooks« widmet sich dem (foto)grafischen Andenken der Kochbücher unserer Mütter und Großmütter. Einige der ergiebigsten und besten Galerien finden sich in den Fotosets der Mitglieder Charm and Poise, amy_b und Be the HBIC. Die Flickr-Seite drmvm widmet sich dem Spezialthema »Partybuffets« und weitere Retro-Küchenfotos außerhalb dieses Bilderpools findet man auch bei Pinterest. Ich glaube, ich muss auf jeden Fall bald mal wieder zum Flohmarkt.

Eieruhr
Foto: Kalte Platte »Eieruhr« aus dem o.g. Kochbuch von Hans Buzengeiger