Kategorie: Selbstgebrautes

Kreativmaterial und Rezepte aus eigener Produktion

Einspruch

Das berühmteste Herbstgedicht – wer kennt es nicht?

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

(Rainer Maria Rilke)

Ich hätte da allerdings eine Entgegnung:

Herr, bist Du jeck? Der Sommer war zu kurz!
Nimm fix die Schatten von den Sonnenliegen,
und wenn schon Wind, dann höchstens einen Furz.

Die letzten Früchte? – meinetwegen lass sie reifen,
dann scheint die Sonne wenigstens noch mal
und Wein hat schließlich auch sein Potenzial,
zum schweren, süßen aber sollen and’re greifen.

Dass Bauprojekte stocken, Herr, ist heute üblich.
Allein muss niemand bleiben – es gibt Internet,
Lesen und Schreiben tut man mit Tablet,
doch düst’re Jahreszeiten machen mich betrüblich,
ich glaub’, der Herbst ist mittlerweile obsolet.


Foto: © formschub

Abflug

Wir befinden uns im Check-In-Bereich des Flughafens einer deutschen Großstadt. Ein Passagier wartet in der Schlange vor einem Schalter der Billig-Fluglinie »Air Dumping« auf seine Abfertigung.

Serviceperson: Der Nächste, bitte!

Passagier (tritt vor zum Check-In-Schalter): Hallo. Ich möchte für den Flug nach Brimborien einchecken.

Serviceperson: Dann bräuchte ich bitte Ihren Pass oder Ausweis und Ihren ausgedruckten Online-Check-In-Beleg. Sie haben ihn doch ausgedruckt und bei sich? Ansonsten muss ich Ihnen 30 Euro Ausdruckgebühr in Rechnung stellen …

Passagier: Jaja, hab ich … (legt die Dokumente auf den Schalter)

Serviceperson (tippt): Möchten Sie Gepäck aufgeben? Oder reisen Sie nur mit Handgepäck?

Passagier: Ja, meinen Koffer hier, bitte.

Serviceperson (tippt): Sie haben ihn hoffentlich bei der Onlinebuchung eingecheckt? Wenn nicht, müssen Sie ihn jetzt einchecken, das kann teuer werden. Hier am Schalter fallen für 15 kg Gepäck 60 Euro und für 20 kg …

Passagier (unterbricht): Ja, habe ich. 15 kg. Hier. (stellt seinen Koffer auf das Fließband)

Serviceperson (tippt und fertigt beflissen den Koffer ab): Ihr Handgepäck darf höchstens 10 kg wiegen und muss in das Gestell dort passen (zeigt hinter den Passagier), ansonsten müssen Sie es aufgeben. Das kostet allerdings richtig extra!

Passagier: Jaja, nein, ich habe nur diese kleine Tasche …

Serviceperson (tippt): Fein. Wann haben Sie vor diesem Flug die letzte Mahlzeit zu sich genommen?

Passagier: Wie bitte?

Serviceperson: Ja nun, die eingenommenen Speisen der Fluggäste sind auch Gewicht, das läppert sich alles zusammen, wir kriegen unser Kerosin ja nun auch weiß Gott nicht geschenkt. Also?

Passagier (murmelt): Darf ja wohl nicht wahr sein, das. (Zur Serviceperson): Heute morgen, also … äh, vor drei Stunden, ein Milchbrötchen und eine Tasse Pfefferminztee. Mit etwas Butter … also – das Brötchen …

Serviceperson (tippt): Schon gut, das geht in Ordnung. Stuhlgang?

Passagier (entgeistert): Was???

Serviceperson: Ist ja nicht so, dass das nichts wiegt. Der menschliche Darm ist insgesamt fast acht Meter lang, da passt einiges rein. Insbesondere bei denjenigen, die zu Obstipation …

Passagier (unterbricht ungehalten): Ich verstehe schon. Gestern abend, vor dem Zubettgehen. Und vorhin war ich klein, falls Sie das auch interessiert.

Serviceperson (amüsiert): Sie Fuchs, das hätte ich jetzt als Nächstes gefragt.

Passagier: War’s das jetzt? Kann ich dann …

Serviceperson (streng): Einen Moment Geduld müssen Sie schon noch haben, ich bemühe mich hier ja wirklich, alles so schnell wie möglich zu organisieren, aber ich habe auch nur zwei Hände. Ihre Brille, bitte.

Passagier: Was ist denn jetzt noch mit meiner Brille?

Serviceperson: Sie glauben gar nicht, was uns der Trend mit diesen affigen Hipsterbrillen letztes Jahr gekostet hat. Klobige, dicke Horngestelle und dann womöglich noch die dicken Gläser mit sechs Dioptrien drin. Bei 130 Passagieren kommen da einige Kilo zusammen … das ist auch Gewicht. Darf ich? (hält die Hand auf)

Passagier (kopfschüttelnd): Ich glaube es nicht, aber in Gottes Namen … hier. (gibt ihr die Brille)

Serviceperson (legt die Brille auf eine kleine Tischwaage): 39 Gramm, haarscharf (lacht). Ab 40 Gramm hätte ich Ihnen 10 Euro Optikzuschlag berechnen müssen, Sie Glückspilz. (gibt ihm die Brille zurück)

Passagier (spöttisch): Na super. Noch was?

Serviceperson (tippt): Zwei winzige Kleinigkeiten. Würden Sie bitte noch kurz den Inhalt Ihrer Hosen- und Jackentaschen hier in die Waagschale legen? Sie glauben gar nicht, was manche Leute alles am Handgepäck vorbeischmuggeln … ich könnte Ihnen da Geschichten erzählen …

Passagier: Nee, das nicht auch noch. Unser Interview hier reicht mir auch so! (knallt die Sachen auf die Waage)

Serviceperson: Nanana, nicht so ungehalten. Ich war doch die ganze Zeit freundlich zu Ihnen, ich mache hier schließlich auch nur meinen Job. Sie wollen doch nicht, dass ich meine Kollegen von der Flughafensicherheit rufe? (liest die Anzeige der Waage ab und tippt) 320 Gramm, das macht dann noch einmal 6 Euro Pocket-Upgrade …

Passagier (schnaubt leise): Pocket-Upgrade …

Serviceperson (tippt): Na also. Und nicht, dass Sie denken, wir achten nur bei unseren Passagieren auf sowas. Unsere Piloten zum Beispiel bekommen eine besondere Diät, jedes Pfund auf den Rippen kostet wertvollen Treibstoff. Und in den Aufenthaltsräumen für das Begleitpersonal mischen wir der Atemluft ein Quentchen Helium bei, selbst das macht sich auf Langstreckenflügen bemerkbar … dürfte ich Ihren Becher kurz sehen?

Passagier: Bitte?

Serviceperson: Laut Absatz 44.1 b unserer Beförderungsbedingungen sind die Passagiere verpflichtet, für die On-Board-Verpflegung mit Getränken ein eigenes, sauberes Trinkgefäß mitzuführen und nach dem Flug wieder mit sich zu nehmen. Wir sind schließlich eine Airline und kein Fünf-Sterne-Restaurant. Trotzdem bieten wir unseren Kunden natürlich an Bord ein reichhaltiges Angebot an Heiß- und Kaltgetränken ab 8 Euro, Bier, Wein und Spirituosen sind natürlich zuschlagpflichtig.

Passagier (leise, lethargisch): Zuschlag … zuschlagen … jaaa! Äh – ich habe keinen Becher …

Serviceperson (heiter): Das macht ü-ber-haupt nichts. Sie können an Bord Polypropylen-Mugs mit unserem Airline-Logo für nur 5 Euro käuflich erwerben. Den müssen Sie allerdings am Zielort mit von Bord nehmen, sonst wird er Ihrem Platz zugeordnet und kostenpflichtig an Ihre Heimatadresse geschickt. Schließlich haben Sie ja dafür bezahlt!

Passagier (beherrscht): Bezahlt. Ja. Bezahlt. Ich habe das Gefühl, das ist das Einzige, was ich seit zehn Minuten tue: bezahlen. Dies kostet extra, das kostet extra, hier ein Aufschlag, da eine Gebühr. Ist ja unglaublich! Und Sie nennen sich »Billig-Airline«, ich fasse es nicht! Ein Wunder, dass unser Gespräch hier kostenlos ist.

Serviceperson: Sagen Sie das nicht, es gibt Überlegungen … aber wir sollten wirklich zum Ende kommen, auch, weil Sie so ungehalten sind. Was glauben Sie denn, warum wir unsere Flüge so günstig anbieten können? Weil wir uns jeden Service quasi vom Munde absparen! Hocheffizient ist das. Hier, Ihre Bordkarte. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug. Trotz allem.

Passagier: (grummelt und entfernt sich vom Schalter)

Flughafenlautsprecher (gongt): Achtung, eine Durchsage für die Passagiere des Fluges WTF 327 nach Brimborien. Aufgrund technischer Probleme mit der Maschine am Flughafen des letzten Landepunktes wird sich die Bereitstellung der Maschine auf unbestimmte Zeit verzögern. Wir bitten die Passagiere, sich in der Passenger Lounge von Air Dumping einzufinden, wo sie gegen eine geringe Eintritts- und Verpflegungsgebühr …

(der Rest der Ansage geht im Lärm eines tobenden Passagiers unter, der versucht, mit seinem Handgepäck laut schreiend den Lautsprecher von der Decke der Abflughalle zu werfen und augenblicklich in ein Handgemenge mit zwei vierschrötigen Sicherheitsleuten verwickelt wird)


Photo: © –Tico– | Some rights reserved

33 Dinge, …

… die ich immer wieder verwechsele:

  1. konkav und konvex
  2. Mambo und Rumba
  3. Hamburg-Hamm und Hamburg-Horn
  4. Cary Grant und Gary Cooper
  5. a.m und p.m.
  6. Backbord und Steuerbord
  7. »Der dritte Mann« und »Der unsichtbare Dritte«
  8. Küfer und Kürschner
  9. Lüneburg und Lübeck
  10. Madeira und Marsala
  11. Leopard und Gepard
  12. Majoran und Oregano
  13. Pflaumen und Mirabellen
  14. Labrador und Golden Retriever
  15. Tortillas, Tacos, Enchiladas und Burritos
  16. Haschisch und Marihuana
  17. Suzuki und Subaru
  18. Balzac und Starbucks
  19. Star Trek und Star Wars
  20. Frodo und Bilbo
  21. Khaki und Oliv
  22. Wespen und Hornissen
  23. Lambrusco und Frascati
  24. .tif und .gif
  25. Mallorca und Monaco
  26. Elmex und Aronal
  27. Krethi und Plethi
  28. Rambazamba und Halligalli
  29. Gunter Emmerlich und Roland Emmerich
  30. FDP und PDF
  31. Cindy und Bert
  32. 4711 und 08/15
  33. Carmen Nebel und Kirsten Dunst

Hab ich was vergessen?

Update 05. Mai 2013: Ihr seid so großartig! Ich habe mal meine subjektiven Best-of aus den famosen Kommentaren (und das waren fast alle) in die Liste eingepflegt. Großer Spaß!

  1. Brutto und Netto
  2. Randy Crawford und Randy Newman
  3. Mein und Dein
  4. Sein und Schein
  5. Links und anderes Links
  6. Villariba und Villabacho
  7. Roland Kaiser und Howard Carpendale
  8. Wladimir und Vitali Klitschko.
  9. kurzsichtig und weitsichtig
  10. Witta Pohl und Gaby Dohm (und Thekla Carola Wied)
  11. Boba Fett und Jabba the Hutt
  12. gerührt und geschüttelt
  13. Internet und www
  14. dreifacher Lutz und dreifacher Rittberger
  15. Gitti und Erika
  16. Yul Brynner und Telly Savalas
  17. Nord und Süd und Ost und West
  18. Salz und Zucker
  19. Dill und Thymian
  20. Crevetten und Krabben
  21. Sanssouci und Versailles
  22. Touchscreens und Monitore
  23. Guinea und Guyana
  24. Uhr vorstellen und Uhr zurückstellen
  25. Hamburg-Barmbek und -Bramfeld und -Billstedt bzw. Hamburg-Eidelstedt und -Eilbek
  26. Bischöfe und Kardinäle
  27. Priester und Pfarrer
  28. Johannes Kerner und Markus Lanz
  29. Toto und Harry
  30. Stephen Hawking und Sam Hawkins
  31. Google+ und Xing
  32. Ludwig und Stefan Boltzmann
  33. Melancholiker und Sanguiniker
  34. clever und cmart (im Englischen und im Deutschen)
  35. unterschiedlich und verschieden
  36. Schulze und Schultze
  37. Busum und Husum
  38. Justin Bieber und Justin Timberlake
  39. Gaspedal und Bremspedal
  40. Herbert Knaup und Martin Brambach (im Tatort)
  41. Stalagtiten und Stalagmiten
  42. Die Geburtstage meiner Eltern (12.1 und 11.2.)
  43. Drücken und Ziehen (auf Türen)
  44. die Titel der Bud-Spencer-Filme
  45. Erle und Lerche
  46. Sekt und Champagner
  47. Sardellen und Sardinen
  48. Maikäfer und Marienkäfer
  49. Das Twitter- und das Tumblr-T
  50. Mary-Kate und Ashley Olsen
  51. Amerika und Indien
  52. Markus und Karsten
  53. Karsten Baumann und Stefan Emmerling
  54. Beige und Ecru
  55. Lavendel und Violett
  56. Rhododendron und Oleander
  57. Slowenien und Slowakei
  58. Den Staubsaugerknopf zum Abstellen des Staubsaugers und den um die Schnur aufzuwickeln
  59. U6 Richtung Alt-Tegel und U6 Richtung Alt-Mariendorf
  60. ob der IKEA nun links oder rechts von der Autobahnausfahrt im Industriegebiet liegt
  61. Helvetica und Arial
  62. Louis XV. und Louis XVI.

… und um die 100 vollzumachen, hier noch fünf von mir:

  1. Die niederländische und die französische Flagge
  2. Leonard Bernstein und George Gershwin
  3. Mojito und Caipirinha
  4. Joseph und Ralph Fiennes
  5. Tulpen aus Amsterdam und Weiße Rosen aus Athen

Das muss aber noch lange nicht der Schlusspunkt sein …

Update 08. Mai 2013: Ich verneige mich …

… kurz nachdem Peter Wittkamp, aka @diktator bei Twitter, mich gefragt hatte, ob er meine Liste zu seinem Projekt »Auslisten« (Website | Facebook) hinzufügen darf, kommentierte der Autor des famosen (und von mir hier auch schon mal empfohlenen) Buches »Die sexuellen Fantasien der Kohlmeisen«, Tex Rubinowitz, die Liste mit einigen Einträgen, die natürlich hier nicht fehlen sollen:

  1. Stadium und Stadion
  2. Studium und auf der faulen Haut liegen
  3. Tofu und Futon
  4. Andy Warhol und Woody Allen
  5. Melbourne und Montreal
  6. Beirut und Bayreuth
  7. Bitte und Danke
  8. das gleiche und das selbe

Beides kleine Ritterschläge. Vielen Dank!

Panta Ente rhei

Am 15. September 2008 postete ich meinen ersten Tweet. Im Verlauf der darauf folgenden 1665 Tage landeten 21.380 Tweets in meiner Timeline, mittlerweile 6.573 Menschen (abzüglich Bots, Werbeaccounts und Karteileichen) lesen zumindest hin und wieder mal, was ich an Blödsinn vom Stapel lasse und 14mal habe ich meinen Avatar gewechselt. Ich kann und will unmöglich allen zurückfolgen, so gern ich dies täte, da ich meine Timeline gerne unter Kontrolle behalte und möglichst wenig von dem verpassen möchte, was meine Lieblingstwitterer schreiben. Ich freue mich sehr, dass die meisten, denen ich folge, auch mir schon sehr, sehr lange »treu« bleiben, auch, wenn ich mal eine Reply verschlampe oder mich ein paar Tage in Schweigen hülle, weil Anderes meine Zeit und/oder Aufmerksamkeit fordert.

Es gibt so unglaublich viele Menschen hier, die ihre Persönlichkeit, Alltagserlebnisse, Weltsicht, Kreativität, ihren Humor, Beruf, ihr Hobby oder andere Themen und Beweggründe in ihre Tweets packen und mich jeden Tag zum Schmunzeln, Teilhaben und Nachdenken bringen. Sicher war Twitter früher heimeliger, intimer, vertrauter (besonders die Nachttimeline), aber das ist selten geworden. Es fühlt sich an, als wurde in den letzten 5 Jahren um ein einzelnes Haus, in das man mit seinen Followern und Followees einzog und wo man jeden kannte, den man im Treppenhaus traf, nach und nach eine Siedlung und schließlich eine große Stadt errichtet. Aber trotz der Vorkommnisse, die dort – in Twitterhude – gelegentlich die Eintracht trüben, wie Hämelawinen, Shitstürme oder Pauschalverurteilungen, polemische Diskussionen oder Entfolgungsschmoller, möchte ich hier nicht wegziehen.

Es gibt übrigens keinen Anlass für dieses Resümee, kein rundes Jubiläum an Tagen, Jahren oder Followerzahlen. Ich möchte Euch einfach mal »Danke« sagen und mich grundlos freuen, dass es Euch und Twitter gibt.


Artwork: © formschub

Menschenleer

Schon seit geraumer Zeit faszinieren mich Orte in größeren Städten, die ursprünglich für die »Massenabfertigung« größerer Menschenmengen konzipiert wurden, die ich aber zu bestimmten Zeiten oder in nur kurzen, zufälligen Momenten komplett verlassen vorfinde. Vielleicht wird ja eine kleine Serie daraus – hier sind zumindest schon mal zwei Motive.

Update Juni 2020: Im Zuge des Lockdowns zu Beginn der Corona-Pandemie hat der Hamburger Fotograf Andreas Vallbracht die Gelegenheit genutzt, menschenleere Orte zu fotografieren, die sonst 24/7 vor Passanten und Touristen nur so wimmeln. Ein gespenstisches Portfolio.


Fotos: © formschub