Tiny Music Makers

Fast jeder ist wohl schon einmal zusammengezuckt, wenn zur Unzeit aus dem eigenen oder fremden Handy der allseits bekannte »Nokia-Tune«-Klingelton düdelt. Weniger bekannt ist, dass die Melodie keine Kreation aus dem Nokia Klingeltonstudio ist, sondern ein Auszug aus dem 1902 geschriebenen Solo-Gitarrenstück »Gran Vals« des spanischen Komponisten Francisco Tárrega.

Hört man genau hin, ist der Alltag voll von Klängen, Soundbits und Melodien, die jeder kennt – ihre zeitgenössischen oder klassischen Urheber jedoch bleiben oft anonym. Das im Januar 2009 leider eingestellte Blog Music Thing des Briten Tom Whitwell hat in einer Miniserie über bekannte zeitgenössische Markensounds die Stories einiger »Tiny Music Makers« recherchiert und aufbereitet.

Eine ähnlich informative Quelle zur Herkunft populärer Soundschnipsel, die sich Werber und Firmen – wie z.B. Nokia – bei der klassischen Musik »borgen«, wäre auch mal interessant.

Intel Chime
(Wellenform-Darstellung des »Intel inside« Sounds)

Booting Baroque

Das ist doch mal Avantgarde: der Startup-Sound des Apple Macintosh [macstartup.mp3] scheint über 270 Jahre alt zu sein. Offiziell gilt zwar der Apple-Mitarbeiter Jim Reekes als Urheber des Tons, doch seit ich den einleitenden Akkord der 1738 vollendeten barocken Tanzsinfonie »Les Éléments« des Komponisten Jean-Féry Rebel gestern zum ersten Mal hörte, glaube ich, es war alles ganz anders.

Vielleicht gab es ja damals schon Notebooks. Vielleicht komponierten schon Mozart und Haydn ihre Meisterwerke am Computer, den sie zuvor mit einem goldenen Schlüssel sorgsam aufgezogen hatten. Vielleicht ist das auf dem Foto aber auch nur ein abgefahrenes Steampunk-Modding des Künstlers Richard Nagy. Wer weiß?

Anktik-Notebook
Photo: © Richard Nagy (Datamancer) | noncommercial use permitted

Ein feiner Zug

Ist doch immer wieder schön, wenn Netzrecherchen viel mehr Interessantes erschließen, als ursprünglich gesucht. So geschehen beim »googeln« nach Name und Herkunft der Headlineschrift im Corporate Design des Hamburger Verkehrsverbundes HVV.

Der kursive, leicht techno-artige Font hatte auf Plakaten und Aushängen meine Aufmerksamkeit geweckt, so dass ich neugierig war, ob sich der HVV – wie die Deutsche Bahn – eine exklusive Hausschrift hatte gestalten lassen. Die Antwort: mitnichten. Der Font heißt »Faktos«, ist kostenlos für nichtkommerzielle Verwendung erhältlich und wird in den Werbemitteln des HVV lediglich* mit 115% Zeichenbreite und 14° Neigung zur Kursive verformt.

Vater und Urheber der Schrift ist der gelernte Schriftsetzer Dieter Steffmann aus Kreuztal/Westfalen, der seit mehr als 18 Jahren dem typographischen Hobby frönt, Schriften (insbesondere Fraktur) zu digitalisieren, vorhandene Public-Domain-Fonts nachzubearbeiten (z.B. um deutsche Sonderzeichen zu erweitern) und auf seiner Download-Seite zu veröffentlichen. Dort stehen neben »Faktos« rund 340 weitere Schriften zum Herunterladen bereit.

* Update: Nicht ohne eine gewisse Arroganz im Ton mokiert sich in einem Typografie-Forum ein Kommentator über das Wörtchen »lediglich«, das ich hier nutze. Die intendierte Lesart meiner Argumentation ist: »Hat der HVV eine exklusive Hausschrift? Nein, hat er nicht, sein vermeintlich eigenes Erscheinungsbild beruht lediglich darauf, dass ein Freefont verzerrt wurde.«

Mir ist als Grafik-Designer sehr wohl bewusst, dass es bei den meisten Schriften zu grauenhaften Ergebnissen führt, wenn man sie durch horizontales Skalieren oder Neigen deformiert und entsprechend vermeide ich dies konsequent. Ich bin jedoch der Meinung, dass eher geometrisch konstruierte Fonts mit rechteckigen Formen, wie z.B. Handel Gothic, Bank Gothic oder eben Faktos, dies »besser wegstecken« können, wenn es ihnen doch einmal widerfährt. Weitere Rückschlüsse aus dieser Formulierung zu ziehen, halte ich allerdings für unangemessen.

HVV Faktos
Foto: © HamburgerJung | Bestimmte Rechte vorbehalten

Kiosk Empire

Gegenüber Anglizismen ist man ja im Alltag schon fast abgestumpft. Da wird gemeetet, gedownloaded, geupdated und gecancelt, recycelt und geforwarded, der Kaffee ist »to go«, Schnäppchen gibt’s im »Sale« und bei Reisen und Veranstaltungen geht nichts mehr ohne »Ticket«. Doch abseits des Überflüssigen, Unvermeidlichen, Peinlichen liegt ein kleines Eiland, bewohnt von liebenswerten Sprachpreziosen, wo Deutsch und Englisch sich vereinen, um einen Laden zu eröffnen oder ein Unternehmen zu gründen. Gern bin ich dort amüsiert zu Gast und habe schon so manchen Bewohner ins Herz geschlossen:

  • Essen & Trinken Corner (leider vergessen, wo)
  • Getränke-World (Hamburg)
  • Ebu’s Brezel-Team (Offenbach)
  • Blumen-Point (Premnitz)
  • Modellbau-Universe (Nürnberg)
  • Auto Galaxy (Nauheim)
  • Matratzen Center (Altwarmbüchen bei Hannover)

Holzconnection