Mobiles Schlemmen

Wohin nur?
Nach einer kleinen Sendepause hier im Blog heute mal wieder ein paar Restauranttipps. Da ich seit Anfang August (nach vierwöchiger Wartezeit wegen Lieferengpässen) inzwischen ebenfalls stolzer iPhone-Besitzer bin, habe ich natürlich gleich nach mobilen Applikationen – »Apps« – gesucht, die mir unterwegs und auf Reisen bei der kulinarischen Orientierung behilflich sind.

Neben »Around Me« (Link zum iTunes Store) habe ich insbesondere »Qype Radar« (leider nicht mehr erhältlich) ausprobiert – vorerst in Hamburg und Berlin – und bei allen drei Gastro-Testläufen Volltreffer gelandet. Das App, herausgegeben vom populären Empfehlungsportal Qype (inzwischen übernommen vom Konkurrenten Yelp), ermittelt den aktuellen Standort des iPhone-Nutzers und empfiehlt umliegende Locations zu den eingegebenen Suchbegriffen in einer nach Entfernung gestaffelten Liste, Userbewertungen inklusive.

O Café Central (Portugiesisch), Hamburg
Ein spontaner Anruf einer Freundin, die aus ihrem Niederländischen Exil zu Besuch in Hamburg war, war der Anlass für die Premiere von Qype Radar. Sie gab mir ihren Aufenthaltsort durch, ich ließ mich meinerseits per iPhone lokalisieren, wir besprachen unsere Appetitvorlieben und wurden vom Qype-Radar und vielen positiven Bewertungen ins O Café Central (inzwischen leider geschlossen) geleitet. Das urige kleine Souterrain-Restaurant ganz in der Nähe des Hamburger Rathausmarktes lud an dem warmen Augustabend mit weit geöffneten Fenstern und Türen zum sommerlichen Genießen ein. Die übersichtliche, aber vielseitige Karte wurde durch Empfehlungen auf einer Schieferwandtafel ergänzt und listete neben Tapas, Salaten und Suppen auch Fleisch- und Fischgerichte auf. Ich entschied mich beim Erstbesuch für in Rotwein gegarte Chorizo auf lauwarmem Linsensalat (5 EUR), Hähnchenröllchen mit Bergkäsefüllung im Serrano-Schinken-Mantel (6 EUR) und warmen Ziegenkäse in Rosmarin-Honig (3,50 EUR). Die freundliche Bedienung, interessante Zutatenkombinationen und moderate Preise hinterließen rundum einen exzellenten Eindruck und machten Lust auf einen erneuten Besuch.

3 MOMS, Berlin
Nach einer entspannten Samstagnachmittag-Shopping-Citytour auf dem Fahrrad bei herrlichstem Spätsommerwetter waren die Präferenzen fürs Abendessen klar: Draußen sitzen und leichte Küche, am besten asiatisch. Ein Blick aufs Qype Radar machte auf einen »Geheimtipp« in der Nähe aufmerksam: Das kleine, familiär geführte Vietnamesische Restaurant 3 Moms besitzt eine gemütlich begrünte Außensitzterrasse, liegt fast schon etwas versteckt in einem reinen Wohngebiet und wird in den Besucherkommentaren geradezu über den grünen Klee gelobt. Wir haben Glück, weil wir schon um 18:30 Uhr und damit recht früh eintreffen – gut eine Stunde später ist die Terrasse voll besetzt. Frische, unfritierte vietnamesische Sommerrollen mit leckerem Erdnussdip bilden ein köstliches Entrée, mit leckeren Kräutern, Gemüsen und verschiedenen Fleischsorten, hauchdünn in Reisteig eingehüllt, fast wie ein Salat. Auch das Hauptgericht mit knusprigem Entenfleisch und Gemüse, ist super gewürzt und passt mit dem knackigen Gemüse perfekt zur sommerlichen Stimmung. Die Preise sind selbst für Berlin unglaublich günstig: für zwei Personen – jeweils Vorspeise und Hauptgericht plus Getränke – bleiben wir unter 30 EUR. Der Name des Lokals, so heißt es, rührt tatsächlich daher, dass drei Mütter in der Küche am Herd stehen. Essen wie bei Muttern – nur eben auf Vietnamesisch: Cảm ơn! Ngon lắm. (Danke! Es war köstlich.)

Volver, Berlin
Freitagabend im ICE Richtung Berlin, Ankunft etwa gegen 21:00 Uhr, und es regt sich Appetit. Noch könnte man draußen sitzen – aber wo? Die Gegend um den Berliner Hauptbahnhof wirkt nicht gerade wie ein gemütlicher Kiez – doch ein Blick ins Qype Radar macht Hoffnung: zahlreiche Besucher empfehlen das keine anderthalb Kilometer entfernte spanische Tapaslokal Volver, wohl vor nicht allzu langer Zeit nach einem Pächterwechsel neu benannt (nach dem Film Pedro Almodóvars?), denn ältere Einträge zu dieser Adresse sprechen noch von »Papas Tapas«. Vorbei am fancy Bundespressestrand, wo sich lärmendes Szenevolk vergnügt, liegt das Volver an einer Straßenkreuzung einige Ecken weiter – und offeriert auf dem Bürgersteig sogar einige Außensitzplätze, die wir bei dem inzwischen mäßigen Abendverkehr gerne annehmen. Der sehr nette Kellner gab ausführlich Auskunft zu den Gerichten und Weinen in der Karte, nannte ergänzend einige Tagesgerichte und riet uns, zusammen nicht mehr als 5–6 Tapas zu ordern – ein Tipp, für den wir später noch dankbar sein sollten, denn die Portionen waren ebenso üppig wie schmackhaft. Der zu den delikat gewürzten Gemüse-, Fleisch- und Fischhäppchen gewählte Wein (Karma de Drac 2003 von der Kellerei Celler Los Trovadores, gekeltert aus Mazuela, Garnacha, Tempranillo und Cabernet Sauvignon) setzte dem Abend eine rotleuchtende Krone auf und ließ uns den Namen des Lokals wörtlich nehmen: »zurückkommen«. Das werden wir auf jeden Fall tun.

Qype Asterisk Logo: © Qype| Original Image: © Anders Pollas | Some rights reserved

Vom Mühen und Scheitern

Laut einer Studie der GfK gehöre ich zur Minderheit der Deutschen, die pro Monat gerne mehr als dreimal »auswärts« essen gehen. Davon profitieren zwar oft – bevorzugt in Hamburg oder Berlin – Restaurants meines Vertrauens, doch ebenso gerne probiere ich Empfehlungen von Freunden, aus Gastro- und Stadtmagazinen, aus dem Web oder spontane Entdeckungen am Wegesrand aus. Von zweien dieser Erlebnisse handelt der heutige Blogbeitrag.

Das Besondere daran war für mich die Diskrepanz zwischen Ambition und Performance bzw. zwischen Küche und Service. Eigentlich ist es das höchste Lob, nach einem Restaurantbesuch einfach sagen zu können »das war gut« – und zwar alles: Service, Angebot, Preisgestaltung, Essen, Getränke, Atmosphäre. Jede Einschränkung wie »bis auf« oder »außer« trübt das Prädikat. Es gibt aber immer wieder Gastronomen, die auf ihrer Website oder dem Vorblatt der Speisekarte wohlklingende Ansprüche formulieren und sie dann nur teilweise einlösen – in der Hoffnung, dass gute Küche oder edle Innenarchitektur andere Versäumnisse ausgleichen. Doch das gelingt nur selten – und wenn, dann mit bitterem Nachgeschmack.

Die erste gastronomische Begegnung führte mich ungeplant ins Restaurant Louisiana Kid (Update: inzwischen geschlossen) in der Nähe des Hackeschen Markts in Berlin. Es war der Vorabend einer Urlaubsreise und wir wollten zu zweit ohne großen Aufwand in der heimischen Küche ein schönes Dinner genießen. Ungeplant war die Einkehr deshalb, weil unter der angesteuerten Adresse am Stadtbahnbogen nicht mehr, wie erwartet, der Italiener La Rustica residierte, sondern das besagte Südstaatenlokal. Und da im Außenbereich genug Plätze frei waren, beschlossen wir, zu bleiben.

Das freundliche Bedienpersonal brachte die Karte. »Das Louisiana Kid bemüht sich stets, eine möglichst authentische Küche auf den Tisch zu bringen. Alle unsere Gerichte werden frisch zubereitet, in Zeiten des großen Andrangs müssen unsere Gäste daher mit ein wenig Wartezeit rechnen«, hieß es da. Doch da das Lokal nur mäßig besucht war, vernachlässigten wir diesen Hinweis.

Nach der Bestellung folgte ein Abstecher auf die sanitären Anlagen. Dazu war, ebenso wie für die ständig ein und aus laufenden Servicekräfte, der trendy mit Sand ausgestreute Außenbereich zu verlassen und der mit hochglänzenden Steinfliesen ausgelegte Innenbereich zu durchqueren. Hip, aber unpraktisch, denn trotz der großen Fußmatte vor der Eingangstür zog sich innen eine breite, unansehnliche Sandspur ambientemindernd quer durch den Gastraum. Die Toilette (Herren) war tadellos sauber, doch der Seifenspender hing frei an der Wand seitlich neben dem Becken, eine feuchtglänzende Seifenlache auf dem Boden darunter. Statt eines Handtrockners hatte man sich für Papierhandtücher entschieden. Völlig okay, doch das Volumen des dafür vorgesehenen Minimülleimers wäre spätestens nach dem vierten Besucher erschöpft. All das wertet ein Lokal zwar nicht unmittelbar ab, aber wirft dennoch die Frage auf, warum so an der Praxis vorbeigedacht wurde.

Zurück am Platz wurden die bestellten Vorsuppen serviert. Obwohl nicht zum Mitessen gedacht, irritierte mich zuerst der mit Balsamicosirup dekorierte Tellerrand. Als authentisch karibisch empfand ich diese inzwischen allgegenwärtige Dekolangeweile ebensowenig wie die in der Suppe schwimmenden Rosmarincroutons. Geschmacklich war die Suppe – eine tomatige Fischsuppe mit Shrimpseinlage – akzeptabel, allerdings deutlich weniger originell als die englischen Texte in der Speisekarte. In weltgewandter Vorbereitung auf Touristen hatte man dort das in einer Speise enthaltene Krebsfleisch als »Crap Meat« übersetzt. Doch offenbar waren keine Engländer anwesend, denn wir hörten niemanden lachen.

Das Warten auf die Hauptspeise schließlich zementierte die Urteilsfindung. Trotz mindestens halbleerer Tische und ungeachtet einer Zwischenmeldung, eines der beiden Gerichte würde »etwas länger dauern« kam der Hauptgang für meine Begleitung erst auf den Tisch, als ich bereits die letzten Soßenreste vom Teller kratzte.

Egal, aus welchem Anlass und in welcher Konstellation zwei Personen einen gemeinsamen Restaurantabend verbringen: ein solcher Servicelapsus ist indiskutabel. Was im Gedächtnis blieb, waren der freundliche Service, eine herbe Enttäuschung – und etwas Sand unter den Schuhen.

Ortswechsel. In Hamburg gibt es seit einigen Jahren regelmäßig die schöne Initiative des Schlemmersommers. Fast 90 Restaurants servieren im Rahmen des Angebots – 2009 vom 15. Juni bis 15. August – ein mehrgängiges Sommermenü für zwei Personen zum Festpreis von 59 Euro (ohne Getränke). Eine gute Gelegenheit, ausgetretene Genusspfade zu verlassen und etwas Neues auszuprobieren. Unsere Wahl fiel auf das Fillet of Soul auf dem Freigelände hinter den Hamburger Deichtorhallen. Auf dem Speiseplan stand:

  • Rucola-Basilikum-Salat mit Wassermelone, Spargel, Hüttenkäse und Thunfisch im Szechuanpfeffer
  • Poulardenbrust im Serranomantel mit Safranrisotto, Pinienkernen und Paprika-Oliven-Salsa
  • Karamellisierter Key-Lime Pie mit Minzerdbeeren und Joghurteis

Angenehm fern vom bewegten Verkehr dieser Gegend bietet das Lokal einen geräumigen, verglasten Gastraum und einen großzügigen Bereich mit Außensitzplätzen, auf dem wir an dem betreffenden Sommerabend zu viert einen Tisch einnahmen. Obwohl wir beim Eintreffen in das etwa halbvolle Etablissement von einer Servicekraft begrüßt und platziert wurden, vergingen gut zehn Minuten, bis ein Satz Karten an unserem Tisch eintraf. Ebenso geruhsam waren die Intervalle bis zur Aufnahme der Getränkebestellung, deren vollständiger, in mehrere Etappen zerdehnter Auslieferung und der Entgegennahme der Speisewünsche. Doch dann sollten wir erfahren, was Warten wirklich bedeutet.

Etwa eine halbe Stunde dauerte es, bis die Vorspeisen ihren Weg zu uns fanden. Erschwert wurde die Wartezeit zusätzlich dadurch, dass das ziemlich unaufmerksame und m.E. eher nach der äußeren Erscheinung gecastete Serviceteam selbst den Getränkenachschub zur Herausforderung machte. Die Umgangsformen des Personals würde ich noch wohlwollend als »flapsig« bezeichnen, dass es nach einer ersten Kritik an der langen Wartezeit dann zwar einen Getränkegang aufs Haus gab, allerdings nur für zwei von uns Vieren, werte ich als Fauxpas.

Schließlich kam das Essen – und es war phantastisch. Tolle Aromen, fantasievolle Rezepturen, feine Zutaten, originell angerichtet, hervorragend gewürzt. Die gewagte, leichte Kombination der Vorspeisenzutaten inspirierte zu ähnlichen Experimenten in der heimischen Küche, der Kontrast der Konsistenzen im Hauptgericht war wunderbar ausgewogen und die angenehm frischen, nicht zu süßen Komponenten des Desserts bildeten einen perfekten Ausklang. Die nicht zu großen Portionen erlaubten es, ohne schlechtes Gewissen jeden Teller zu leeren und trotz der lauen Abendtemperaturen nicht gleich ins Phlegma zu sinken. Ein großes Lob an die Küchenkünstler, die jedoch ihr offensichtliches Credo »Feines braucht Zeit« (ehemaliger Slogan einer Keksfirma) für mein Empfinden an diesem Abend etwas überstrapazierten. Wir sind auf jeden Fall bereit, dem Fillet of Soul noch eine Chance zu geben. Mit besserem Timing und lernwilligem Personal wäre es eine echte Adresse.

Was ist nun mein Fazit nach diesen beiden Gastroabenteuern? In beiden Fällen hatte ich das Gefühl, dass Wirte, Köche und Kellner sich und ihren Job viel stärker mit den Augen ihrer Gäste hätten sehen sollen. Vielleicht sollten auch sie gelegentlich in einem Restaurant mal richtig gut essen gehen.

Mühen und Scheitern
Fotos (metaphorische Fotomontage):
Dessert © ukcountryhousehotelsandspas | some rights reserved
Dead fly © Samyra Serin | some rights reserved

Roter Hahn

Ergänzend zur ausführlichen Hymne auf den Restaurantbesuch am ersten Abend in Regensburg möchte ich noch eine weitere, sehr gute Location empfehlen, in der wir zwei Mal zum Dinner einkehrten und uns exzellent und zu sehr fairen Preisen verwöhnt fühlten: Das Lokal Roter Hahn. Das in einer ruhigen Gasse der Regensburger Altstadt gelegene Hotelrestaurant ist in schlichtem Stil und gedeckten, warmen Farben eingerichtet und bietet auf drei halbetagenartigen Ebenen reichlich Platz für kulinarisch anspruchsvolle Gäste. Die vielseitige Menükarte mit Vor-, Zwischen-, Haupt- und Nachspeisen reicht von rustikalen Klassikern (Schnitzel) über saisonale Angebote (Spargel) bis zu international inspirierten Eigenkreationen. Nach genüsslicher Lektüre des Angebots entschieden wir uns an den beiden Abenden für:

  • Gratinierte Feigen mit Blauschimmelkäse und Speck auf Kräutersalat
  • Entenbrust mit Thymianjus auf Fenchel-Orangengemüse mit Schwarzbrot- Trüffelknödeln
  • Spargelcremesuppe
  • Wildschweinrücken auf gebratenem Wirsing mit Walnussgnocchi
  • Bouillabaise mit Zitronen-Knoblauchbaguette
  • Red Snapper auf gegrillter Babyananas mit Basilikumrisotto (siehe Foto unten)

Was mir besonders gefiel, war das hervorragende Zusammenspiel der Teilaromen. So bekamen die gratinierten Feigen mit Speck und Blauschimmelkäse genau den richtigen Frischekick, wenn sie mit einigen Blättchen des daneben angerichteten Wildkräutersalats zusammen auf der Gabel landeten. Ebenso wurde der Geschmack der mildwürzigen Bouillabaisse erst dann richtig rund, wenn gleichzeitig ein Stück des dazu gereichten Zitronen-Knoblauchbaguettes mit auf dem Löffel lag. Dieser spannende Unterschied zwischen nacheinander und gleichzeitig verspeisten Zutaten war für mich ein Indiz dafür, dass in der Küche des Roten Hahns höchst gekonnt mit Aromen jongliert wird. Wer in Regensburg die goldene Mitte zwischen deftiger Schmankerlküche und exklusiver Spitzengastronomie sucht, ist beim Roten Hahn genau an der richtigen Adresse.

Roter Hahn
Logo: © Roter Hahn | Foto: © formschub

Tellerhymne

Der vorhergehende Eintrag deutete es schon an: zum wiederholten Male war für mich (in angenehmster Begleitung) die schöne Donaustadt Regensburg über das Pfingstwochenende Ziel einer genussvollen Kurzreise. Obwohl das gebuchte Fachwerk-Loft-Ferienappartement über eine voll eingerichtete Küche verfügte, gaben wir angesichts der geballten lokalen Biergarten- und Restaurantszene neugierig dem Auswärts-Essen den Vorzug. Und bereits der erste Abend im kleinen, feinen Restaurant Gänsbauer setzte kulinarische Maßstäbe.

Bei der Auswahl von Menügängen in Restaurants lasse ich mich gern von einer gesunden Mischung aus Neugier und Beständigkeit leiten. Oft entpuppen sich bekannte Zutaten oder Gerichte – bei gekonnter Zubereitung – als ebenso überraschend wie ungewöhnliche oder ungewohnte Aromen und Ingredienzen.

Gleich meine Vorspeise war ein absolutes Debüt, an das ich mich zeitlebens nie richtig herangetraut hatte: Kalbsbriesröschen in Nußbutter an bunten Frühlingssalaten mit Löwenzahn. Doch auch ohne einen Vergleich zu früheren Zubereitungen war es ein köstliches Entrée. Die zarten, leicht angebräunten Briesröschen erinnerten in ihrer Konsistenz an festere Dorschleber und in ihrem leichten, zurückhaltenden Geschmack an feinstes Geflügelfleisch, was einen schönen Kontrast zur Knackigkeit des frisch-herben Frühlingssalats bildete. Zwar werde ich wohl nicht zum Bries-Enthusiasten werden, aber diese Kostprobe war die denkbar beste Gelegenheit, diese rare Innerei zu probieren.

Beim Hauptgericht lockten vor allem Zutatenqualität und -zusammenstellung: Filet vom Eichelmastschwein auf rosa Pfeffersauce mit glacierter Kohlrabi und gebratener Polenta. Zehn von zehn Punkten für diese unglaublich gelungene Kombination. Das perfekt auf den Punkt gegarte, hocharomatische Filet bestach durch eine zart gebräunte, hauchdünne Kruste mit subtilem Salzgeschmack, über dem Aroma der cremigen Polentascheiben schwebte eine feine, vermutlich von Cayennepfeffer herrührende Schärfe, die glacierten Kohlrabistreifen bildeten, mit nur einem Hauch Gewürz versehen (Kreuzkümmel?), den idealen Gemüsebegleiter, alles umarmt vom blumig-pikanten Geschmack der ziegelroten, herrlich sämigen Sauce. Genial.

Beim Dessert siegte erneut die Lust auf Neues, denn als Nachspeise hatte ich zwei von dessen Hauptzutaten noch nie zuvor auf dem Teller gehabt: Panna Cotta mit karamellisiertem Spargel und Rote-Beete-Sauce. Glasiert mit einem feinen, nicht zu süßen Karamellsirup, bildeten die bissfesten Spargelabschnitte schon für sich ein interessantes Geschmackserlebnis, das mit jedem Löffel durch Hinzunehmen von Proben der schmelzenden Panna Cotta und der erdbeerfruchtigen, eher hintergründig vom Erdaroma der Roten Beete parfümierten Sauce herrlich abwechslungsreich variiert werden konnte. Für mutige Esser hätte ich mir den Rote-Beete-Anteil sogar noch etwas präsenter vorstellen können, dennoch auch hier die volle Punktzahl für Idee und Zubereitung, inklusive der fancy eingesteckten Blue-Curaçao-Zuckerfadendeko. Das macht Lust, mit Spargel in süßen Zubereitungen künftig auch selbst einmal zu experimentieren.

Die Beschreibung lässt es sicher vermuten: bei einem Restaurantessen dieser Qualität darf man eine Preisgestaltung oberhalb des Durchschnitts erwarten. Doch dafür bekommt man eine Menge geboten, inklusive der gediegen-gemütlichen Atmosphäre und Einrichtung der Gaststube sowie des aufmerksamen, flinken und freundlichen Service’, bisweilen sogar durch Besitzer und Küchenchef Peter Schlegl himself. Das einzige, was an diesem Abend nicht mithalten konnte, ist die Qualität der Handyfotos, mit denen ich meine Begeisterung zu dokumentieren versuchte. Bleibt also nur, den Gänsbauer selbst einmal zu besuchen – und Regensburg ist ohnehin eine Reise wert.

Gänsbauer Mai 2009
Fotos: © formschub

Plopp, gieß, schüttel, back, mampf!

Vor ein paar Tagen stieß ich in meinem Vorratsschrank auf ein kurzzeitig vergessenes Lebensmittel-Mitbringsel aus dem letzten Dänemark-Urlaub, das ich bei einem Streifzug durch einen lokalen Supermarkt entdeckt hatte. Der Name, Just Bake, trifft es auf den Punkt: eine Backmischung für ein Bio-Sauerteig-Roggenbrot, die in der eigenen Verpackung angemischt und gebacken(!) werden kann.

Das klingt zunächst ziemlich strange (weshalb ich es auch gekauft hatte), aber es ist wirklich genial: die hitze- und wasserfeste Kartonverpackung hat die Form eines Kastenbrotes und ist mit einer zu 100% aus Biozutaten bestehenden, haltbaren Backmischung gefüllt (Weizen- und Roggenmehl, Weizen- und Roggenflocken, Grahammehl, Stärke, Sonnenblumenkerne, Leinsamen, getrockneter Roggensauerteig, Jodsalz, Trockenhefe, Pflanzenfett und Glukose). Für die Zubereitung wird einfach ein kleiner Kunststoffverschluss in der Verpackung entfernt, 450 ml handwarmes Wasser eingefüllt und die Form wieder verschlossen. Eine Minute kräftig schütteln, den Pappdeckel der Verpackung abziehen und die Form mit dem Brotteig ca. eine Stunde an einem warmen Ort gehen lassen. Im vorgeheizten Backofen bei 200 °C eine Stunde backen – fertig (s.u.).

Es duftet und schmeckt herrlich, macht keinen Abwasch und gelingt mit Sicherheit auch absoluten Backstümpern. Leider habe ich so etwas in den Regalen hiesiger (Bio-)Supermärkte noch nicht finden können – beim nächsten Trip ins Land der Dänen wird auf jeden Fall für Nachschub gesorgt.

Just Bake Rugbrød
Images: © Just Bake/Millstone A/S (above), formschub (below)

Trois jours à Paris

A Ohne zu wissen, worauf man sich da genau einlässt, zum Abendessen Andouillettes probieren (eigentlich ganz lecker).
B Beim Glacier Berthillon die Eis-Saison eröffnen (Caramel au Beurre Salé, Vanille, Pistache).
C Von der Metrostation Place de Clichy aus die Ausflüge in die Stadt beginnen.
D Sich mal wieder von einem »Top Ten«-Kurzreiseführer von Dorling Kindersley kundig durch die Stadt leiten lassen.
E Den Eiffelturm diesmal nur aus der Ferne betrachten.
F Im Pub Le Frog and Rosbif bei einem Nachmittagsimbiss neue Energie tanken.
G Der französischen Kultur trotzen und zwischendurch auch mal ein Guinness trinken.
H Nach all dem köstlichen Essen zur besseren Verdauung an einem edlen Himbeergeist (»Eau de Vie de Framboise sauvage«), gekauft im lokalen Supermarkt, nippen.
I Einen ausgedehnten Frühlingsspaziergang über die Îles Parisiennes unternehmen.
J Im Konservatorium der Cité de la Musique in der Avenue Jean-Jaurès in den Genuss einiger schöner Clavichordkonzerte kommen.
K Überraschenderweise trotz hochgradig eingerosteter Französischkenntnisse keine Probleme mit der Kommunikation (en Français!) haben.
L Sich fragen, wie viele Millionen Stunden Arbeit in den unzähligen steinernen Skulpturen und Reliefs der Fassade des Louvre stecken.
M Gleich um die Ecke im Restaurant Mont Liban zum Dinner die Verlockungen der libanesischen Küche genießen.
N Zum Nachtisch im Restaurant Bistro les Batignolles natürlich Crème Brûlée wählen.
O Als passendes abendliches Unterhaltungsprogramm die charmante Komödie »Odette Toulemonde« auf DVD im Gepäck dabeihaben.
P Rund um den Place de la Madeleine einen Schaufensterbummel entlang der luxuriösesten Pariser Delikatessengeschäfte machen (Chateau Mouton Rothschild im Angebot: statt über 600 jetzt nur noch 480 EUR).
Q Quoi de plus beau que Paris en printemps?
R Mit der Regionalbahn RER B vom und zum Flughafen Paris Charles de Gaulle fahren.
S In der Senfboutique der Renommiermarke Maille ein Vier-Sorten-Probierset für die kommende Grillsaison erwerben (Olive-Zitronengras, Mandarine-Pistazie, Parmesan-Basilikum, Nuss).
T Spontan dem Impuls nachgeben, ein Stück der zentimeterdick mit safrangelbem Pudding bedeckten Tarte au Flan in der Auslage eines Konditors zu kaufen.
U Mal ganz bewusst nicht auf die Uhr gucken.
V Sich den Gepflogenheiten im Pariser Verkehr fügen und wie alle anderen Fußgänger über die Straße gehen, wann immer sie frei ist – egal welche Farbe die Ampel zeigt.
W Die erlebnisreichen Tage in der gemütlichen Appartementwohnung abends mit einem Glas Wein (rot) ausklingen lassen.
X Mit einem X im Stadtplan die lohnenswerten Locations fürs nächste Mal ankreuzen.
Y Nous y reviendrons.
Z Mit einer Zehnerpackung Metrobillets im Portemonnaie komfortable Bewegungsfreiheit genießen.

Paris Chichi

Lasst Euch entern!

Edel-Imbissbuden schießen – zumindest hier in Hamburg – in jüngster Zeit wie Pilze aus dem Boden. In dem Bemühen, Currywurst und Pommes ihren proletarischen Nimbus zu nehmen und sie zu gesellschaftsfähigen (womöglich sogar halbwegs gesunden) Delikatessen zu adeln, überbieten sich die Fritten-Startups in ihrem Einfallsreichtum.

Im wohlstandsaffinen Shoppingareal Große Bleichen lockt das Restaurant Edelcurry hungrige Citycruiser mit elf hausgemachten Saucen, in Hamburg-Eppendorf versucht Curry Queen (Update: inzwischen geschlossen) Imbissjünger davon zu überzeugen, dass eine Currywurst (fettarm vom Lavagrill oder sogar vegetarisch) auch ohne Pommes eine vollwertige Mahlzeit sein kann und in Winterhude bei Currywurst Company (Update: inzwischen geschlossen) können sich hedonistisch gesinnte Curryfans ihre Wurst sogar mit Blattgold bestreuen lassen. Nunja.

Etwas unscheinbarer und abseits der glitzernden Straßenzüge der Metropole findet sich daneben eine kleine, feine Gourmet-Imbiss-Enklave der besonderen Art: hier befährt der Hamburger Spitzenkoch Michael Weißenbruch (Ex-Betreiber der Restaurants »à Table« und »Clasenhof«) mit seiner Partnerin Monika Hamann als Curry Pirates die endlosen Ozeane feiner Wurstaromen.

Alle Würste und Saucen werden nach eigenen Rezepten selbst hergestellt, die grob geschnittenen belgischen Pommes sind mit einem besonderen Pyramidensalz gewürzt. Und das steht auf der Karte: Currywurst mit getrockneten Aprikosenstückchen, italienische Kräutersalsiccia mit Tomaten-Senfsauce, Lamm-Merguez mit Joghurt-Minzsauce, German Ox mit Apfelwürfeln inside und Wasabisauce (siehe Foto) oder Hamburger Weißwurst mit eingebettetem Lachskaviar.

Dazu gibt es jede Woche im Wechsel eine neue Spezial-Wurstspezialität. Ich habe bislang rund ein halbes Dutzend der köstlichen Kreationen probiert und hier definitiv meinen persönlichen Edel-Imbissfavoriten gefunden. Weniger Chichi, dafür mehr Phantasie, beste Qualität und 100% Geschmack. Hinrudern!

Curry-Pirates

German Ox
Fotos: © Curry Pirates (oben) | © formschub (unten)

Kochen auf Schloss Schmarsow

Was schenken, wenn der Geburtstag des Partners naht? Gemeinsame schöne Erlebnisse liegen nicht nur im Trend, sondern haben auch deutliche Vorteile gegenüber industriellen Massenprodukten. Und wenn man dann auch noch gemeinsame Hobbies wie das Kochen teilt, liegt der geeignete Geschenktipp klar auf der Hand: ein Kochkurs für zwei, gebucht bei der kulinarischen Buchhandlung und Kochschule Kochlust in Berlin.

Rund 25 Kochkurse mit den verschiedensten Themen stehen monatlich auf dem Programm, die meisten in der hauseigenen Küche. Doch ein bis zwei Kurse pro Monat bieten geneigten Hobbyköchen eine kulinarische Fortbildung in ganz besonderem Rahmen: dem rund 220 km von Berlin entfernten barocken Schloss Schmarsow. Das etwa 1620 erbaute Gemäuer, heute im Besitz einer Architektin, wurde liebevoll renoviert und teils stilecht mit antikem oder restauriertem Interieur ausgestattet, teils mit originellen innenarchitektonischen Details, die behutsam eine Brücke in die Gegenwart schlagen. So sind statt in museal gedeckten Tönen die Wände in einem der Schlosszimmer in sakralem Purpur gestrichen, oder Türstürze und Wände mit Textmalereien verziert, die einen leisen Humor in den Raum senden.
Darüber hinaus beherbergt das Schloss vier Ferienappartements, was außer uns noch sechs Kochkursteilnehmer nutzen, zu einem absolut fairen Preis den durchkochten Tag ohne abendlichen Abreisezwang ausklingen zu lassen.

Unser Kurs beginnt am Samstag nachmittag pünktlich um 15 Uhr. Neun Teilnehmer haben sich für die heutige Küchenschlacht angemeldet. Auf dem Programm steht ein italienisches Buffet: Hühnerlebercrostini, marinierte rote Paprika, Tomaten-Bohnen mit Finocchiona-Salami, gefüllte Mortadellapäckchen, Salat mit gewürztem Nusskrokant, Käsecreme mit Gemüsesticks, frittierte Auberginen mit Tomatenconfit und Ziegenkäse, buntes Ofengemüse und Apfeltartes Tatin mit Blätterteig und Karamell. Nach dem ersten Rezept, das einige der Lernwilligen unter Anleitung der Kursleiterin Denise vorkochen, wird die Gruppe aufgeteilt und arbeitet simultan, von Denise ebenso gutgelaunt wie straff koordiniert, an den weiteren Leckereien. Ein unschätzbarer Luxus im nun einsetzenden Küchengewusel sind die zwei dienstbaren Assistentinnen, die permanent alle benutzten Kochwerkzeuge, Schüsseln, Abfälle und Verpackungen diskret wegräumen oder gleich wieder abspülen. So was zu Hause wär schön. Überall wird geschnibbelt, geschält, gehackt und geknetet, frittiert, gebacken, gekocht und gerührt. In faszinierendem Tempo nehmen die geplanten Gerichte Gestalt an. Nebenan im Speisesaal ist ein großer Tisch festlich gedeckt und schon nach etwa drei Stunden biegt sich die Tafel unter der Last des kollektiv kreierten Büffets. Kaum zu glauben, dass nur kurz zuvor alle Zutaten noch roh und verpackt auf der Küchenanrichte lagen.

Der Rest des Abends vergeht mit ungehemmtem Schlemmen, weiterem gegenseitigem Kennenlernen, geselligen Gesprächen, spritzigen Anekdoten, bunten Reisegeschichten, kulinarischem Erfahrungsaustausch und so manchem Glas Wein. Erst gegen Mitternacht zeigt die bunt gemischte Runde allmählich Ermüdungserscheinungen und auch wir ziehen uns in unser Schlossgemach zurück. Was bleibt, ist das tolle Gefühl, einen außergewöhnlichen und schönen Tag verbracht zu haben, an den sich wohl alle Beteiligten noch lange erinnern werden. Einen Tag wie ein Geschenk.

Kochkurs Schmarsow
Fotos: © formschub